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~ Ich bin Asperger Autistin und hier sollen meine Gedanken Platz finden.

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Schlagwort-Archiv: Overload

„Diese Tage“

23 Sonntag Okt 2016

Posted by maedel in mein Autismus

≈ 9 Kommentare

Schlagwörter

Alltag, AS, Asperger, ASS, Autismus, Autismus-Spektrum, Berufsleben, Kommunikation, Meltdown, Overload

Eigentlich fing der Tag ganz normal an. Zumindest, wenn man davon absieht, dass die Woche von Anfang an anstrengend war.
So ist es meistens. Es schaukelt sich sozusagen hoch. Oft ist es ein Sammelsurium von Dingen, selten nur eins allein. Für sich hätten sie sicher nicht die Auswirkung gehabt. Aber das sehen die wenigsten. Sie sehen die Zusammenhänge nicht.
Vielleicht, weil sie es nicht nachvollziehen können. Weil sie solche Tage einfach abschütteln, als „diese Tage“ halt. „Kennst das doch“. „Da kommt halt mal alles zusammen“, und dann geht es einfach weiter.
Ich frage mich immer, wie sie das machen und wie ich ihnen begreiflich machen kann, dass „diese Tage“ bei mir eine ganz andere Bedeutung haben. Ein ganz anderes Gewicht.

Sie strengen mich an und rauben mir die Kraft. Die Spirale schraubt sich immer weiter runter. Immer niedriger wird die Schwelle dessen, was ich ertragen oder meistern kann.

„Diese Tage“ bedeutet für mich, dass etwas anders ist. Es kann auch anstrengend bedeuten, weil es unklar ist. Genauso kann mich eigentlich positives auch derart beschäftigen. Zum Beispiel wenn ich unerwartet ein Geschenk bekomme und ich nicht weiß, welche Reaktion erwartet wird oder ob überhaupt. Es kann auch bedeuten, dass ich plötzlich eine neue Aufgabe bekomme und mir nicht so recht klar ist, wie ich damit umgehen soll. Ob ich das gut genug mache, etc, etc.

Im Grunde kann man das leicht zusammenfassen. „Diese Tage“ bedeuten für mich Unsicherheit.

Es heisst auch, dass der Tag erschöpfend ist, weil ich so sehr mit anderen Dingen beschäftigt bin, dass ich reizoffener bin als sonst schon.
Es raubt mir die Kraft und das reicht bis in den nächsten Tag. Durch die Gedankenkreisel schlafe ich dann sehr oft schlecht und so wache ich meist am nächsten Tag schon mit Kopfschmerzen und wesentlich niedriger Toleranzschwelle auf, als den Tag zuvor.
Es ist eben eine Abwärtsspirale.

Diesmal ausgelöst durch die Aufgabe, Kollegen einzulernen. Das ist zwar anstrengend für mich, weil ich viel reden und mit für mich Fremden agieren muss und weil der beste Plan oft nicht funktionieren kann. Einfach, weil zu viele Variablen zusammen treffen. Es ist anstrengend, aber ich kann das meistern und eigentlich mache ich das auch recht gern (also positiver Stress).
Solange nichts anderes hinzu kommt.

Ja, es wurde mir gesagt, dass ich hauptsächlich dafür zuständig bin, die Kollegen richtig einzulernen und dass der Kunde bescheid wüsste. Ein genauer Zeitraum wurde jedoch nicht benannt, nur eine eventuelle Zeitspanne.
Das Problem war auch vielmehr, dass gesagt wurde, dass ich weniger meiner eigentlichen Tätigkeit nachgehen soll und auch das wäre mit dem Kunden genau abgesprochen.

Wieviel genau ist denn weniger? 

Als dann vom Kunden Dienstag morgen die Anweisungen kamen, was zu tun ist und da ich ja die Info hatte, dass es abgesprochen war, ging ich davon aus, dass ich das Pensum neben dem Einlernen zu schaffen hatte. Das löste den Stress und die Gedankenkreisel aus.
Der Hinweis eines Jobcoaches, ich hätte an der Stelle nochmal genauer nachfragen sollen, erschließt sich mir nicht. Ich ging ja davon aus, dass alles genau so abgesprochen war.
Es ging aber noch mehr schief an der Stelle. Es fehlte die genaue Absprache, klare Anweisungen an mich und eben auch die Anwesenheit der Jobcoaches. Zumindest wurde es mir so erklärt, dass es eigentlich geplant war, dass immer einer anwesend sein wird in der Zeit.

So war vermutlich das was passiert ist unvermeidlich.

Zwei Tage Overload und keine Möglichkeit sich zu erholen, da Gedankenkreisel, kamen zu dem Druck dazu, den ich zugegeben durch meinen Perfektionismus selber aufbaute. So brachte mich am Folgetag etwas zu Fall, was ich normalerweise hätte gut kompensieren können.

Noch im Hinterkopf, was ich noch zu erledigen hatte, dazu der Zeitdruck, das alles bis Mittags schaffen zu müssen, weil wir dann nicht mehr weiter arbeiten könnten.
Unser Büro sollte umziehen und so blieb mir nur noch dieses kurze Zeitfenster. Ich geriet unter Leistungsdruck und so wurde ich zusehend genervter.
Als ich dann kurz vor Mittags feststellte, dass meine ganze Arbeit auf einen Schlag durch ein blödes Missverständnis zerstört war.
Als ich merkte, dass alles was ich gemacht hatte keinen Wert mehr hat wenn entsprechende Seite nicht mehr da war, geriet ich in Panik.

Ich rief meinen Anprechpartner. Hoffte, er könne noch irgendwas retten, aber zu diesem Zeitpunkt schien die ganze Arbeit seit Anfang der Woche umsonst. Ich kämpfte mit meiner Fassung und konnte sie doch nicht ganz verbergen.
Meine Kollegin hatte an der Stelle richtig reagiert. Sie brachte alle nach draussen und schottete mich ab. Panik, dazu im Hinterkopf, dass ich so mein Pensum nicht mehr schaffen kann, mich sogar um Tage zurückwarf

…das war zu viel.

Genau in dem Moment kam noch ein Jobcouch rein und irgendwas wollte er noch von mir wissen. Aber ich konnte nicht mehr. Ich rannte raus. Weg. Einfach nur weg.

Mein Kopf dröhnte und ich konnte es nicht mehr zurückhalten. Die nächsten Minuten habe ich nur durch einen Schleier in Erinnerung. Ich weiß, dass ich rausgerannt bin. Raus aus der Firma. Ich weiß auch, dass ich der Kollegin noch irgendwas gesagt hatte, aber nicht mehr was. Ich hatte nur noch einen Gedanken und so rannte ich völlig aufgelöst, kreischend und schluchzend raus und alle haben es gesehen. Irgendwohin wo ich allein sein konnte und niemand sehen würde, wie ich mit meinen Füßen auf irgendwelche Steine einschlug.

Meltdown

Ich mag diesen Zustand nicht. Ich mag mich dabei nicht, aber ich kann nicht wirklich etwas dagegen tun. Es ist ein ungeheuer Druck, der sich bis dahin aufgebaut hat und auf einen Schlag herauskommt.
Danach bin ich meist völlig erschöpft und eigentlich weiß ich es besser. Ich hätte nicht zurückgehen dürfen. Aber immer noch hatte ich im Hinterkopf, dass ich wenigstens noch meine Sachen zusammenpacken sollte, für den Umzug.

Völlig planlos und nicht mehr des Redens fähig stand ich mitten im Raum. Ich weiß, dass man mich noch nie in diesem Zustand erlebt hatte und es komplett konträr zu dem geht, wie ich sonst bin. Ich wollte es erklären, konnte aber nicht und mir tat es so leid, dass die Umstände offensichtlich falsch gedeutet wurden.
Es war alles nur ein großes Missverständnis. Eine Verkettung vieler ganz blöd gelaufener Umstände, die dazu geführt hatten.

Ich war nicht sauer auf den Kollegen. Ich war überfordert mit der gesamten Situation und dieser und meiner Gefühlswelt hilflos ausgeliefert.
Nicht das „er“ meine Seite zerschossen hat, sonder „das“ sie zerschossen war, das war das Problem und es besteht ein himmelweiter Unterschied zwischen Wut und einem Meltdown. Letzteres ist reine Hilflosigkeit.

So stand ich also mitten im Raum und hatte keine Ahnung was ich tun soll. Immer wieder wurde ich gefragt, was denn passiert sei, aber ich blieb stumm und auch hier reagierte die Kollegin richtig, als sie sich Block und Stift schnappte und mir Anweisungen aufschrieb, die ich zu erledigen hatte.
Nur die letzte kam zu spät. „Du musst noch deine Daten vom lokalem System sichern.“
Da ich den Rechner schon heruntergefahren hatte, stellt ich ihn wieder an.

Schwarzer Bildschirm, nichts rührte sich nicht mehr.

Immer wieder versuchte ich ihn zu starten. Wenn ich meine Daten nicht sichern kann, dann kann es passieren, dass sie weg sind. Dann wäre nicht nur die Arbeit der letzten zwei Tage weg, dann wäre alles weg.

Aus, das wars. 

„Ich gehe nach Hause“ schrieb ich noch, schnappte meine Sachen und rannte beinahe noch unsere Kundin, auf dem Weg nach Hause, über den Haufen.

Das sind die Konsequenzen, die aus „diese Tage“ entstehen können und immer noch frage ich mich: Wie steckt ihr sowas einfach so weg?

Leben auf der Datenautobahn

11 Donnerstag Aug 2016

Posted by maedel in mein Autismus

≈ 5 Kommentare

Schlagwörter

Arbeitswelt, Asperger, Asperger Syndrom, ASS, Autismus, Autismus-Spektrum-Störung, HFA, Hochfunktionaler Autist, Overload

Schnell muss ich sein. Viel in kurzer Zeit lernen und dann hyperfunktionieren. Kaum Zeit mich zu regenerieren. Ich fahre los. Habe noch einen wichtigen Termin heute. Wie so oft. Bis zur letzten Sekunde habe ich gearbeitet. Zeitdruck nennen sie das. Ich nenne es mal wieder ein viel zu langer Tag, nach viel zu vielen langen Tagen.
Wie jeden Tag checke ich kurz vor Abfahrt per App die Straßenlage. Für die Autobahn ist ein Stau von mittlerweile 24 min angesagt. Ich folge dem Navi raus aus München, die Autobahn vermeidend, da so spät dort kein Durchkommen ist.

Ich komme ganz gut an den Brennpunkten durch. Mein Termin ist zu schaffen und so bin ich zwar sehr geschafft von den langen Tagen, aber zumindest werde ich meinen Termin heute einhalten können.
Ich möchte ihn nicht noch einmal verpassen. Nicht nochmal hilflos vor ihnen stehen und irgendwie erklären müssen, warum ich nicht da war.
Die Ungerechtigkeit ertragen müssen, dass der Termin verfällt. Eine Tatsache, die mich fast platzen lässt, weil es ihnen gänzlich egal ist, ob ich nun was dafür kann oder nicht. So sitzt mir jedesmal auf’s Neue die Angst im Nacken.
Schaffe ich es heute? Werde ich rechtzeitig da sein.
Früher hätte ich zwei Termine am Tag vermieden aus eben solchen Gründen. Ich verpacke sowas sehr schlecht. Seit ich wieder arbeite, weiß ich aber nicht, wie ich es anders legen soll und dann machen sie einem auch noch ein schlechtes Gewissen, weil man so früh gehen muss.
Zumindest ist das nur aus ihrer Sicht so. Immerhin habe ich einen 6 Stunden-Vertrag und heute waren es tatsächlich 9 Stunden. Und dann noch dieser Termin.

Immer noch in Gedanken bei „haben sie es gut…, nein, schon gut,… bis morgen“ (was soll mir das jetzt sagen) fahre ich weiter.
War es jetzt nicht ok, dass ich nach 9 Stunden heimgefahren bin? Ich halte sowas auf Dauer sowieso nicht aus. Nicht ohne Grund habe ich einen 30 Stunden Vertrag.
Ein paar Tage geht das gut, aber irgendwann breche ich zusammen.

Ich überlege, ob ich meiner JobcoachIn was sagen soll. Aber da kommt dann wieder mein Perfektionismus durch.
Ich möchte meine Arbeit gut machen und niemanden enttäuschen. Auch wenn es nicht meine Schuld ist, dass der Kunde viel zu wenig Zeit für viel zu viel Arbeit angesetzt hat.
Zumindest sind meine Kinder momentan nicht da, sodass ich abends etwas mehr Erholung habe als sonst. Wie lange ich wohl durchgehalten hätte, wenn sie da gewesen wären? Wer weiß das schon.
Wenigstens werde ich es heute schaffen und so wie es aussieht, geht es mir noch gut genug, dass ich zwar etwas erschöpft und verpeilt, aber *sicher* ankommen werde.

Nach 34 min bin ich am Stau vorbeigefahren. Nun also auf die Autobahn. Das spart Zeit. Wie immer stockt es zwar an der Stelle, wenn ich auffahre, aber das verliert sich schnell, sobald alle auf und abgefahren sind. Diesmal schneller als gewöhnlich.
Meine Gedanken kreisen um die Aussage, dass wir die nächste Woche „ranklotzen“ müssen.
Freudig registriere ich die Anzeige das 100 erlaubt sind. Hui, dass hatte ich auf der Strecke schon lange nicht mehr. Nicht an der Dauerbaustelle.
Innerlich fange ich zu feiern an. Die Baustelle ist ja weg. Cool. Das muss ich gleich Mitbewohner erzählen, wenn ich dann heim komme.
Das ist ja toll.
Vorbei wären die Zeiten, wo ich fast die Hälfte länger (manchmal wesentlich mehr) brauche, als so schon.
Boah, jetzt sind es sogar 120 und die „armen Schweine“ auf der anderen Seite. Die stehen komplett im Stau. Aber verständlich. Hatten ja eben noch einen Unfall auf der Strecke angesagt.

Befreit von der Sorge, es nicht mehr rechtzeitig zu schaffen, rausche ich auf der Autobahn dahin. Stelle mir Mitbewohners Gesicht vor. Wie er es wohl auffassen wird, dass die Dauerbaustelle weg ist?

Je werde ich in meinen Gedanken unterbrochen, als mein Navi brüllt, dass ich an der nächsten Ausfahrt abfahren soll um zu wenden, 9 km vor München.

Ach du sch….

Da habe ich in 19 min alles zunichte gemacht. Bin nun wieder fast da, wo ich die Fahrt „gestartet!“ hatte. Das schaffe ich nie!

PS: Ich kann mir immer noch nicht erklären, wie ich falsch auf die Autobahn auffahren konnte. Vor allem auf einer Strecke, die ich mittlerweile sehr gut kenne, da ich sie täglich fahre. Egal wie oft ich mir gerade die Bilder anschaue, ich kann es nicht verstehen, was da passiert ist.

Diese Tage

07 Samstag Feb 2015

Posted by maedel in mein Autismus

≈ 26 Kommentare

Schlagwörter

AS, Asperger Autismus, Asperger Syndrom, ASS, Autismus, Autismus-Spektrum-Störung, Überforderung, HFA, Hochfunktionaler Autist, Overload, Reizüberflutung, Spezialinteresse, Vermeidungshaltung

das sind jene Tage, an denen ich spätestens zum späten Nachmittag hin im Bett liege. Eben dann, wenn die Betreuung der Kinder sichergestellt ist.
Insofern nicht irgendetwas wichtiges ansteht, aber das ist eigentlich meistens so. Zumindest insofern, das ich denke, das es überaus wichtig ist und bin ich zu diesem Zeitpunkt in diesem „Funktionieren-Film“ schaffe ich den Absprung aus eigener Kraft meistens nicht mehr.

Mehr als ein Funktionieren ist es dann auch nicht mehr und wirklich aufnahmefähig würde ich mich da auch nicht mehr nennen. Begleitet wird das ganze meist durch Kopfschmerzen und ich nenne es eine Art Nebel im Kopf. Nehme so meine Außenwelt und auch meine eigene Innerwelt nur noch schemenhaft wahr.
Laufe tatsächlich dann nur noch herum, ohne jeglichen Plan, völlig ziellos von einer Ecke zu anderen. Ähnlich einem aufgescheuchtem Huhn das vergessen hat, warum es eigentlich wegläuft. Eben rein instinktiv.
Ich weiß nur, ich muss irgendwie weiter machen. Nur habe ich nicht wirklich eine Ahnung davon, wie.
Meistens rette ich mich so halbwegs über den Tag, aber ein Optimum ist es nicht wirklich und daher sicher auch verständlich, warum ich solche Unternehmungen, die mich in solch einen Zustand bringen können, vermeide.
Vermeidungshaltung nennen das die Psychiater. Ich nenne das eine Schutzfunktion. Aber so sind eben die Ansichten verschieden, je nach Perspektive. Das stört mich nicht, solange niemand meint, ich müsse etwas gegen die Vermeidungshaltung tun, das wäre nicht gesund.
Da frage ich mich, ob dieser Zustand denn gesünder wäre, vor allem, wenn man Kinder hat.
Aber naja, ich schweife ab.

Es sind diese Tage, jene Tage, wo mir zum weinen zumute ist, ich es aber nicht kann. Meist kein gutes Zeichen, denn dann fängt die Überforderung schon an und ab da ist alles was noch dazukommt um ein vielfaches verstärkter.
Verstärkter insofern, als das ich unter normalen Umständen reagieren würde.
Leider ist das meist vorher nicht genau auszumachen. Bis zu einem gewissen Punkt scheine ich es zu packen um dann vermeintlich völlig aus dem Nichts zusammenzubrechen.
Schlimm wird es dann, wenn ich den Auslöser nicht abschalten kann.

Wie, wenn der eigentliche Auslöser eine Schulung ist, an der ich momentan teilnehmen (muss). So ist sie zwar nicht maßgeblich dafür verantwortlich, was an diesem Tag alles schief ging, aber doch vom Grundtenor her sehr wichtig.
Denn bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich schon knapp 2 Wochen Schulung.
Statt irgendwann ein völliges Abschalten zuzulassen, habe ich mir immer nur ein Mindestmaß zugestanden. Gerade soviel, das ich weiter machen konnte. Einen ganzen Abend Pause oder auch ein Wochenende konnte ich mir einfach nicht leisten, wenn ich das Ziel dieser Schulung schaffen will.

Auch wenn es Momente gab, wo ich am liebsten sofort da raus gerannt wäre.
„Es ist erst halb 10 und ich kann nicht mehr *mich auf dem Klo versteckt*“, schrieb ich letzten Freitag auf Facebook.
Auch wenn ich nachmittags öfter ins Bett geschickt wurde, was zugegeben nötig war, auch wenn ich es in dem Moment nicht mehr erkannt hätte, dennoch habe ich mir irgendwie über die Tage retten können. Es war anstrengend und etliche Male brenzlig, aber ich bin hier eben auch nicht ganz allein. Ich kann mich dann, wenn es wirklich nicht mehr anders geht, nachmittags kurz hinlegen um das schlimmste zu verhindern. Gerade soviel, das ich abends weiterlernen kann. Wieder aufnahmefähig bin. Ob ich das allerdings 3 Monate durchhalte, wird sich noch zeigen. Dass es in der Schulung sehr laut ist, das werde ich kaum ändern können. Aber vielleicht finde ich noch einen Weg, das ganze für mich erträglicher zu machen.

Denn es ist nicht gut, das ich so nicht voll und ganz für alle da sein kann. Ich habe auch noch andere Verpflichtungen und wenn ich die ganze Kraft (alle Löffel) schon am Vormittag verbrauche, dann brauche ich mich eigentlich über einen solchen Tag nicht wundern.

Einen Tag wie diesen, an dem man schon völlig ausgelaugt von einer Schulung kommt, die schon länger geht und mir alles abverlangt. Wo es nicht lange dauert, das jenes Getippe um mich herum bald wirkt, als würden die anderen versuchen durch ihre Tische hindurch die Tasten zu treffen. Wo der ganze Raum von Geschnatter erfüllt zu sein scheint und die Mädels vermeintlich in Parfüm gebadet haben. Und ich irgendwie versuche all diese Geräusche, neben dem von den Zügen, die direkt am Gebäude vorbeifahren, zu ignorieren und mich auf das zu konzentrieren, was vor mir liegt. Das Buch, der Lernstoff, weswegen ich eigentlich gekommen bin.

Dieser Moment, wenn man nach Hause kommt, in die vermeintliche Sicherheit, nicht mehr fähig irgendwelche Filter aufrechtzuerhalten, wohl wissend, das ich nur eine halbe Stunde Ruhe habe, bevor die Kinder nach Hause kommen.
Und dann klingelt es an der Tür. Gut, ich wusste ja, das jemand kommt, und ich habe sie wie bereits bei Mitbewohner angekündigt nicht hereingelassen. Das hätte ich einfach nicht verpackt. Auch wenn sie etwas irritiert deswegen gewesen sein mag, aber das war mir in dem Moment egal. Ihr wisst ja, Schutzfunktion, nicht Vermeidungshaltung…

Dieser Augenblick, wenn man denkt, puh das habe ich hinter mir und es wiederholt klingelt, diesmal unerwartet. Sofort kommt der Gedanke auf, das ich die Frau eventuell zu sehr irritiert habe und sie nochmals an der Tür steht um es zu klären…was zu klären?
War aber nur die Post, zum Glück und schnell abgehandelt.
Sich freuend auf seine nicht mehr ganz halben Stunde mit meinem SI und meinem Kaffee. Das brauche ich jetzt und mache erstmal meine Emails auf, was ich im Nachhinein betrachtet besser hätte lassen sollen. Aber so ist das mit meinen Abläufen. Sie müssen sein.

Emails, die normalerweise für mich nur ein Ärgernis bedeutet hätten. Unter normalen Umständen.
Sich dann darüber Gedanken machend, wie es denn sein kann, das mein Sohn heute nicht in der Schule war. Hat er geschwänzt? Nur um viel später zu erkennen, das ich das geschriebene nur „mal wieder“ missverstanden hatte.

Noch in Gedanken, meine Tochter vom Kindergarten abholend und mittlerweile wegen eines Blutabnahmetermins am Abend nüchtern, schleppe ich mich zum Haus zurück, wo mich die Nachricht erreicht, das ich doch „sofort“ in der Praxis zurückrufen soll. Sonst keine Begründung, kein Hinweis.
Mal ganz davon abgesehen, das ich Schwierigkeiten beim Telefonieren habe, vor allem an solchen Tagen, setzte dieses „Sofort“ auch sofort eine Batterie an Gedanken frei.
Ein sogenanntes Gedankenkarussell wie ich es nenne. Warum? Das ist ganz einfach. Weil dann meine Gedanken so sehr um mich herum kreisen, dieselben Fragen immer wieder an mir vorbeischießen und ich die Antworten dazu doch nicht zu fassen bekomme.
Mein sonst so analytischer Verstand sogar eher hinderlich ist, denn ich bekomme all die Gedanken dazu nicht geordnet und es sind sehr viele, die ich mir in solchen Momenten mache.
„Warum soll ich da anrufen“…“platzt der Termin“…“muss ich noch nüchtern bleiben“…“was ist, wenn ich später bei denen in der Praxis stehe und sie mich wieder unverrichteter Dinge nach Hause schicken“…“wann sollen wir dann diesen Termin machen“…“denke ich daran gleich einen Termin zu machen, damit ich nicht telefonieren muss“……..

Noch in Gedanken lege ich den Benachrichtungsschein weg, der mir sagt, das ich mein Paket in einem mir wildfremden Laden abholen kann.

Zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissend, das mein Notnagel, mich notfalls für eine Stunde hinlegen zu können, sobald Mitbewohner da ist, nicht funktionieren würde.

Denn an diesem Tag kamen noch weitere Faktoren hinzu…neben den Emails, plötzliche Telefonate … so ein „rufen sie mal schnell zurück“ hatte bei mir schon in der Vergangenheit dazu geführt, das ich mich erstmal ganz spontan übergeben hatte, denn damals bestand eben nicht die Möglichkeit, das Mitbewohner dann doch schnell da anrufen kann.

Ich wusste zu dem Zeitpunkt noch nicht, das ich noch zu verpeilt sein würde, das ich mir beim Essen richten (zur Zeit gibt es mittags nur kaltes Vesper, da zeitlich nicht mehr drin ist) ein kleines Stück von meiner Daumenkuppe abschneiden würde. Ganz geschweige davon, das ich wegen der ganzen Aufregung erst um halb vier in der Lage sein würde, den Kindern das Essen servieren zu können.
„als du mir um halb 3 geschrieben hattest, das du dich geschnitten hast, dachte ich mir schon, das irgendwas gehörig schiefgelaufen sein muss.“

Ich wusste da auch noch nicht, das Mitbewohner krank (gegen Abend sogar mit hohem Fieber) nach Hause kommen würde. Sich dann selber irgendwo über den restlichen Tag retten könnte und man ihm sinnbildlich zuschauen konnte, wie er mehr und mehr in sich zusammensank.

Wie hätte ich mich da auch einfach hinlegen, oder mich später zum Lernen hinsetzen können. Sicher hätte er das trotz hohem Fieber auch gemacht, aber wie gesagt, das hätte ich zum einem mit meinem Gewissen nicht vereinbaren können…Prüfung hin oder her (die ja am nächsten Tag anstehen würde).
Aber vor allem hätte ihm ja auch nicht mehr die Kraft ausgereicht mich aus diesem verdammten „Funktionieren-Film“ herauszuholen und von selbst komme ich da nicht darauf.

Viel gelernt habe ich nicht mehr und das was ich gelernt hatte, hätte ich auch lassen können. Daher ging ich am nächsten Tag mit dem festen Glauben in die Schulung, das ich diese Prüfung sicher versemmeln werde.

Aber, und da bin ich ein wenig stolz darauf, ich habe sie trotz allem bestanden.

Ich hoffe nur, das mein nächster Tag vor der Prüfung in etwa 2 Wochen etwas ruhiger verlaufen würde.
Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt, wie ein Sprichwort sagt und solche Tage braucht kein Mensch, wie ich häufig zu sagen pflege.

Wenn die Hitze zuviel wird…

04 Sonntag Aug 2013

Posted by maedel in mein Autismus

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Schlagwörter

AS, Asperger Autismus, Asperger Syndrom, ASS, Autismus, Autismus-Spektrum-Störung, HFA, Hitze, Hochfunktionaler Autist, Overload

Sabine schreibt mir hier stellenweise aus meiner Seele. Ich kenne das gut, wie es sich anfühlt, wenn die Schweißtropfen den Körper herunter rinnen. Ich binde an sehr heißen Tagen meine Haare dann immer hoch, benutze oft ein Tuch, damit auch ja kein Haar die Haut berührt. Normalerweise mache ich das nicht so gerne, da Bänder oder Tücher zusätzlich Druck ausüben, aber die Haare auf der Haut sind noch schlimmer und dann wähle ich das kleinere Übel.

Ich vermeide momentan das draußen. Wo es nur geht. Oft erst abends oder nachts setzte ich mich raus.
Bei mir ist es nicht so schlimm wie bei Sabine, aber das liegt vermutlich daran, das ich schlafen kann. Mein Bett steht im Keller und da ist es kühl. Auch meine Jungs sind derzeit sehr gereizt.
Ich halte mich gerade an sehr heißen Tagen viel im Keller auf. Mir waren schon die Tage zu viel, als ich draußen bei den Kindern im Garten sein musste, weil diese ja nicht ohne Aufsicht bleiben können. Wobei die Jungs eher drin waren. Nur die kleen war gern draußen.
Ich möchte mir gar nicht vorstellen, wie es jetzt in einer Dachwohnung wäre.

Meist hatte ich das Glück, das ich recht gut durch den Sommer kam. Aber ich hatte auch Momente, wo es schlimmer war. Z.B im Urlaub, wo es keine Klimatisierung gab oder einen Keller, in den ich mich verkriechen konnte.
Da war an Schlaf nicht zu denken. Dazu die Hitze. Wobei es auch immer auf den Feuchtigkeitsgrad ankommt. Gerade im Ausland habe ich, obwohl es wesentlich heißer war, kaum geschwitzt und die Hitze nahm mir auch nicht den Atem. Zumindest nicht jeder Tag. Hierzulande schon.

Obwohl ich besserer Bedingungen habe als Sabine, bin ich dauergereizt. Meine Reiztoleranzschwelle ist extrem niedrig. Stehe ständig am Rande eines Overloads oder mitten drin.
Gestern wurde ich von einer Freundin abends zu einem Sommerfest eingeladen. Ich mag sie, aber sie kann es nicht lassen, mich zu berühren. Selbst wenn ich sichtbar wegzucke kommt ihrerseits ein Sorry, berührt mich dabei aber wieder. Zur Beruhigung? Vermute ich mal. Dann zucke ich wieder und wieder kommt ein Sorry. Gestern war das zuviel und ich brauche heute den Tag Ruhe, um mich zu erholen. Dabei wollte ich heute einiges erledigen.
Sie weiß, dass ich Berührungen nicht mag. Es gibt Tage, da kann ich es besser ertragen und Tage wie zurzeit, wo es für mich sehr schwer ist. Gerade das, denke ich, ist schwer für manche zu verstehen. Warum ging es gestern und heute nicht. Nicht immer kann ich eine Erklärung dafür liefern. Aber momentan schon. Es ist diese Hitze, das Schwitzen, die Schmerzen, das Kitzeln und Kribbeln als wäre die Haut aufgeregt. Selbst Kleidung tut weh. Das Haar. Das Licht.
Blöd dabei ist, wenn selbst die Sonnenbrille, die mir eigentlich helfen soll, zur Qual wird. Die rutschte aufgrund des Schwitzens ständig die Nase herunter. Das macht mich wahnsinnig und da bleibt mir dann nichts anderes übrig, als sie wegzulassen. Solange ich das Haus nicht verlassen muss, geht das auch. Aber wehe wenn doch. Dann reichen teilweise 10 Minuten in der Sonne und das Licht tut sein übriges neben der taktilen Reizüberflutung.
Ich bin ein Mensch, der ungeheuer gerne Musik hört. Auch das geht seit Tagen nicht, weil es zu laut ist. Derzeit bin ich allein im Haus und ich bin teilweise froh ob der Stille, die hier herrscht. Aber jeder Gang nach draußen ist eine Qual. Will wohl überlegt sein, ob es unbedingt notwendig ist.
Genauso verhält es sich mit dem Kaffee trinken. Ich trinke normalerweise ausgesprochen gerne Kaffe. Momentan nur noch morgens oder sehr spät abends. Ansonsten ist es viel zu heiss um Kaffee zu trinken.

Momentan kann eine Kleinigkeit das sogenannte Fass zum überlaufen bringen (RW). Ich bin zurzeit alleine und muss zum Glück nicht darauf achten, wie es meine Kinder aufnehmen, wenn ihre Sicherheit auch wegbricht. Auch wenn sie das Gefühl an sich kennen und sicher auch nachvollziehen können.

Heute ist es zum Glück ein wenig abgekühlt. Ich habe nächste Woche einiges da draußen zu erledigen und ich hoffe das bleibt so. Gerade wenn ich da raus MUSS könnte ich eine erneute Hitzewelle nicht brauchen. Ich bin dann schon mit den übrigen Reizen genug beschäftigt.

Dir, liebe Sabine, wünsche ich ein paar erträgliche Tage und ein wenig Erholung.

Overload, Melt- und Shutdown

11 Donnerstag Apr 2013

Posted by maedel in mein Autismus

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Schlagwörter

AS, Asperger Autismus, Asperger Syndrom, Autismus, Autismus-Spektrum-Störung, Hochfunktionaler Autist, Meltdown, Overload, Shutdown

Nach meinem letzten Artikel möchte ich mich dem Thema Overload, Melt- und Shutdown widmen. Nach ersten Recherchen bin ich tatsächlich überrascht, dass es im deutschen Sprachraum so wenig Geschriebenes gibt und selbst Autisten sehr wohl diese offensichtlichen Grundbegleiter kennen, aber sie begrifflich nicht genau zuordnen können.
Ich möchte es daher mal versuchen.

Es ist manchmal schwer auszumachen, wo genau die Grenze verläuft. In den einem Moment scheint noch alles OK.
Die äußeren Reize sind wie ein Rinnsal, ein leichtes dahinplätschern, das zwar wahrgenommen, aber nicht als störend empfunden werden. Dann merkt man, wie alles auf einmal lauter, greller, schriller wird. Das Rinnsal entwickelt sich zu einem Bach, schwillt an zu einem reißenden Strom. Ist da ein Rückzug nicht möglich, dann überlaste ich und da beginnt für mich der Overload.
Dann geht es auf einmal sehr schnell und der reißende Strom wird zu einem Wasserfall, das Hintergrundrauschen zu einem tosenden Sturm.
Dann ist das Kinderlachen nicht mehr so toll, der Kühlschrank geht einem auf die Nerven und das Auto hat sich zum Flugzeug gemausert.
Auch das Kuscheln ist auf einmal unangenehm. Die Berührungen, die vorher nur leicht unangenehm waren, nicht mehr zu ertragen.

Dieser Moment, wenn die ganze Flut auf mich einstürzt, ist für mich deutlich zu spüren. Wenn bei mir die Filter fallen. Wenn der Overload beginnt.

Der Overload (overload=Überlastung)

Der Overload ist im Kern eine „sensorische“ Überbelastung und würde ich so auch begrifflich einschränken. Overload selber äußern sich weder „aggressiv“ noch in einer völligen „Abschaltung“. Overload treten für mich an dem Punkt auf, wenn die äußeren Reize mich überfluten und ungefiltert auf mich einströmen und mich dann überlasten.
Das Maximale, was ich an diesem Punkt nach außen äußere, ist eine gewisse Gereiztheit, manchmal auch Abwesenheit und ein starker Wunsch die Reize zu mindern. Am besten geht das bei mir, indem ich einen ruhigen und abgedunkelten Ort aufsuche, in dem auch die Gefahr der Berührung minimiert ist. Den meisten geläufig als sogenannter Rückzug.

Manchmal brauche ich es dann ganz ruhig, manchmal sind in diese Phase durchaus Geräusche erlaubt. Aber es müssen vorhersehbare Geräusche sein. Für mich meine Musik. Ich persönliche höre sehr strukturierte Musik. Mit unruhiger Musik kann ich in solchen Momenten gar nichts anfangen. Meist ist es dann immer derselbe Song, den ich immer und immer wieder laufen lasse. Durch Selbststimmulierung, auch sogenanntes stimming, lässt sich ein Overload ein Stück weit hinauszögern oder auch regulieren. Mir persönlich hilft Schaukeln und oder schnalzen (wenn ich alleine bin) oder etwas unauffälliger ein Wippen meines rechten Beines (eine Art seitwärts schaukeln). Manchmal sitze ich sozusagen auf meinen Händen, beiße von innen auf die Lippen oder reibe meinen Handrücken. Meist versuche ich mich schon vor einem Overload zurückzuziehen. Aber es gibt manchmal Situationen, wo das nicht geht.

Ist in dieser Phase ein Rückzug nicht möglich und helfen auch die anderen Maßnahmen nicht mehr, dann beginne ich langsam damit zu fokussieren. Ich halte mich mit aller Kraft am Funktionieren. Konzentriere mich ganz auf das, was ich gerade mache. Man kann es am ehesten mit einem Tunnelblick vergleichen. Spätestens an dieser Stelle ist dringend ein Rückzug angeraten sonst reißt mich der Wasserfall wie ein Strudel in die Tiefe. Danach gibt es kein Entrinnen mehr, es folgt unweigerlich der Shutdown.

Während des Diagnosegesprächs für meinen Sohn konnte ich das gut bei mir beobachten. Ich konzentrierte meinen Blick immer mehr auf die Ärztin, nahm irgendwann ihre Gestalt nur noch schemenhaft war, konzentrierte mich dann auf ihre Stimme und die Fragen die sie mir stellte. Im Grunde verabschiedete sich bei mir ein Sinn nach dem anderen. Das letzte was ich noch wahrnahm war das hören, wobei ich da den Sinn des Gehörten schon gar nicht mehr begreifen konnte. Meine Gedanken kreisten ständig darum, wie ich möglichst schnell aus dieser Situation komme und dieser Gedanke wurde immer lauter und immer dringlicher.
Der Nachteil am hinauszögern oder auch am Funktionieren halten ist, dass es die Auswirkungen eines Shutdown erheblich verstärken können.

Der Shutdown (shutdown=Abschaltung, der totale Rückzug in sich selbst)

Er ist bei mir oft eine Folge aus einem Overload, wenn der Rückzug nicht möglich ist oder wenn ich mich am funktionieren halten muss, weil z.B. das Gespräch wichtig ist oder weil ich erst noch nach Hause kommen möchte.
Aber nicht immer ist ein Overload ein Auslöser, auch wenn ein Shutdown immer von einem Overload begleitet wird.
Manchmal ist auch Stress der Auslöser und je nach Tagesform kann dies dann dazu führen, das etliche Stufen übersprungen werden. Dann reicht unter Umständen eine Planänderung, ein zusätzlicher Stressfaktor um das ganze wesentlich zu beschleunigen.

Ein Shutdown ist ein völliger Rückzug. Ein „Abschalten“. Ich bezeichne das oft als meinen inneren Raum. Das kann an Ort und Stelle sein. Man rollt sich dann einfach in eine Ecke oder an einen Wegesrand und ist nicht mehr ansprechbar. Im Idealfall flüchte ich mich an einen sicheren Ort. Dort muss es dunkel und still sein. Das kann mein Raum oder das Bett sein. Ich nehme dann äußere Reize nur noch gedämpft und wie durch einen Schleier wahr. Es kommt mir jede Bewegung bleiern vor und unheimlich langsam. Wie in Zeitlupe. Meine Reaktionszeit verlängert sich sehr stark und in dieser Phase neige ich stark zum Mutismus. Wenn ich doch versuche zu reden, dann lalle ich sehr schwer und mehr als einzelne Worte bekomme ich kaum über die Lippen.
Ein Shutdown dauert bei mir in der Regel etwa 30-60 min. Dann tauche ich langsam wieder auf.
Man kann dann aber nicht sagen, ich wäre danach wieder völlig hergestellt. Reden fällt mir dann nach wie vor schwer. Ich bekomme dann meist sehr starke Kopfschmerzen und meine Sinne sind auf das Äußerste gespannt. Dieser Zustand kann sich dann noch 2-3 Stunden hinziehen. Aber ich nehme meine Umgebung wieder wahr und reagiere auch wieder. Am besten funktioniert bei mir in der Phase das schreiben. Ich beginne da meist schon zu analysieren. Die darauf folgenden 2 Tage, ich benenne diese Zeit immer als Nachwehen, bin ich insgesamt sehr empfindlich mit meinen Sinnen und meist sehr stark mit mir selbst beschäftigt.

Der Shutdown ist eine Variante der Reaktion, die bei mir häufiger vorkommt als der Meltdown.

Der Meltdown (meltdown=Kernschmelze, der Wutausbruch)

Der Meltdown ist eigentlich irgendwo zwischen dem Overload und dem Shutdown angesiedelt aber bei mir sehr selten. Wie bei dem Shutdown kann er durch einen Overload aber auch durch Stress ausgelöst werden. Ich erinnere mich tatsächlich nur an wenige Situationen, in denen es bei mir zu derartigen Ausrastern kam. Ich verhalte mich dann wie eine Furie und schreie hysterisch. Das schlimme ist, ich merke es sogar, das ich mich völlig daneben benehme, aber ich habe in dem Moment keinerlei Kontrolle darüber. Ich greife nie jemanden an. Meist verhalte ich mich dann eher Autoaggressiv. Verletze mich selber um mich zu spüren. Es ist ähnlich wie bei einer taktilen Wahrnehmungsstörung, wenn ein starker Gegendruck der leichten Berührung entgegenwirken kann und so den Schmerz mindert. So kann das selbst verletzen manchmal helfen den Schmerz der Reizüberlastung zu mindern oder den Stress zu reduzieren. Es ist dennoch etwas, das für mich nicht erstrebenswert ist und so versuche ich meist den Impuls zu unterdrücken oder zumindest umzulenken. Manchmal weiß ich mir dann nicht anders zu helfen, als das ich Gegenstände wissentlich kaputt schlage. Wenn ich Glück hatte, waren es nicht all zu teure Gegenstände. Ich erinnere mich an einen Fall, an dem ich einen Schuh derart nach hinten pfefferte, das die Glasscheibe der Tür zerbrach (und es war recht dickes Strukturglas).

Ungemütlich wird es dann, wenn man mich an einem Rückzug hindert oder die Situation missversteht und versucht mich festzuhalten. Entgegen der Situation, wo ich mich versuche am Funktionieren zu halten, wo ich ja selber der Auslöser bin, hindert mich nun jemand eine Situation zu beenden, die für mich unerträglich und schmerzhaft ist. Dann kann es passieren, das ich um mich schlage, wegstoße oder aus Versehen Dinge kaputt trete. Im Grunde will ich eigentlich nur weg, und solange man mich daran nicht hindert, werde ich niemals handgreiflich. Erschreckend beim Meltdown ist, wie schnell das manchmal kommen kann und wie schnell er genauso auch wieder vorbei sein kann. Bei mir folgt in der Regel dem Meltdown immer ein Shutdown mit all seinen Begleiterscheinungen.

Insgesamt ist das ein Versuch bei mir die Abstufungen darzustellen. Im Grunde sind die Übergänge fließend und nicht immer in genau der Reihenfolge. Oft überspringe ich auch mal die ein oder andere, in extremen Fällen auch mehrere Stufen.
Ich persönlich versuche meist durch Stereotypien, stimming und anderen Hilfsmitteln, es gar nicht erst so weit kommen zu lassen. Kann ich es nicht aufhalten, dann rette ich mich irgendwie über den Tag, bis zumindest die Kinder im Bett sind. Lasse alles fallen, was unwichtig ist, und fokussiere auf meine Kinder. Das ist zwar sehr anstrengend, aber machbar.
Ich achte immer darauf, dass nicht all zu viele Termine aufeinanderfolgen. Bei wichtigen Gesprächsterminen handhabe ich es meist so, das jemand hier ist und mir mit den Kindern hilft. Dann kann ich mich um mich kümmern. Ich vermeide Situationen, die mich überlasten könnten und plane immer genügend Ruhephasen ein.
Meine Kinder wissen recht gut mit mir umzugehen und wissen, dass Mama ab und an Ruhe braucht.
Es ging mir hier in dem Bericht vor allem auch um die Begrifflichkeit. Dass eben der Overload eine Überreizung ist, der Meltdown ein Wutausbruch und der Shutdown das Abschalten. Bisher gibt es im deutschen Sprachraum kaum eine genaue Abgrenzung der Begrifflichkeit. Ich weiß nicht, ob mir das hier gelungen ist. Aber, ich hoffe doch.

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english version

"Autismus ist nichts Erstrebenswertes, nicht heilbar und es ist ein Leben, das mich jeden Tag aufs neue fordert, in einer Gesellschaft zu bestehen, die nicht autistengerecht ist. Es ist mein Leben und nicht nur eine Diagnose." (Zitat Mädel)
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