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~ Ich bin Asperger Autistin und hier sollen meine Gedanken Platz finden.

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Kategorien-Archiv: Meine Gedanken über Autismus

Es reicht … ich fordere eine echte Kontrollinstanz für Jugendämter

04 Sonntag Nov 2018

Posted by maedel in Gastautoren, Meine Gedanken über Autismus, Projekte/Veranstaltungen

≈ 27 Kommentare

Schlagwörter

Autismus, Gericht, Jugendamt

Mittlerweile ist viel Zeit vergangen. Wir waren fast eineinhalb Jahre vor Gericht, wegen etwas, dass eigentlich selbstverständlich sein sollte. Darüber möchte ich heute berichten. Denn die Schonfrist ist vorbei. Mein Stillschweigen nicht mehr notwendig, um der anderen Seite nicht noch mehr Informationen zuzuspielen, als gut für uns wäre.
Wir haben verloren, vielmehr mein Sohn, weil …

… Es gibt keine Kontrollinstanz inhaltlicher Form für die Entscheidung des Jugendamtes …

Etwas, dass wir schmerzlich nach so langer Zeit erfahren mussten. Auch das Landesjugendamt hat nur eine beratende Funktion, kann aber einen Entscheid nicht aufheben. Kann das rechtens sein?
Ja, man kann klagen. Vor dem Verwaltungsgericht. Aber dort wird nur der Verwaltungsakt an sich geprüft. Eineinhalb Jahre lang, haben wir Bericht um Bericht geschrieben. Ärzte konsultiert, Berichte eingefordert und alles um uns herum kirre gemacht. Und dann war alles umsonst. Gegen Amtsaussagen und Amtswillkür kann nicht geklagt werden. Es wäre völlig egal gewesen, was drin steht. Hauptsache die Berichte liegen vor und damit ist der Verwaltungsakt vollzogen.
Bei uns wurde beispielsweise eine Überraschungshospitation mit drei Mitarbeitern des Jugendamtes, zunächst sogar ohne unser Wissen, anberaumt. Sie suchten auch kein Gespräch mit den Lehrern oder der Schulbegleiterin und verdrehten Aussagen meines Sohnes.
Ingesamt haben wir im Grunde selbst für unsere Niederlage gesorgt, da wir so hinterher waren, dass alle Berichte vorliegen. Das ist vielleicht das bitterste an der Situation und der Leidtragende an der Geschichte ist mein Sohn. Ein 12 jähriger Autist.

Ich erzähl euch von ihm. Damit ihr erahnen könnt, was er zu leisten vermag. Wie großartig er ist. Er war nonverbal bis er sieben war. Dann lernte er endlich lesen und mit dem lesen brachte er sich selbst das sprechen bei. Noch während der dritten Klasse wechselte er in eine Regelschule und er arbeitete sich dort ohne jegliche Hilfe in ein Gymnasium hoch. Nicht, dass er keine gebraucht hätte. Die Hilfe wurde ihm verwehrt. Von der Schule und das Jugendamt schüttelte sich von aller Schuld frei. Die Schule war das Problem.
Im Gymnasium dann sollte alles anders werden. Nur diesmal stellte sich das Jugendamt quer. Betitelte mich als Mutter, die alles nur schwarz malt und mich entgegen der Verselbständigung meiner Kinder stellen würde. Die Autismusbauftragte beschimpft Autisten als vertätschelt und übervorteilt.
Ich dachte damals ich höre nicht recht.

Wir zogen vor Gericht.

Inzwischen hat er zwar vormittags eine Begleitung, aber nicht für die Hausaufgabenbetreuung, die gerade in den ersten Jahren des Gymnasiums wichtig ist. Obwohl Schule, Nachmittagsbetreuung und Psychiater einstimmig eine vollumfängliche Begleitung fordern, bleibt das Jugendamt bei einer Teilbegleitung mit der Option, die Stunden bei Bedarf zu schieben. Dabei muss man festhalten, dass das Jugendamt den Bedarf sowohl für den Vormittag als auch den Nachttag bestätigt hatte.
Das Gericht selbst enthält sich jeder inhaltlichen Bewertung. Lediglich wurde inhaltlich ein Einwand dazu geschrieben, dass Hausaugaben nicht als Wissenserwerb dienen und daher nicht begleitet werden müssten.
In einem Gymnasium, wo Kindern bereits in der 5ten Klasse eingebleut wird, dass sie sich die Themen in den Hausaufgaben selbst erarbeiten müssen.
Solange der Verwaltungsakt eingehalten wird, hat das Jugendamt keinerlei Kontrollinstanz. Auch nicht durch das Gericht. Niemand der ihnen auf die Finger schaut. Das betrifft nicht nur den Bereich der Integrationshilfe. Nein, bei weitem nicht. Es geht um jedwede Entscheidung, die ein Sachbearbeiter fällt. Egal welches Amt. Das heisst im Umkehrschluss, dass jeder der Willkür des Amtes ausgesetzt ist.
Ich habe von der Petition gelesen, aber was die da verlangen ist zwar richtig und wichtig. Ein erster Schritt, aber er reicht mir nicht. Ich will mehr.

Ich will ein Amt oder ein Gericht, dass eine tatsächliche Kontrolle darstellt. Auch inhaltlich.

Wusstet ihr zum Beispiel, dass man euch jederzeit ein Kind wegnehmen kann, rein auf einen Verdacht hin. Wusstet ihr, dass die einzige Chance, dieses Kind wieder zu bekommen in einem Verfahrensfehler liegt, der ganz zu Anfang begangen wird? Denn wenn sie das Kind holen, ist der Beschluss noch nicht da. Nur gegen diesen Fehler kann man klagen und das Zeitfenster dazu ist verdammt klein. Danach ist man völlig der Willkür des Sachbearbeiters ausgeliefert.
Kann das rechtens sein?
Ganz gut ist die Willkür mancher Beurteilung von Sachbearbeitern auch hier zu sehen.

Wusstet ihr, dass ein Jugendamt gerne mit Inobhutnahme droht, nur um Kosten zu sparen? Die Sachbearbeiter wissen sehr wohl, dass Eltern dann sofort einknicken. Ich erzähl euch mal was. Das einzige, wo das Jugendamt tatsächlich kein Mitspracherecht hat, ist in der Wahl der Schulform. Das wiederum darf nur das Schulamt und das entscheidet in Zusammenarbeit mit den Schulen und den Eltern. Es ist nicht rechtens, dass ein Jugendamt verlangt, dass ein Kind in eine Förderschule soll, damit man sich den Integrationshelfer spart und erst recht nicht, mit einer Inobhutnahme zu drohen. Das haben sie bei mir nur einmal versucht und ich hatte damals das riesen Glück eine sehr engagierte Lehrerin an der Seite meines Kindes zu haben, die ihm zur Seite stand. Aber all die anderen. Wer sagt ihnen sowas? Wer kontrolliert das? Ist das rechtens?

Wusstet ihr, dass eine Gemeinde entscheiden kann, ob ein Ordnungsamt auf Widersprüche reagieren muss? Wenn nicht, könnt ihr auf und nieder springen und bekommt dennoch nicht recht. So passiert bei einem Bekannten, dessen Uhr falsch ging und daher einen Strafzettel erhielt, weil er die Parkuhr falsch eingestellt hatte. Wer kontrolliert sowas? Ist das rechtens?

Warum muss ein Bericht eines Trägers (in Persona des Schulbegleiters) mit Absprache über das Jugendamt gehen. Vielmehr wurde der Träger sogar ermahnt, Berichte nur nach Rücksprache mit dem Jugendamt herauszugeben. Sind solche Vorgehensweisen überhaupt rechtens und noch viel wichtiger, wer prüft sowas denn?
Warum dürfen Eltern nicht einen direkten Bericht einfordern. Hier kann es doch nur um inhaltliche Kontrolle gehen. Eine andere Erklärung für ein solches Verfahren fällt mir nicht ein.
Warum sehen wir nie die Berichte der Schule? Diese dürfen laut Schule nur noch über das Jugendamt eingesehen werden.
Ist das rechtens? Wer kontrolliert sowas?

Das Jugendamt zum Beispiel behauptet, durch die Splittung der Bereiche Verwaltung, Sachbearbeiter und Recht eigene Kontrollinstanzen aufgebaut zu haben.
Aber die Verwaltung sitzt auf den Geldern und handelt damit nicht uneigenützig. Das Recht beurteilt nur die Klagefähigkeit. Das heisst, sie prüft wie der Richter nur, ob der Verwaltungsakt eingehalten wurde und der Sachbearbeiter? Tja, könnt ihr euch vielleicht denken.

Es reicht. Ich fordere Gerechtigkeit und ich fordere eine echte Kontrollinstanz für alle Ämter.
Ich bin nur eine von vielen und ich weiß, dass es dazu unzählige Fallbeispiele gibt. Ich starte hier einen Aufruf. Ich bin Mitglied des Projektes Autismusstrategie in Bayern und will versuchen den Punkt einer Kontrollinstanz für das Jugendamt einzubringen. Ob das was bringt, weiss ich nicht. Aber versuchen würde ich es. Und ich brauche eure Hilfe.
Schreibt mir eure Fälle und eure Erfahrungen hier in den Kommentaren. Falls vorhanden, schickt mir gerne auch per mail ein Aktenzeichen bei abgeschlossenen Fällen und ich brauche auch bundesweite Fälle. Bedenkt, dass ich es politisch über das Projekt einbringen möchte. Das geht erstmal leider nur um das Thema Autismus. Allerdings sind hier nicht nur die Fälle mit Kindern relevant oder welches Amt es betrifft.

Vielleicht können wir daraus was machen …
Beatrix Schweigert

Das Schweigen ist vorbei – Nachteilsausgleich aus der Sicht einer erwachsenen Autistin

03 Montag Apr 2017

Posted by maedel in Meine Gedanken über Autismus

≈ 5 Kommentare

Schlagwörter

Asperger Syndrom, ASS, Autismus, Autismus-Spektrum, Autist, Heute schweigen wir!, HFA, Nachteilsausgleich, Verselbständigung, Weltautismustag

Gestern haben wir geschwiegen, weil der Autismustag schon lange nicht mehr unser Tag ist und missbraucht wird von den großen Organisationen und nicht-autistischen Menschen, um sich zu profilieren.
Es sollte ein stiller Protest sein, indem wir klar fordern:
„Mit uns, nicht ohne uns!“.

Viele haben uns kritisiert, noch mehr beigepflichtet zu dieser Aktion, aber ist euch etwas aufgefallen?
Es hat doch geklappt.
Wir hatten eure Aufmerksamkeit.

Den ganzen Tag gestern ging es darum:
Warum schweigen. Was ist das mit den Organisationen, was stört uns daran. Warum wollen wir den Autismustag nicht feiern und weiß jemand was genaues?
Mehr als mit jedem anderen Aufklärungsartikel haben wir das Thema „Mit uns, nicht ohne uns“ polarisiert.

Allerdings habe ich natürlich dennoch etwas zu diesem Thema zu sagen.

Denn im Grunde ging es darum aufzuzeigen, dass es wichtig ist auf erwachsene Autisten zu hören. „Autismus keep calm and cary on“  hat dazu heute auch veröffentlicht und hier ist meiner zum Thema, denn die Zeit des Schweigens ist vorbei.

 

Nachteilsausgleich aus der Sicht einer erwachsenen Autistin

Ich wurde 2012 diagnostiziert. Bis dahin erhielt ich keinerlei Unterstützung im rechtlichen Rahmen. Tatsächlich ging es sogar so weit, dass ich zwar mit den Jahren das ein oder andere benennen konnte, was ich nicht kann, immerhin wurde mir das oft genug gesagt, aber nicht warum es so ist. Das Unvermögen, zu benennen, wo ich Hilfe brauchte, brachte zusätzliche Schwierigkeiten mit sich und ich behaupte heute, dass ich mit der richtigen Unterstützung in meiner Kindheit heute wesentlich selbständiger wäre, als ich es jetzt bin.

Jugendämter und Schulen stellen gerne eine Verselbständigung in den Vordergrund und gewähren Hilfen nur im Hinblick darauf, dass diese dazu führen müssen und Kinder irgendwann ohne diese auskommen. Lässt man als Elternteil solche Dinge nicht zu, wird einem schnell vorgeworfen, das Wohl des eigenen Kindes nicht im Blick zu haben und der Selbständigkeit seines Kindes im Wege zu stehen. Schnell steht das Wort Helikoptermutter oder -vater im Raum.
Aber ist das wirklich so?

Was heisst Verselbständigung denn wirklich?

Bei weitem nicht, dass man vollkommen selbstständig durchs Leben gehen kann. Mal ehrlich, wer kann das schon so ganz ohne Hilfe. Nur verhält es sich bei mir so, dass ich keinen Freundeskreis habe. Zumindest niemanden in der Nähe, sodass ich in den meisten Situationen auf mich allein gestellt wäre und ich habe, wie viele Autisten, Schwierigkeiten damit, mir Freundschaften aufzubauen oder sie zu halten. Dazu kommt auch hier die Intensität, wie bei vielen Dingen. Ich brauche wesentlich öfter Unterstützung und das bei alltäglichen Dingen.

Verselbständigung heisst, selbstbestimmt leben zu können, auch, wenn man dafür Hilfen in Anspruch nehmen muss. Denn diese Hilfen sollen einem ja nichts abnehmen. Sie sollen lediglich das ausgleichen, wozu man behinderungsbedingt (noch) nicht in der Lage ist. Er gleicht einen behinderungsbedingten Nachteil aus. Solch ein Nachteilsausgleich übervorteilt nicht, wenn er richtig angelegt ist und er verhindert keine Selbständigkeit. Tatsächlich stärkt er das Selbstwertgefühl und gibt einem die Zuversicht und Kraft, auch mal neue Dinge auszuprobieren oder andere Wege zu beschreiten.
Diese Unterstützung führt auch nicht in eine Abhängigkeit, da die meisten Autisten immer darnach bestrebt sind, es möglichst allein zu schaffen. Da unterscheiden sie sich kaum von nichtautistischen Menschen. Oder wie erklärt es sich, dass Kinder irgendwann allein ihre Anziehsachen rauslegen wollen, sich selbst waschen, allein zur Schule gehen, etc. Warum lernen Kinder? Denn könnte man ihnen da nicht auch ein Abhängigkeitsverhältnis zu ihren Eltern unterstellen, wenn wir bei dieser Argumentation bleiben? Viele Autisten machen diese Schritte in der Entwicklung auch, nur manchmal viel später.

Ich kann es nicht – oder doch?

„Sie hat ein Problem mit der Kommunikation“ sagte mal jemand über mich und damit trifft es meine Schwierigkeit ziemlich genau. Das heißt nicht, dass ich nicht kommunizieren kann. Tatsächlich ist mein Wortschatz vielen anderen überlegen und ich habe ein gewisses Talent mich auszudrücken. Ich besitze auch ein gewisses Auftreten, dass mich authentisch und selbstbewusst wirken lässt. Und doch. Ich weiß nicht was es ist. Eine gewisse Unsicherheit, die immer mitschwingt, weil ich weiß, dass es so oft schief gegangen ist. Das ich Dinge falsch aufgefasst oder wiedergegeben haben muss. Das ich anders verstehe und mich anders ausdrücke. In manchen Bereichen zeigt sich das Problem mehr, in anderen weniger.
Diese vielen Misserfolge führten mit den Jahren dazu, dass ich zusätzlich zum Autismus eine Angststörung entwickelt habe. Anders als bei Amtsgesprächen, wo ich selten allein hin musste, hatte ich nie jemanden an der Seite, wenn es um das Telefonieren ging. Niemanden, der mich da hindurch begleitet hätte, damit ich Schritt für Schritt lernen konnte, mit solchen Situationen umzugehen.
So ging es mit vielen Dingen. Dinge, die für andere ganz alltäglich sind und so von Nichtfachkräften oftmals nicht verstanden werden. Die meiste Zeit wurde es mir nur abgenommen weil „du das eh nicht kannst“. Es war keine Anleitung, es war ein Wegnehmen. Wie soll ich es so denn auch können? Wenn man ohne wirkliche Hilfe immer wieder in solche Situationen gestoßen wird. Oder ich nahm es erst gar nicht in Angriff. Traute es mir selbst nicht zu aus Angst wieder irgendetwas falsch zu machen. Vor allem dann, wenn es meine Kinder betraf.

Bevor ich eine Angststörung entwickelte, hatte ich noch den eigenen starken Willen, Probleme, die mit meinem Autismus verbunden sind, immer wieder selbst zu lösen. Es schaffen zu wollen aus eigener Kraft. Hätte ich damals eine Hilfe gehabt, dann würde ich vielleicht immer noch daran arbeiten können. Wäre heute vielleicht an manchen Stellen selbstständiger, auch wenn ich dazu Hilfe benötige.
Es kann sein, dass an manchen Stellen eine lebenslange Hilfe von Nöten ist. Das muss nicht immer in Form einer Begleitung sein, kann es aber. Das ist sehr abhängig von der Art der Hilfe und Situation. Es kann auch sein, dass irgendwann eine Nische gefunden wird, in der die eigene Behinderung gar nicht soviel Gewicht hat oder sogar als Stärke gewertet wird. So werden z.B. immer mehr Sehbehinderte in der Diagnostik beim Ertasten von Tumoren eingesetzt, da Blinde bekannter Maßen einen wesentlich besseren Tastsinn besitzen als Sehende. Genauso ist es möglich, dass man später einfach andere Prioritäten setzt, insofern man sich in einer Lage befindet sich diese Freiheit auch nehmen zu können.
Aber um überhaupt dahin zu kommen, solche Nischen für sich zu entdecken, muss derjenige erstmal durch alle wichtigen Instanzen. Das bedeutet die richtige Schul- und Ausbildung ohne die man gar nicht erst eine Chance hätte, sein Potential vollständig auszuschöpfen.

Autistisch seit Geburt

Es passiert mir oft in Diskussionen mit anderen Eltern, die mich um Rat fragen. Irgendwie erwarten sie von mir ein ganz anderes Verhalten als sie es von ihren Kindern kennen. Erwarten, da ich erwachsen bin, dass ich weniger autistisch bin und besser kommunizieren kann. Weniger klar wie ihre Sprösslinge. Sie vergessen, oder wollen es vielleicht auch nicht wahr haben, dass Kinder nicht aufhören, autistisch zu sein, sobald sie 18 werden. Erwachsene waren nicht weniger autistisch, als sie noch Kinder waren.

Wenn man mir ins Gesicht sagt, dass autistische Kinder besser dran wären ohne Nachteilsausgleich kann ich nur eins dazu sagen: Ich hatte keinen und ich bin dadurch nicht selbstständiger geworden. Im Gegenteil.

Ich persönlich habe den Großteil meines Lebens nur auf die Hilfe von Menschen zurückgreifen können, denen irgendwas an mir lag. Sei es mein damaliger Ehemann, Freunde, Mitbewohner, Familienangehörige und ja, selbst meine Kinder. Denn auch wenn sie Autisten sind, können sie manchmal Dinge, die ich nicht so gut kann und so unterstützen wir uns gegenseitig. Denn keiner ist gleich und nur weil ich immense Schwierigkeiten damit habe Fremde anzusprechen, macht dies meinem Großen gar nichts aus und so schicke ich ihn immer vor, wenn es darum geht, jemanden etwas zu fragen.
Das Problem dabei ist jedoch: Gerade Freunde und Familie können vieles nicht wirklich verstehen oder haben ihr eigenes Leben und so passierte es mehr als einmal in meinem Leben, dass ich Beziehungen überstrapaziert hatte. Das ich zur Belastung wurde und das Gefühl werde ich nie los und selbst wenn ich jetzt jemanden habe, der mich tatsächlich versteht und gern hilft, werde ich das Gefühl, eine Belastung zu sein, einfach nicht los.
Ich hatte vor etwa 3 Jahren eine ambulante Betreuung und in der Zeit habe ich mich selbständiger gefühlt als je zuvor. Plötzlich habe ich allein Dinge hinbekommen (auch wenn immer jemand unterstützend bei mir war). Ich war stolz darauf, konnte selbst bestimmen was wann gemacht wurde. Musste nicht darum bitten. Entgegen dem, wie ich hier wirken mag, brauche ich immer noch in sehr vielen Bereichen Unterstützung, weil ich nicht aufhöre Autist zu sein, nur weil ich erwachsen geworden bin und ich weiß, wie es ist ohne jegliche Hilfen die Kindheit zu überstehen oder als erwachsene Autistin heute im Alltag überfordert zu sein.
Das einzige, was ich dadurch gelernt habe, ist, dass ich es nicht kann und ich habe Jahre gebraucht und arbeite noch heute daran, mir klar zu machen, dass ich kein Versager bin.

Ich kenne das Gefühl, wie es mit der richtigen Unterstützung sein kann und dass es sich tatsächlich anders anfühlt, als wenn man andere stets um etwas bitten muss.

Ich will ein selbstbestimmtes Leben führen. Will nicht auf andere angewiesen sein und wenn ich persönlich dazu eine Integrationshilfe als meinen „Rollstuhl“ betrachten muss, dann kann ich besser damit leben und trotz allem einen gewissen Stolz auf mich entwickeln. Viel besser, als Jahr um Jahr Vorwürfe darüber anhören zu müssen, was ich alles nicht kann.

Vielleicht hat mich deswegen die Aussage so getroffen, dass ich mich gegen eine Verselbständigung meines Kindes stellen würde und das Autisten ohne Nachteilsausgleiche besser dran wären.
Ich habe immer schon sehr darauf geachtet, meine Kinder zu einem selbstbestimmten und nicht nur selbstständiges Leben zu erziehen. Das heißt mit keiner einzigen Silbe, dass ich sie nicht dazu erziehe selbstständig zu sein. Das wirft man mir oft vor, aber wer meine Kinder von Anfang an kennt, weiß welche Fortschritte sie gemacht haben. Therapeuten, die uns Jahre begleitet hatten, nebst Psychiatern waren immer davon begeistert, wie ich an Dinge herangehe.
So habe ich immer darauf geachtet, dass sie es möglichst selber können. Sie auch stets gefordert und nur eingegriffen, wenn es notwendig ist. Ich weiß, was meine Kinder verkraften und leisten können, vielleicht gerade deswegen, weil ich selbst autistisch bin.
Ich weiß, dass ich vieles kann, wenn ich nur die Sicherheit hinter mir weiß und das ist bei meinen Kindern nicht viel anders.

Meine Kinder sollen eines Tages zurückblicken können auf ein erfülltes Leben voller Lernen und Erstaunen und nicht auf einen täglichen Kampf.

Denn auch diese Kinder werden irgendwann Erwachsene und auch dann werden sie immer noch autistisch sein und dann werden sie, wenn man alles richtig gemacht hat, selbstbestimmt ihr Leben bestreiten können, soweit sie dazu in der Lage sind.
Bis dahin ist es die Aufgabe der Eltern und anderer erwachsener Autisten, dies begreiflich zu machen.
Dafür kämpfe ich, dafür stehe ich und daher gibt es auch meinen Blog. Um anderen verständlich zu machen, warum ich wie reagiere, was ich warum für richtig halte und was nicht.
Dabei ist es wichtig, nicht nur eine Meinung anzuhören, weil Autisten so verschieden sind wie alle Menschen und nur weil etwas bei mir funktioniert, heisst es noch lange nicht, dass es bei allen so sein muss. Aber ich kann Denkanstöße geben.
Selbst ich als autistische Mutter hole mir Rat bei anderen Autisten. Höre sie an, damit ich meinen Kindern eine möglichst breite Palette an Möglichkeiten bieten kann.

Der Weltautismustag steht inzwischen mehr für große Interessensvertretungen, die für uns reden und entscheiden wollen. Sie feiern den Tag als ihren und schließen uns aus, indem sie sagen, dass man nicht auf erwachsene Autisten hören sollte.
Sie sagen, das wir nicht für Autisten sprechen können.
Dieses für uns sprechen ist im Sinne der Selbstständigkeit nicht gut, Menschen mit Autismus besitzen enorm große Fachkenntnis, Einfühlungsvermögen etc. und sollten die ersten sein, die über Autismus sprechen.

Mit uns, nicht ohne uns!

ABA -Therapeuten und ihre Verantwortlichkeit

17 Samstag Dez 2016

Posted by maedel in Meine Gedanken über Autismus, offene Briefe

≈ 6 Kommentare

Schlagwörter

ABA, ABA-Therapeuten, AS, Asperger Autismus, Asperger Syndrom, ASS, Autismus, Autismus-Spektrum, Autismus-Spektrum-Störung, HFA, Hochfunktionaler Autist, Therapie

Wenn man mit ABA Therapeuten diskutiert, fallen im Grunde immer die gleichen Argumente. Eines davon ist, dass diese Therapie inzwischen weiterentwickelt wurde und schon lange nicht mehr auf Strafe basiert und wir uns doch nur mehr für die Möglichkeiten öffnen sollten, die diese Art der Hilfe für Autisten bietet.

Man sieht an ihren Gedankengängen jedoch auch deutlich, dass sie nur wenig von dem verstanden haben, worum es uns Autisten, und auch mir im speziellen, bei unserer Kritik an ABA und jeder anderen darauf aufbauenden Therapie wirklich geht.
Natürlich geht es auch darum, dass Elektroschocks und der Einsatz von Verstärkern und der stetige Entzug dessen, was Autisten wirklich gerne tun, alles andere als human ist. Genauso geht es darum, dass eine Therapie von 20-40 Stunden oder idealerweise der gesamten Wachphase des Kindes einen extremen Einschnitt in die Lebensqualität bedeutet.

Aber, und hier ist das, was die Therapeuten allesamt anscheinend überlesen „wollen“: Es geht uns schon um den Ansatz.

Es schließt deswegen auch jegliche Therapieform ein, die zur Basis hat, autistisches Verhalten abzutrainieren, um gesellschaftskonform zu werden.
Bislang habe ich noch keine angewandte Verhaltenstherapie kennengelernt, an der sich diese grundlegende Kritik nicht anführen lässt. Das macht weder bei AVT, PCB oder PECS halt.

Ja, das „richtige“ ABA, wie es gern genannt wird, geht mit Bestrafung einher und das „neue“ ABA wäre nicht mehr so. Das sagen sie alle immer wieder. Und doch gibt es die Bestrafung noch immer. Nur viel subtiler und als solche ohne genaue Kenntnisse kaum noch zu erkennen. Heute arbeitet man mit Entzug von Spielzeug, oder dass man Sachen, die man gern tut, erst machen darf, wenn man gewünschtes Verhalten gezeigt hat. Das „humanere“ ABA – in Deutschland auch AVT genannt -, arbeitet mit Ignoranz und Essensentzug und verbietet notfalls Stimming.
Ich verlange nicht, dass nichtautistische Menschen verstehen, wie wichtig für uns derlei Dinge sind, aber zumindest akzeptieren sollten sie es, und man sollte uns auch als Menschen respektieren.
ABA verstößt gegen Grundrechte, Menschenrechte und Behindertenrechte, und umso schlimmer wird es, wenn es an Kindern ausgeübt wird.

Was mich massiv stört, ist das Relativieren. Mich regt in dem Zuge auf, dass die Therapeuten jeden Missbrauchsvorwurf an die Eltern abwälzen. Sie wägen sich dann außerhalb der Verantwortung, denn es obliegt ja den Eltern, die Norm der Kinder festzulegen.
Mir wurde das auch von ABA-Vertretern gesagt. Das Programm wäre human und gut und es ist ja nicht ihre Schuld, wenn andere dies missbrauchen.

Doch, ist es!

Denn sie als Therapeuten haben auch eine Verpflichtung ihrem Patienten gegenüber, und nur weil die Eltern das wollen, ist es noch lange nicht richtig.
Vielmehr müssten manchmal eher die Eltern therapiert werden, damit sie ihr Kind so annehmen können, wie es ist.

Noch mehr nehme ich sie in die Pflicht, wenn sie Eltern explizit ausbilden, teilweise auch Co-Therapeuten, um eben diese hohe Therapiestundenzahl überhaupt aufrecht halten zu können. Das IFA Bremen, das ja von Aktion Mensch gefördert wird mit ihrem BET-Programm, macht genau dies. Sie suchen Co-Therapeuten, die in ein paar Stunden und Wochenendkursen lernen sollen, autistische Verhaltensweisen „richtig“ einzuschätzen und so Skills an die Hand bekommen, autistischen Kindern unerwünschtes Verhalten abzutrainieren/ zu löschen und gesellschaftskonformes anzutrainieren.
Nicht ohne Grund brauchen Spezialisten jahrelange Erfahrung, und selbst sie urteilen oft falsch, wenn sie nur die eigene Außensicht als das einzig Wahre ansehen.
Genausowenig ist es ratsam, Eltern mit falschen Vorstellungen von dem, was richtig ist, solche Skills an die Hand zu geben.
Halten Therapeuten das wirklich für verantwortungsvoll dem Kind gegenüber? Hört da wirklich ihre Verantwortlichkeit auf?

Es ist das eine, wenn ein erwachsener Autist etwas lernen möchte. Der kann auch Nein sagen oder Stop, wenn es zuviel oder nicht machbar ist. Aber ein Kind kann das nicht, und vor allem kann gerade ein autistisches Kind die sozialkonventionellen Normen noch gar nicht vollständig erfassen und begreifen und somit auch niemals von sich aus den Wunsch äußern, dass es (auf diese Weise) das lernen möchte. Es wird in dem Alter immer ein Aufzwingen und Antrainieren sein und jedes Schönreden und Relativieren ist an der Stelle völlig fehl am Platze.

Die Angst, die da bei den Eltern geschürt wird, sie würden so immer zurückgebliebene Kinder haben, die niemals eigenständig lernen können, wenn sie nicht frühzeitig mit der Therapie anfangen, ist eine der gröbsten Maschen, die ich je gehört habe. So auch damals bei dem Treffen mit Aktion Mensch und dem BET-Projekt:

Das war übrigens etwas, was mir bei der Veranstaltung schon sehr negativ auffiel.
Das stetige Springen in den unterschiedlichen Schweregraden. Eben dem Autisten, der gar nichts kann, nichtmal basalste Fertigkeiten, wie Anziehen, Essen, auf das Klo gehen etc. Dinge, die Eltern massiv Angst machen können, weil in dem Zuge ja auch nicht erwähnt wird, dass Autisten das sehr wohl mit der Zeit auch lernen können. Vielmehr implizieren sie so, dass diese ohne Behandlung ja immer die Windel tragenden Autisten bleiben werden, die Wände mit ihrem Kot beschmieren.
Bis eben zur Variante, dass Kinder die Eigenbestimmung lernen sollten, eigenständig und autonom zum Bäcker gehen zu können und das mit 6 Jahren. Eben eher die Hochfunktionale Variante.
Sprachen sie also von Erfolgen, dann ging es plötzlich weg von den schwersten, angstmachenden Zuständen der schwerstbehinderten Frühkindlichen hin zu den Hochfunktionalen, wo sie mit angewandter Verhaltenstherapie dann wohl einzustufen wären.
Weit dem voraus, was man als basale Fertigkeit verstehen würde.

 

Das ist eine eindrucksvolle Taktik, die da angewandt wird. Denn welche Mutter kann in dem Zuge nicht zustimmen, wenn sie nicht will, das ihr Kind einfach vors Auto läuft. Diese Phrasen sind Teil der Rhetorik eines ABA-Vertreters, der versucht, an den Mutterinstinkt zu appellieren, und ich kann dazu nur eines sagen:

Autismus bedeutet nicht Entwicklungsstillstand!

Autisten lernen aus dem Verstehen heraus. Meiner Erfahrung nach am besten über das logische Verstehen.
Es mag vielleicht länger dauern, aber auf diese Art kann man auch eher sicher stellen, dass Erlerntes zumindest bis zu einem gewissen Grad übertragbar in andere Situationen sein kann. Natürlich kann es auch dann zu Situationen kommen, an denen wir als Autisten alles abbrechen, da wir völlig überfordert sind, einfach weil es anders läuft als geplant.
Aber durch das Verstehen können wir uns wesentlich besser und facettenreicher auf solche Situationen vorbereiten.

Hier kommen ABA-Vertreter immer mit dem Argument, dass ich als hochfunktionale Autistin das gar nicht beurteilen kann. Doch, kann ich.

Nicht nur aus eigenem Verstehen heraus, sondern auch, weil ich zwei frühkindlich autistische Kinder habe und beide lernen langsamer, aber sie lernen und das ganz ohne Zwang und ABA. Immer mehr verstehen sie und passen sich mit ihrer ganz eigenen Art und ihrem eigenen Maß an, da sie irgendwann selbst diese Notwendigkeit begreifen.

An dieser Stelle kommt dann meistens, dass ich dann nur Glück gehabt hätte, und es ginge ja um Fälle, wo keine Kommunikation stattfindet und die Wände mit Kot beschmiert werden.
Sind sie (Therapeuten, Eltern, usw.) in dem Zuge wirklich ganz sicher, dass da keine ist, nur weil sie nicht sprechen können? Als meine Kinder noch nonverbal waren, haben sie sehr wohl kommuniziert, auf ihre ganz eigene Art und Weise. Man muss sie nur lesen lernen.

Die Extremfälle, die hier beschrieben werden, und das sehr bewusst, sind keine reinen Autisten. In der Regel liegen hier Mehrfachbehinderungen vor.
Autismus bedeutet in seiner Reinform aber nicht, dass eine Mehrfachbehinderung vorliegt – und wenn, ist es extrem davon abhängig, um welche es sich nun handelt.
Dies ist in dem Alter, wo ABA ansetzt, auch noch gar nicht genau festzulegen, und der Entwicklungsweg eines Autisten ist in dem Alter nicht vorgezeichnet. Auch wenn man das Eltern immer wieder einzureden versucht. Gerade Behörden und Schulen üben da enormen Druck aus, da es hier um viel Geld geht. So eine individuelle Förderung kostet, und diese Therapeuten versprechen hier eine gute Möglichkeit, um Autisten schnell gesellschaftlich funktionsfähig zu machen.

Tatsächlich ist es so, dass auch frühkindliche Autisten irgendwann irgendwie das kommunizieren anfangen, wenn sie den richtigen Zugang dazu gefunden haben.
So war bei meinen Kindern das Problem, dass sie rein visuell lernen. Irgendwann hatte ich es geschafft, ihr Interesse dafür zu wecken, und sie fingen das Lesen an und damit kam dann auch nach und nach die Sprache.

Es gibt bessere und humanere Wege, um autistischen Kindern zu helfen. Aber sie erfordern viel Zeit, Geduld und Respekt.
Mit Zwang geht vieles schneller, ja. Aber es ist im Grunde nichts anderes, als ein stupides Training wie bei Hunden, die auch nur ausführen, ohne wirklich zu verstehen.

Ich habe solch eine Erziehung „genossen“ und erst jetzt fange ich an, wirklich zu lernen. Nach meinem Tempo, meinen Wünschen und immer auf meinen Krafthaushalt achtend.
Viele Dinge habe ich nur ausgeführt, ohne sie zu verstehen, und umso mehr die sozialen Anforderungen stiegen, waren für mich diese erlernten Verhaltensweisen nicht übertragbar oder raubten zu viel Kraft, die ich für andere Dinge dringender benötige.
Das muss ich auch erstmal einschätzen lernen.

Das kann man von einem Kind nicht verlangen, und sobald man Außenstehende und auch Eltern entscheiden lässt und ihnen damit die Deutungshoheit überträgt, werden sie immer versuchen, das aus ihrer Sicht vermeintlich beste für ihr Kind zu tun, und dazu zählt, es gesellschaftskonform zu machen.
Ich mache manchen Eltern da keinen Vorwurf. Sie kennen ja nur diese Art zu leben.

Den Therapeuten jedoch schon, denn die sollten es besser wissen.

ABA-Vertreter verkaufen ihre Therapie als „Steigerung der Lebensqualität für das Kind und die ganze Familie“, indem sie den Autisten gesellschaftskonform machen, was wiederum nicht immer so deutlich kommuniziert wird, sondern eher als Freiheit, Selbstständigkeit oder Regelbeschulbarkeit benannt wird. Tatsächlich lassen sie dabei aber die Lebensqualität des Kindes völlig außer Acht.

Diese Freiheit und Selbstständigkeit, die autistische Kinder vermeintlich nur mit dieser Therapie erlangen können, ist sehr teuer erkauft.

Teurer, als man sich das als Nichtautist je vorstellen könnte.

Denken Sie mal über Ihre Verantwortlichkeit als Therapeut nach und fangen Sie an, den Autisten als vollwertigen Menschen zu sehen. Denn das sind wir auch.

Menschen.

 

Wichtige Links dazu:
FragtWarum Chronologie

Weiterführende Links:
Eine Rezension zum ABA-Ratgeber von Röttgers aus Elternsicht
Warum ich ABA verlassen habe -eine Übersetzung von fotobus
Therapieziele -von gedankenkarusell

 

Mittel, Schwer, Leicht – was Autismus nicht ist

09 Samstag Jul 2016

Posted by maedel in Meine Gedanken über Autismus

≈ 12 Kommentare

Schlagwörter

Asperger, Asperger Autismus, Asperger Syndrom, ASS, Autismus, Autismus-Spektrum-Störung, Autismusspektrum, HFA, Hochfunktionaler Autist, leichter Autismus, milder Autismus, schwerer Autismus

Diese Diskussion kommt immer wieder auf. Ich habe sie wirklich schon oft geführt. Leider reicht ad hoc die Zeit und der Platz nicht aus, um richtig zu erklären, warum ich den Ausdruck „leichten“ Autismus für falsch empfinde und warum ich sage „Autismus ist einfach nicht leicht oder mild, nicht schwer oder „Kanner“ und Asperger sind nicht perse die leichteren Autisten, insofern man den Ausdruck jetzt nicht wörtlich nimmt, sondern als Synonym für „nicht so ausgeprägt“.
Dieser Text soll für jene sein, die mich schon so oft falsch verstanden haben. Dann gibt es zwar noch die, die mich partout falsch verstehen wollen, aber denen kann ich es an der Stelle sowieso nicht recht machen. Sei es drum.

 

In erster Linie sind wir alle Autisten

Wir hätten die Diagnose nicht erhalten, wenn es nicht so wäre. Entgegen der weitläufigen Meinung, bekommt man die Diagnose nicht nur dann, wenn man besonders leidend ist, oder sollte man zumindest nicht.
Autismus ist in seiner Reinform weder geistig behindert, noch hochbegabt oder Intelligenzgesteuert. Autismus umfasst ein Spektrum verschiedener Symptome, die in gewisser Form zu gewissen Varianten vorhanden sein müssen, um die Diagnose zu erhalten. Bis dahin sind wir alle gleich.

Jetzt kommt das was es aber schwierig macht. Autismus an sich sagt rein gar nichts über das Empfinden aus oder über die Ausprägung. Diese sind höchst individuell und können von hypo bis hyper gehen und sind so verschieden wie Menschen eben verschieden sind. Zusätzlich ist vieles von mehreren anderen Dingen beeinflusst, wie das Umfeld in dem wir aufgewachsen sind, die Erfahrungen, die wir gemacht haben, das Umfeld indem wir uns aktuell befinden oder auch in Zukunft, oder auch schlagartigen Veränderungen, indem beispielweise das Umfeld plötzlich wegbricht. Die Ausprägungen sind auch entscheidend und wo sie genau wie liegen. All das macht es höchst individuell und so ist kein einziger Autist mit dem anderen vergleichbar.

Kanner sind auch Autisten und unterscheiden sich nach den alten Maßstäben eigentlich nur in 2 Dingen (diagnostisch !) von den Aspergern. Das betrifft den Sprachbeginn und die Motorik. Alles andere ist NUR Ausprägungssache und inzwischen hat man erkannt, dass diese sich eben nicht so leicht in ein Schema pressen lässt.
Aus diesem Grunde wurden in letzter Zeit immer häufiger die Diagnose Atypisch gestellt, weil man sich oft der genauen Zuordnung uneinig war. Der selbe Grund, warum irgendwann die Bezeichnung HFA entstand. Mehrfachbehinderte wurden dann einfach den Kannern zugeordnet.

Durch Zunahme des Wissens über Autismus, wurde das alles erkannt und somit auch der DSM entsprechend geändert und der ICD folgt dem auch bald.

 

Heute sprechen wir vom Autismussprektrum

Was allein die Begrifflichkeit schon ausdrücken soll ist, wie weit gefächert es eigentlich ist. Leider wird immer noch häufig und auch immer noch fälschlicher Weise Asperger und Kanner als Bezeichnung des Schweregrades hergenommen.

Ich bin Asperger hat immer den unterschwelligen Zusatz bei sich, das man doch besser dran ist als die Kanner und leichter Autist oder leicht betroffen ist genauso diskriminierend, wenn man bedenkt, dass Kanner eben nichts darüber aussagt, wie unklug oder wie ausgeprägt jemand ist.

Ich will damit nicht sagen, dass es damit nicht Autisten gibt, die besser zurecht kommen, genauso wenig, dass es durchaus auch Autisten gibt, die mehr Schwierigkeiten haben.
Aber man kann es einfach nicht klar in Kanner und Asperger unterscheiden, und so auch nicht behaupten, dass es Kanner perse schwerer haben müssen und Asperger im Umkehrschluss so eben die leichteren Fälle sind.

Ich kenne genügend Kanner die weit besser zurecht kommen als manch Asperger und andersherum kenne ich auch genug Asperger, die mehr Schwierigkeiten haben.
Genauso lese ich es immer wieder bei anderen, und habe es auch am eigenen Leibe erlebt, was es ausmachen kann, wenn einem das bis dahin sehr gut funktionierende Umfeld wegbricht.
Ganz schnell wird dann aus leicht gar nicht mehr so leicht.

Jemand, der auf Grund der Motorik und Sprachbehinderung als Kanner eingestuft wurde, wie mein Sohn beispielsweise, muss nicht ad hoc immer in dieser Schiene bleiben. Kann, aber muss nicht.
Jemand, der auf Grund früher Sprache als Asperger diagnostiziert wird, aber deutlich mehr Schwierigkeiten als andere hat, wie ich z.B., wird ebenfalls basierend auf der Diagnose sofort in eine bestimmte Schublade gesteckt: „Du bist nur Asperger, du dramatisierst“, heißt es dann. „Die armen Kanner haben es doch viel schwerer“.

 Vieles liegt an den oben genannten Umfeldbedingungen, Ausprägungen und Erfahrungen, aber eben auch an der eigenen Kompensationsfähigkeit (die für sich genommen auch nichts mit der Intelligenz zu tun hat) und der eigenen Reflexionsfähigkeit. Denn wenn man selbst die Rückschlüsse nicht ziehen kann, weiß man auch nicht was man da kompensieren soll.

Prinzipiell fällt es mir beispielsweise heute noch schwer zu verstehen, das andere tatsächlich in vielen Dingen anders denken und anders wahrnehmen als ich.
Ein weiteres gutes Beispiel sind meine Söhne. Beide zusätzlich sprachbehindert. Der große nicht so reflektionsfähig wie der Mittlere und das merkt man sehr deutlich, wieviel das ausmachen kann.

Bei meiner Diagnostik war ich in allen Bereichen vom cut off im Bereich Autismus im engeren Sinne. Wer sich damit auskennt weiß, dass an der Stelle der frühkindliche Autismus gemeint ist. Nur hat da mein Sprachbeginn nicht reingepasst oder vielmehr war es unklar. So bekam ich dann die Diagnose Asperger Autistin. Muss ich jetzt automatisch leicht sein, weil ich es ja nicht so schwer haben kann wie diagnostizierte Kanner?

 

Das ist Diskriminierung

Viele von uns kämpfen dafür, dass diese Diskriminierung aufhört, ohne dabei irgendwie den persönlichen Autismus und das individuelle Empfinden desselben zu bewerten oder gar zu entwerten.

 Was man auch bedenken sollte ist, dass man selbst sich meist anders einschätzt und empfindet als andere einen bewerten würden und genauso gibt es dieselbe Diskrepanz auch bei anderen. Oft ist es einem so vielleicht auch nicht ganz klar, wie ausgeprägt man wirklich nach außen wirkt, oder es ist einem auch gänzlich egal. Manches erscheint dann einem vielleicht sogar im Nachhinein schwerer als es in der Situation bewusst war, z.B. wenn Lasten plötzlich wegfallen. Habe ich auch schon gelesen.
Auch das sollte man nicht außer Acht lassen. Selbst wenn man noch so meint den anderen nachvollziehen zu können, wird das niemals in Gänze möglich sein.

Es ging hier nie darum Autismus als dramatisch darzustellen oder als besonders. Es geht darum eben nicht zu verallgemeinern. Autismus zu erklären, wie es wirklich ist.

 Mir persönlich geht es auch darum, dass ich zwei Kinder habe, die nach alter Regelung frühkindlich sind und ich sehe Tag für Tag, wie klug sie doch unter der Oberfläche der Sprachbehinderung sind.
Natürlich haben sie es durch die Sprachbehinderung schwerer und es bremst unheimlich aus. Das will ich nicht bestreiten.
Meine sprachlichen Fähigkeiten sind vergleichbar wesentlich besser. So bin ich dennoch deutlich ausgeprägter im Sinnesbereich als mein Mittlerer beispielsweise und wirke so sogar in vielen Situationen ausgeprägter als mein Kanner Sohn, und das als Aspergerin.

 

So wird man Autismus nicht gerecht

Mit Aussagen, wie Kanner haben es perse schwerer und Aperger im Umkehrschluss sind leichter und nur ein bisschen autistisch wird man Autismus und wie es wirklich ist, nicht gerecht.

 Wenn ich zusätzlich betrachte wie sich meine „Kanner“ Jungs über die Jahre entwickelt haben, dass müssen manch andere erstmal nachmachen und wie gesagt, es kann jederzeit passieren, dass euch euer Umfeld wegbricht, irgendwas anders läuft und dann seid ihr, die ihr so sehr auf „leicht und nur Asperger“ pocht, vielleicht plötzlich die „Kanner“.

 All das hat mich bewogen zu sagen, den leichten Autismus gibt es nicht und Autist ist zunächst einfach nur Autist. Nicht schwer, nicht leicht oder mild, kein bisschen autistisch und leicht betroffen.
Nicht, wenn man Autismus losgelöst vom eigenen Empfinden und Standpunkt sieht.
Das wird dem ganzen einfach nicht gerecht. Nicht in seiner Vielfältigkeit und diskriminierend ist es außerdem.

 Ihr könnt euch gerne weiterhin Kanner oder Asperger nennen, das mache ich ja auch manchmal. Schon weil ich es so gewohnt bin. Wobei ich immer häufiger nur noch sage: „ich bin Autist“.
Aber unterlasst Zusätze wie „als Asperger bin ich ja nur leicht betroffen“ und „Kanner sind viel schlimmer dran“

Der Entwurf zum Teilhabegesetz mehr Behinderung als Enthinderung

03 Sonntag Jul 2016

Posted by maedel in Meine Gedanken über Autismus

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Schlagwörter

Asperger Autismus, Asperger Syndrom, ASS, Autismus, Autismus-Spektrum-Störung, Entwurf zum Teilhabegesetz 2016, HFA, Hochfunktionaler Autist, Teilhabegesetz

Ich habe lange überlegt ob ich darüber schreiben soll. Zwar ist einiges aus meinen bisherigen Erfahrungen begründet, manches bei mir hypothetisch und nur ein Ergebnis vieler Überlegungen, die ich zu diesem Thema hatte, aber es spukt mir zu sehr im Kopf herum.

Allerdings, auch wenn manches hypothetisch ist, so ist eines ganz klar:
Ich bin auf Hilfe angewiesen.

Weniger auf fachlicher Seite als vielmehr im alltäglichen Leben und auch wenn ich es momentan so händeln kann, dass ich privat mit Hilfe versorgt bin, ist es doch kein Dauerzustand.
Wie sehr ich auf Hilfe von außen angewiesen bin, weiß ich spätestens durch das dreiviertel Jahr, als ich allein ohne Hilfe dastand und mir jegliche Hilfestellungen aus der Familie und Freundeskreis nach meiner Trennung wegbrach.
Zu selbstverständlich nahm ich die Hilfe in meiner Ehe von meinem Partner an und bedachte nicht, dass dies in ein paar Jahren meine Beziehung vor ein Aus stellen würde. Gut, es waren auch andere Faktoren ausschlaggebend, aber es hatte auch keinen unerheblichen Anteil daran.

Stetige Hilfestellung geben zu müssen, in dem Ausmaß, wie ich es gebraucht hatte, kann eine Belastung sein. Sowohl für Familienangehörige, als auch für Freunde. Immerhin haben diese im Gegensatz zu professionellen Helfern eigene Jobs. Aber nicht nur das. Selbst für mich selbst stellt das eine Belastung dar. Denn so bin ich stetig dazu gezwungen andere um Hilfe anzubetteln.
Die wenigen Freunde, die ich mein eigen nennen kann und auf die ich hätte zählen können, zumindest in dem Maße wie es nötig gewesen wäre, waren viel zu weit weg oder hatten ein eigenes Leben. So beanspruchte ich für die Zeit, bis ich eine andere Lösung finden würde eine Hilfe in Form der ambulanten Betreuung und parallel Familienhilfe.

Das hat nur einen großen Nachteil

Ich musste peinlichst darauf achten, kein Privatvermögen über 2600 Euro anzuhäufen. Und dass obwohl ich schon eine Zuzahlung leisten musste, die mich an den Rand des Existenzminimums brachte. Keine Chance, irgendwas anzusparen und so waren die folgenden Monate für mich sehr schwer. Immerhin hatte ich 2 Umzüge zu stemmen und 3 Kinder zu versorgen und nebenbei die laufenden Kosten zu bedienen.
Und das alles ohne irgendwelche Rücklagen.
Das ging nicht nur auf meine Kosten, sondern auch auf die meiner Kinder.
So am Rande des Existenzminimums ohne Anspruch darauf Mittel anzusparen, gleichzeitig die Versicherungszahlungen im Januar und den nächsten Umzug im August in Blick, nebenbei die Kaution der Zwischenwohnung und das alles aus dem Nichts heraus.
Dadurch fiel Weihnachten fast aus. Das musste ich mir dann buchstäblich vom Mund wegsparen.
Es war eine sehr schwere Zeit.

Denn das Teihabegesetz zwang mich dazu, alles was ich über dem Existenzminimum besaß oder verdiente, für meine Behinderung einzusetzen.
Ohne Rücksicht auf meine Kinder und deren Bedürfnisse.
Natürlich hätte ich auf sie was ansparen können. Aber von was denn?

Durch das Teilhabegesetz war ich gezwungen, arm zu sein und zu bleiben, und auch wenn man sagen könnte, dass es ja in meinem Verantwortungsbereich liegen würde, was können denn die Kinder dafür.

Kann man bei denen auch sagen, dass die Liebe mehr ist, als das bisschen Geld und das es wichtigeres gibt? Will man mir wirklich versuchen hier weis zu machen, dass die ganze Familie und jede potenzielle Partnerschaft mitleiden muss dafür, dass ich behindert bin. Seit Geburt.

Für eine Partnerschaft würde es bedeuten, dass mir zwei Dinge zur Wahl stünden. Entweder ich mache die Beziehung kaputt, weil ich diesem all meine Unzulänglichkeiten aufbürde, oder weil ich ihn und die Seinen in Armut stürzen würde.
Denn auch hier wird eines nicht bedacht. Der Staat sagt, dass Liebe mehr ist als nur Geld und das sich der Partner das ganze so aussucht. Betrifft das denn auch seine Familie? Seine Kinder?

Jetzt könnte man noch einwerfen, dass Kinder ja berücksichtigt werden und so die Existenzgrenze angehoben wird

Die ist tatsächlich gesehen nicht viel höher als die eines Erwachsenen allein. Das reicht hinten und vorne nicht. Bei mir waren es damals 1600 Euro als Bemessungsgrenze.
Dabei zu beachten, dass man ohne Kinder 1100 als Eigenbedarf geltend machen kann, und so erscheinen 1600 als nicht wirklich viel, vor allem, weil es da völlig unerheblich ist, wie viele Kinder man hat.

Da wäre kein Urlaub drin, kein Auto, keine größeren Anschaffungen, außer vielleicht auf Rate. Wobei ich hier bezweifle, dass man überhaupt einen Ratenvertrag abschließen kann unter solchen Umständen und selbst wenn, wovon bedient man den denn?
Selbst Klassenfahrten wäre ein riesen Problem, und die kann man nun wirklich nicht mehr in reines privates Vergnügen einsiedeln. Hierbei entstünde sogar ein erheblicher Nachteil für das Kind. Es ist ja allgemein bekannt, dass diese Klassenfahrten dem Klassengefüge dienen soll und so sind Ausgrenzungen an der Tagesordnung.

Wofür geht man dann eigentlich arbeiten? Um alles wieder abzugeben, die eigenen Kinder nicht ausreichend versorgen zu können?
Man hat das ja nicht selbst verschuldet, noch hat man je die Chance da selbst aus eigener Kraft wieder herauszukommen.

Spinnen wir noch ein wenig weiter

Natürlich könnte man jetzt einwerfen, dass es mir ja frei steht Hilfeleistungen finanzieller Art zu beantragen. Aber steht mir das wirklich frei? Sind meine Kinder dann wirklich Harz4-Kindern gleichgestellt, sodass ich Extra-Ausgaben für sie beantragen kann? Ob man die jetzt bewilligt kriegen würde, steht auf einem anderen Blatt, aber hätte ich prinzipiell die Möglichkeit dazu?
Dazu konnte ich nirgends eine Regelung finden.
Nicht dazu, welche Rechte und Möglichkeiten ich als behindertes Elternteil mit persönlicher Assistenz hätte, noch wer entsprechende Ansprechpartner wären. Noch darüber, welche Folgen gewisse Beantragungen für meine Kinder hätten.
Damals musste ich für meine Kinder gleichzeitig Familienhilfe beantragen, damit ich jemanden habe, der mit ihnen auch mal ins Hallenbad oder ins Kino gehen kann. Denn meiner persönlichen Assistenz war es nicht gestattet, meine Unzulänglichkeiten auch bei meinen Kindern auszugleichen. Welche Nachteile durch solche eine Familienhilfe vom Jugendamt entstehen können, dürfte allgemein bekannt sein.

Noch ein Gedankengang dazu:

Wenn die Kinder den Harz4-Kindern angeglichen wären, unterstehen sie dann auch den gleichen negativen Folgen?
Denn entgegen der Gesetzgebung gelten Kinder hier nicht erst ab 18 als volljährig. Schon ab 16 muss für sie losgelöst von der Familie finanzielle Unterstützung beantragt werden und damit sind sie ab diesem Alter auch unter deren Einfluss. Jetzt kommt es auf den Bearbeiter an. Aber nicht selten wurden 16 jährige unter Druck gesetzt, die Schule abzubrechen und eine Ausbildung zu beginnen. Das Studium gar nicht erst in Aussicht gestellt.

Fazit:
Entweder könnte ich mir eine Zukunft für meine Kinder gar nicht leisten, oder ich darf Hilfen dazu beantragen. Nehme dafür jedoch in Kauf, insofern sie überhaupt zugesprochen werden, dass sie ebenfalls alle Nachteile tragen müssen.

Im Grunde ist es egal wie. Fair ist es nicht, meine Kinder zu bestrafen, nur weil ich behindert bin.

Jetzt könnte man fragen, warum ich als behinderte überhaupt Kinder in die Welt gesetzt habe. Dazu will ich etwas deutlich sagen.

Erstens ist der Großteil der Behinderten nicht von Geburt an behindert und deren Kinder und Familien werden genauso bestraft.

Zweitens erweckt es den Eindruck, dass Behinderte lieber gar nicht erst arbeiten, oder Kinder und Partner haben sollten und das sogar staatlich bestätigt.

Drittens, und hier vielleicht das wichtigste Argument, bin ich trotz meiner Behinderung, ein vollwertiges Mitglied dieser Gesellschaft. Bis auf die alltäglichen Schwierigkeiten einsatzfähig und eine Bereicherung für diese Gesellschaft. Ich bin eine gute Mutter und arbeite nebenher in einem tollen Beruf.

Ich habe es verdient, genau wie meine Kinder, auch als solcher Teil der Gesellschaft behandelt zu werden, ohne finanzielle Einschränkungen.

Ich sehe das tatsächlich als Beschneidung meiner Grundrechte.

Im Grundgesetz steht, dass mir durch meine Behinderung keine Nachteile in der Gesellschaft entstehen dürfen. Das schließt aber die finanzielle Seite ein, meines Erachtens.

Denn auch ich habe das Recht auf Familie, Freizeitgestaltung, auf das Sparen auf eine gute Zukunft meiner Kinder und das Recht ihnen das Leben zu bieten, dass ich erarbeiten kann.

Ich hatte so sehr gehofft, dass der neue Entwurf zum Teilhabegesetz mir die Möglichkeiten schafft ohne Einbußen ein selbstbestimmtes Leben zu leben, ohne dass ich andere damit belaste, dass ich bin wie ich bin.

So jedoch ist meine Teilhabe an der Gesellschaft durch solch ein Gesetz mehr gehindert als es enthindern würde und so bleibt mir fast keine Wahl, als weiterhin alles um mich herum damit zu belasten, für mich Dinge zu übernehmen, die ich allein nicht schaffen würde.

Meist sind es nicht viele, auf die ich mich berufen kann, da ich Schwierigkeiten damit habe, Freundschaften zu schließen. Noch dazu sie behinderungbedingt zu halten. Leichter wird es so ganz sicher nicht. Und so schrumpft mein Bekanntenkreis immer weiter und für mich wird es mit jeder Enttäuschung immer schwerer, damit umzugehen.

Dennoch habe ich hier wenigstens noch eine winzige Chance, irgendwie auch ohne die Hilfen (zumindest noch) über die Runden zu kommen.
Mein tiefstes Mitgefühl gilt jedoch all jenen, den kaum eine Wahl bleibt, als professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen und die eben all diese diskriminierenden Ungerechtigkeiten über sich ergehen lassen müssen.

Der Staat sollte sich eigentlich dafür schämen

So lernt man ja schon als Kind, dass jede Gruppe immer nach dem bemessen werden sollte, wie sie mit ihrem schwächsten Glied umgehen.
Deutschland schneidet da nicht sonderlich gut bei ab.

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Vielleicht dazu auch interessant:

Stellungnahme des bbe e. V. zum Referentenentwurf des Bundesteilhabegesetzes

Faktencheck Bundesteilhabegesetz

Links zum Entwurf:

Entwurf zumTeilhabegesetz

Weltautismustag – im Zeichen der Inklusion?

02 Samstag Apr 2016

Posted by maedel in Meine Gedanken über Autismus

≈ Ein Kommentar

Schlagwörter

ABA, Aktion Mensch, AS, Asperger Autismus, Asperger Syndrom, ASS, Autismus, Autismus-Spektrum-Störung, HFA, Hochfunktionaler Autist, Weltautismustag

Ein Kind geht in die Schule. Wie jeden Morgen steht es pünktlich auf dem Schulhof und wartet auf den Einlass. Es ist viel los und daher hat sich das kleine Mädchen in eine der ruhigeren Ecken verzogen, um dort auf den Startschuss zu warten.
Die ruhigeren Ecken gab es dort nicht immer, aber seit sie mehr Personal haben an den Schulen, können sie gewährleisten, dass jemand der Lehrer mit dort stehen kann, um darauf zu achten, dass es an den Stellen ruhiger zugeht. Kein Fangen, höchstens vielleicht was lesen oder einfach dem Treiben der anderen Kinder quer über dem Hof zuschauen. Das Kind wartet entspannt und als die Schulglocke ertönt, hüpft es freudig ins Schulgebäude.

Die Klassen sind nicht allzu groß und wenn es dem Mädchen doch mal zu viel werden sollte, kann es sich wie alle anderen Kinder auch jederzeit in einen der Ruheräume zurückziehen. Dort nehmen sie dann sonderpädagogisch geschulte Lehrkräfte in Empfang, die auch mal mit den Kindern nicht verstandene Inhalte durchgehen können. Gerade Kinder wie das kleine Mädchen, das eher visuell lernt, profitieren davon. Aber eben nicht nur sie. Die Räume werden sehr gern genutzt, von Behinderten, wie auch Nichtbehinderten gleichermaßen und so entsteht niemandem ein Nachteil oder eine Form der Ausgrenzung.

Denn hier ist es Normalität, dass nichtbehinderte und behinderte Kinder gemeinsam lernen, jeder nach seinen individuellen Möglichkeiten.

 

Utopie?

Gar nicht mal so sehr, wie es sich zu Anfang liest. Ich habe vor Jahren mal einen Bericht gesehen, wo es genau um solch eine inklusive Beschulung ging. In Ländern, die sogar wesentlich kleiner sind und weniger finanzielle Mittel zur Verfügung haben, wo aber Inklusion eben nicht nur ein Wort ist, sondern gelebt wird.
So liegt Island mit 96% Inklusionsrate auf dem Spitzenrang, gefolgt von Malta (94%), Litauen (90%), Portugal (87%) oder auch Norwegen (85%). Deutschland hingegen belegt nach wie vor einen der hintersten Ränge.

 

Das kann viele Gründe haben

Zum einem kann man das schön an den Prioritäten sehen, die unsere hiesige Politik setzt. So ist Deutschland seine Bildung gerade mal 4,55% wert. Im Vergleich dazu kann man Dänemark mit 7,75%, Island mit 7,57% oder auch Zypern mit 7,41% nenne.
Am 26. März 2009 trat in Deutschland die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen in Kraft, wo im Artikel 24 das Recht auf inklusive Bildung fixiert ist.

 

Nur, was hat sich denn seitdem in Deutschland getan?

Noch heute fehlt es massiv an räumlichen, sächlichen und personellen Ressourcen. Juristen des Deutschen Instituts für Menschenrechte haben ermittelt, dass keines der Bundesländer alle im Recht auf inklusive Bildung angelegten Kriterien erfüllt.
Das Bündnis für Inklusion hat ausgerechnet, dass allein in Hamburg 315 neue Lehrer eingestellt werden müssten, damit der Senat seine eigenen Fördervorgaben einhält.

Aber nicht nur das. Das deutsche Schulsystem ist in sich völlig veraltet. Alle Maßnahmen, die bisher ergriffen wurden, um Deutschland nach vorne zu bringen, haben es zum Teil nur schlimmer und unübersichtlicher gemacht.
Als Beispiel kann man hier die vereinfachte Schreibschrift nehmen, die durch ihre abgehackte Schreibweise Kindern mit feinmotorischen Problemen mehr Schwierigkeiten bereitet als sie vereinfacht.
Ebenso wie diese ist das neue Konzept, Schüler nach Hören schreiben zu lassen und erst dann zu berichtigen, wenn sich Lesen und Schreiben soweit verfestigt haben, völlig nach hinten los gegangen.
Noch nie gab es so viele Kinder mit Rechtschreibschwächen wie heute.

Kinder mit Sprachbehinderungen, Lernbehinderungen, auditiven Wahrnehmungsstörungen oder visuellen Einbußen sollen heute inklusiv in Regelschulen beschult werden, und das ist auch gut so. Aber bis heute hat es das Schulsystem mit seinen starren Lehrmethoden nicht geschafft, sich nur annähernd an alle Begebenheiten anzupassen.
Und es ist lange nicht so, dass diese Schwierigkeiten nur behinderte Kinder betreffen.
Die wenigsten Kinder lernen nach Schema F, aber an deutschen Schulen wird immer noch so unterrichtet.

 

Aber das ist meines Erachtens nur einer der vielen Gründe, warum Inklusion hier nicht funktionieren kann. Nicht in einem Land, in dem Behinderte immer noch als die sabbernden, in der Ecke sitzenden, schwer geistig behinderten Menschen gesehen werden, solange nicht einfach nur eine rein körperliche (sichtbare) Einschränkung vorliegt. Und selbst da gehen viele heute noch davon aus, dass körperliche mit geistigen Behinderungen einhergehen.

Solange Behinderung nur als rein defizitär angesehen wird, als Krankheit, die ausgemerzt werden soll, möglichst mit allen Mitteln geheilt gehört – solange wird es kein Miteinander geben, sondern immer eine Zweiklassengesellschaft, wo wir schon froh sein “sollen”, wenn man uns die Möglichkeit bietet, möglichst angepasst und unauffällig durch die Gesellschaft zu gehen.

Ich erinnere mich an eine Situation bei meinem Sohn, als dieser 5 Jahre alt war. Nie haben wir gegenüber ihm erwähnt, dass er behindert ist, und auch nicht den anderen Kindern gegenüber. Lediglich die Eltern hatten wir bei Bedarf aufgeklärt.
Kurz nach diesem Gespräch musste ich mit ansehen, wie mein Sohn von Kindern umringt “du bist ein Behindi, ein kleiner Behindi” umsungen wurde, und bis heute frage ich mich, woher sie das wohl hatten.

Kinder sind von Natur aus neugierig und unvoreingenommen. Sie fragen nach, wenn etwas anders ist, und legen es dann zu den Akten. Spielen mit einem, ohne es weiter zu hinterfragen. Oft sind es die Eltern, die erste Ängste schüren, wie es ihnen auch ihre Eltern schon beibrachten: “Du, die sind behindert, mit denen solltest du nicht spielen.”

Kinder betrachten bei Neuem immer erst die Reaktion der anderen und vor allem die der Eltern. Wenn diese negativ reagieren, dann ist es auch negativ.
In Ländern, in denen Behinderte völlig inkludiert mit nichtbehinderten Kinder aufwachsen, sieht man solche Berührungsängste gar nicht.
Und das tragen sie auch in die nächste Generation weiter.

In einer Gesellschaft, wo Nachteilsausgleiche immer noch als Übervorteilung wahrgenommen wird, Behinderte als Belastung im Klassengefüge, wo Eltern sich über ein behindertes Kind in der Klasse beschweren, weil dieses die Lernfortschritte ihres Kindes behindern könnte – in solch einer Gesellschaft, wo Anpassung das oberste Gebot ist, und nur angepasste Menschen das Recht haben, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben, sind wir weiter weg von Inklusion als vielleicht manche ahnen, und so wundern mich die oben angeführten Zahlen in keinster Weise.

Inklusion betrifft eben nicht nur die Schule

Es betrifft alle, ausnahmslos, und fängt schon beim eigenen Denken an.
Wenn ich dann lese, wie der heutige Weltautismustag im Zeichen der Inklusion stehen soll. Induziert von Vereinen wie Autismus Deutschland. Wo Organisationen wie Aktion Mensch groß verbreiten, dass Inklusion das Thema des Jahres sein soll, dann frage ich mich, wie sie eine Therapie wie ABA/ AVT gutheißen können, die meines Erachtens gegen Inklusion steht.

So geht es doch grundsätzlich bei dieser Therapieform darum, Autisten anzupassen und sie möglichst gesellschaftskonform zu machen.
Das ist nicht der Gedanke einer Inklusion. Das ist höchstens Integration, wenn man das überhaupt so nennen mag. Noch dazu, dass es menschenverachtend ist.

Nehmen wir mal Herrn Sascha Decker (Pressesprecher der Aktion Mensch), der mal in einem Interview verlauten ließ, dass die Zeiten, in denen Behinderte vor die Stadttore gesperrt wurden, lange vorbei wären.
Sind Sie sich da ganz sicher? Vielleicht nicht mehr vor die Stadtgrenzen, sicher. Aber wie würden Sie denn Einrichtungen wie Sonderschulen und Förderschulen aus diesem Blickwinkel sehen – und vor allem, wie bewerten Sie eine Therapie, die Menschen nur dann in die Stadt lässt, wenn sie sich möglichst gesellschaftskonform verhalten?

Natürlich müssen auch behinderte Menschen lernen, dass es gewisse Regeln gibt, sofern sie diese behinderungsbedingt einhalten können.
Es geht hier nicht um grundsätzliche Selbstverständlichkeiten wie nicht zu töten, nicht zu stehlen oder zu verletzen.

Bei ABA geht es auch mitnichten nur um basalste Fähigkeiten, wie Befürworter es gerne anführen, sondern um die möglichst beste Anpassung an das, was Nichtautistische als normal ansehen. Es geht es um Dinge wie beispielsweise Kommunikation, telefonieren können, Blickkontakt und Berührung aushalten können. Das Aushalten äußerer Reize im Allgemeinen.

Entspricht es den Gedanken einer Inklusion, wenn Menschen nur dann das Recht auf ein Miteinander haben, wenn sie möglichst so sind, dass sie gar nicht mehr inkludiert werden müssten? 

ABA ist nicht die Lösung für eine erfolgreiche Inklusion, sondern eher hinderlich.
Genau wie viele andere “gutgemeinte Hilfestellungen”, die bis heute nichts anderes bezwecken, als das Miteinander für Nichtbehinderte angenehmer zu machen.

Inklusion kann, wenn richtig durchgeführt, einer der Wege sein, Autisten oder Behinderte allgemein besser in die Gesellschaft zu inkludieren.
Inklusion ist demnach die Lösung für ein allgemeines gesellschaftliches Problem.

Solange ABA gefördert, propagiert oder angeboten wird, führt man aber den Gedanken an Inklusion an sich ad absurdum.
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Quellenangaben:

http://www.zeit.de/2015/04/inklusion-schule-behinderung-hamburg-wahlkampf/seite-6
http://inklusionsfakten.de/5-jahre-un-behindertenrechtskonvention-keine-eins-plus-fuer-die-bildungspolitik/

http://www.behindertenparkplatz.de/wie-ein-sprecher-der-aktion-mensch-behindertenfeindlichkeit-schuert/

Wichtige Links:

ABA und die Kritik daran – Eine Zusammenfassung.
#FragtWarum
Innenwelt: Bin ich behindert

Nur wer sich anpasst darf dabei sein

03 Donnerstag Mär 2016

Posted by maedel in Meine Gedanken über Autismus

≈ 22 Kommentare

Schlagwörter

AS, Asperger Autismus, Asperger Syndrom, ASS, Autismus, Autismus-Spektrum-Störung, HFA, Hochfunktionaler Autist, Kirche, Kofirmantenunterricht, Konfirmation

– Wie gemein doch diese Welt sein kann

Vor einiger Zeit habe ich hier berichtet, dass mein Großer umbedingt konfirmiert werden möchte. Ich habe ihn darin so gut ich kann unterstützt und inständig gehofft, dass ihm meine Erfahrung mit der Institution Kirche erspart bleibt. Ich hasse Verallgemeinerungen und so hatte ich, auch wenn meine Erfahrung mir anderes lehrt, doch einen winzigen Funken Hoffnung.

Ich habe mich leider nicht getäuscht. Auch die sogenannten Christen sind Menschen und darunter gibt es nunmal viele (nicht alle, aber der größere Teil), die alles was anders ist bekämpfen.

Mein Sohn wurde im Konfi-Kurs ausgelacht und ausgegrenzt. In der Konfi-Freizeit sogar gemobbt (soweit er zumindest erzählt nur da) und das hatte zur Folge, dass er bereits im Dezember jede weitere Teilnahme am Kurs verweigerte.

Der Pfarrer stellte nach einem Gespräch bei uns zu Hause die Möglichkeit in Aussicht, dass mein Sohn nur noch an den wichtigen Terminen teilnehmen muss und die zweite Freizeit, die normal eine Pflichtteilnahme darstellt um überhaupt konfirmiert zu werden, zu erlassen.
Zeitgleich fingen wir an die Pflegestufe zu beantragen, damit er vielleicht doch mit Begleitung teilnehmen kann. Zumindest im Mindestmaß.

Nun, so eine Beantragung dauert nunmal und da unser Jugendamt da jede Verantwortung von sich wies, da eine Teilhabe zu gewährleisten, müssten wir nunmal den langwierigen Weg gehen. Zugegeben, ich habe ein paar mal daran gedacht, es aber immer wieder verworfen, mich beim Pfarrer zu melden. Solange es nichts Neues gibt.
Mittlerweile Anfang März verweigert mein Sohn immer noch die Teilnahme. Wir haben oft und viel mit ihm darüber gesprochen und er will immer noch. Immer noch denkt er, dass er durch die Konfirmation in eine Gemeinschaft aufgenommen wird. Dazugehören darf, so wie er ist.
Irgendwie hat er sich das in den Kopf gesetzt, diese Idealvorstellung.
Irgendwann versuchte auch mein Exmann mit unserem Sohn zu reden und dann auch mit dem Pfarrer. Was dann wiederum zur Folge hatte, dass der Vater meiner Kinder wutentbrannt meinen Sohn vom Konfikurs abmeldete. Das erfuhr ich dann mal so nebenbei heute Abend.

Wir hatten zwar darüber gesprochen, dass er unser Kind da nicht mehr hinschicken will und der Pfarrer wieder seine alte Leier abgespult hat: „Kinder sind halt ein wenig ruppig und laut und gerade unter Jugendlichen geht es eben manchmal so zu. Das gehört dazu und schult seiner Meinung nach die Sozialkompetenz.“ Aber gleich abmelden
Bei diesem Telefonat mit meinem Exmann, war auch nicht mehr die Rede von einem Entgegenkommen des Pfarrers und so wie er sprach, traf eben mein Exgatte seine Entscheidung. Irgendwie an mir vorbei, aber irgendwo auch verständlich.

Dennoch hatte ich inzwischen, nachdem genug Zeit vergangen war, meinen Sohn soweit, dass er eine Entscheidung für die Konfi traf und dafür bereit war, zumindest an den wichtigen Kurstagen zu erscheinen und das was nötig ist zuhause zu lernen.
Die Freizeit lehnt er immer noch ab, aber das Angebot des Einzelunterrichts mit dem Pfarrer nimmt er gerne an.

Ich also ohne das Wissen um die Absage durch meinen Exmann hin zum heutigen letzten Elternabend vor der Konfi.
Geradewegs zulaufend (ohne es zu wissen) auf einen sehr wütenden Pfarrer.
Ich solle endlich eine Entscheidung treffen. Dieses ewige hin und her. Ich solle begreifen, dass die Konfirmation die eigentliche Einführung in die Kirchengemeinschaft ist und die große Feier nur ein Abschluss dieser Zeit. Ja, wir dürfen den Großen auch ohne Kurs dahin bringen, einfach aus seinem Hintergrund heraus und ihn an der Feier (nur an der Feier, denn von Einzelunterricht war keine Rede mehr) teilhaben lassen. Aber zur Gemeinschaft wird er dadurch nicht gehören. In seinen Augen bringt die Konfirmation gar nichts.
Mein Sohn wäre auch ohne Konfirmation jederzeit herzlich in der Kirche willkommen, aber würde er entscheiden, würde er nein sagen.

Wie kann ein Pfarrer so reden. Es kann doch nicht „in Ordnung“ sein, dass Kinder wegen ihrer Andersartigkeit ausgelacht und ausgegrenzt werden.
Ja, die Konfizeit soll auch ein lernen sein. Weniger ein Auswendiglernen, wie er sagt, sondern ein lernen miteinander zu wachsen. Das lernen der Sozialkompetenz. Wie er sich ausdrückte.
Nur was versteht er denn unter Sozialkompetenz? Das man Mobbing ok findet und andere unterdrückt. Das es in Ordnung ist, andere auszugrenzen und auszuschließen?
Sollte ein Pfarrer nicht auch Toleranz lehren und Nächstenliebe?
Sind das nicht Werte eines guten Christen?
Im Grunde heißt das, dass nur diejenigen dazu gehören dürfen, die dem Mainstream entsprechen und der stärkere frisst die Schwächeren?

Inzwischen heulend und völlig überfordert stehe ich vor dem Pfarrer.
Kann mich nicht wehren, all die Dinge, die mir durch den Kopf gingen, kamen nicht über meine Lippen, als er sagte, ich solle jetzt entscheiden.
Denn es darf nicht die Entscheidung meines Sohnes sein. Dazu wäre er nicht in der Lage, nach Meinung des Pfarrers. Es ist ja schön, dass er konfirmiert werden will, aber

„Wenn er dazu gehören will, dann muss er auch dabei sein
Nur die Konfi-Feier reicht nicht aus. Dadurch gehöre er trotzdem nicht dazu, weil er einfach nicht da war“
, waren seine genauen Worte.

„Entweder sie kommen jetzt rein und er ist dabei oder sie gehen“ meinte er noch.

Ich bin gegangen.

Nicht weil ich eine Entscheidung getroffen hatte, sondern weil ich da nicht mehr rein konnte. Aber vermutlich wird er es als Entscheidung werten und ich darf jetzt meinen Sohn erklären, dass er nicht gewollt ist, so wie er ist.

Nur wenn er sich anpasst, hat er das Recht dabei zu sein.

Manchmal kann man diese Welt wirklich hassen.

Braucht der überhaupt einen Schulbegleiter

16 Freitag Okt 2015

Posted by maedel in Meine Gedanken über Autismus

≈ 26 Kommentare

Schlagwörter

AS, Asperger Autismus, Asperger Syndrom, ASS, Autismus, Autismus-Spektrum-Störung, HFA, Hochfunktionaler Autist, Schulbegleitung, Schule

wenn er das alles im Grunde auch alleine kann?

Mein Sohn war jahrelang ohne Schulbegleitung (SB). „Wäre“ nicht nötig und wurde von der Lehrerin massiv abgelehnt. Weil er ja „so schön ruhig“ war. Dadurch war er schwerem Mobbing ausgesetzt. Und ich rede hier nicht von leichten Jungenscherzen. Die Lehrer haben weggesehen. Mein Sohn hatte dadurch kindliche Depressionen.
Er überkompensiert, zog sich irgendwann nur in sich zurück. Dadurch war er fast ständig abwesend.
„Nur körperlich anwesend“ nannten das die Lehrer und „schade, zu ruhig, dabei hat er Potenzial“.
Durch das ständige wegdriften wurden seine Wissenslücken immer größer. Alle Kraft hat er in die Kompensation gelegt, um dazu zu gehören.
Seine Lösung, um nicht mehr ausgegrenzt und gemobbt zu werden. Er hat soviel Kraft dafür verbraucht, dass er schulisch immer mehr abstürzte.
Irgendwann reichte auch dafür die Kraft nicht mehr aus und er wurde immer ruhiger „sitzt nur seine Zeit im Klassenzimmer ab und sabbert vor sich hin“. Irgendwann hieß es, er wäre nicht so leistungsorientiert wie andere.

End von Lied. Er hätte mehr schaffen können, aber jetzt können wir schon froh sein, wenn er den Hauptschulabschluss schafft. Und das alles nur deswegen, weil er nicht so auffällig war, wie andere. Weil er so überkompensiert und oft erst zu Hause zusammenbricht. Sodass er auch schon öfter daheim die ganze Nacht geschrien hat oder tagelang nicht zur Schule konnte. Das sieht dann natürlich keiner. Aber zu uns heißt es dann, wir übermuttern.

„Aber dann brauchen viel mehr Kinder einen Schulbegleiter, wenn man nach solchen Kriterien geht“
Nicht immer wird ein Schulbegleiter benötigt, das stimmt und muss auch individuell gesehen werden, weil jeder Autist einzigartig ist. Aber wenn doch, dann wird es von mehreren Seiten geprüft und leichtfertig wird diese Entscheidung nie getroffen.
Autisten haben von Natur aus ein wesentlich höheren Stresslevel, sind häufiger Mobbing ausgesetzt, haben Kommunikationsprobleme und auch welche in der sozialen Interaktion, und das ist mit anderen Kindern nicht zu vergleichen.
Auch wenn einige Autisten vieles kompensieren, so reicht doch bei manchen dafür die Kraft auf Dauer nicht aus, sodass irgendwas auf der Strecke bleibt. Ist das der Fall, dann sollte auch hier eingegriffen werden.

Hat ein autistisches Kind nur dann Recht auf sein Recht, wenn es Gefahr für die anderen bedeutet? Oder wie soll ich das verstehen?
Per se ist ein autistisches Kind nie eine Gefahr für andere, höchstens für sich selber und wenn es doch mal so sein sollte, dann ist da etwas viel zu weit gegangen….

Ich verstehe so manche Aussagen nicht. Nein, falsch, sie enttäuschen mich sogar, zutiefst. Auch wenn in diesem Falle nichtmal mein Sohn gemeint war.
Ich kann aber die Mutter sehr gut verstehen, die sagt, dass ihr Kind sehr wohl auch mal allein in den Unterricht kann und das auch schafft, wenn die Schulbegleitung mal krank ist. Das Kind ist dann auch keine Gefahr für andere, oder hält Lehrer davon ab, die anderen Kinder zu beschulen, wie es dann manche wieder meinten.
Autisten schaffen verdammt viel.
Aber eben nicht auf Dauer.

Mein Sohn hat jetzt eine SB, eine kleinere Schule und kleinere Klasse.
Er kann viel allein, man könnte meinen, er braucht niemanden. Aber das hält er nicht lange durch, weil er eben weit über seine Grenzen geht.
Erst dadurch, und auch erst nach einer Weile, ist er dann der sabbernde Autist in der Ecke, der nicht mehr ansprechbar ist und nichts allein schafft, wie es einige wohl erwarten.
Muss es erst soweit kommen, damit er Recht auf sein Recht bekommt? Wirklich? Und wo bleibt da sein Recht auf Bildung?

„und muss das hier so öffentlich sein?“

Ja, ich poche auf das Recht auf Bildung, auf gleiches Recht für alle, auf seelische Unversehrtheit etc.

Ja, ich brülle das hinaus, wenn es sein muss und noch viel lauter, wie man hier sieht.
Auch wenn es für meinen vielleicht zu spät ist.

Austausch

05 Samstag Sept 2015

Posted by maedel in Meine Gedanken über Autismus

≈ 25 Kommentare

Schlagwörter

ABA, AS, Asperger Autismus, Asperger Syndrom, ASS, Austausch, Autismus, Autismus-Spektrum-Störung, HFA, Hochfunktionaler Autist

Ich bin derzeit sehr nachdenklich. Frage mich, ob ich mit meinen Ansichten wirklich so allein dastehe, wie es oft den Anschein hat.
Wie ich Gerechtigkeit für mich definiere hatte ich hier schonmal versucht zu beschreiben, aber es ist nicht nur das.

Es ist meine Art, gewisse Dinge anzugehen. Ich habe jahrelang ehrenamtlich gearbeitet und auch wenn ich nie der große Teamplayer war, so hat sich eins bei mir immer wieder bewährt: meine Hartnäckigkeit.
So kann ich mich sehr lange in ein Projekt verbeißen und selbst wenn es nur kleinste Schritte sind, so habe ich oftmals die Erfahrung gemacht, dass diese vielen kleinen Schritte sich irgendwann zu was Großem mausern können.
Ja, es erfordert viel Mühe, viel Kraft, viel Diskutiererei, immer wieder irgendwo vermeintlich das Gleiche. Aber irgendwann kommt der Punkt, da scheint der Knoten zu platzen.

Es ist wie wenn sich die Waage, die vorher im negativen Sinne im Ungleichgewicht war, ganz langsam in die Waagerechte gerät, fast unmerklich und plötzlich kommt der Punkt an der sie umschwingt und sich ins Positive neigt. Je nach Gewichten kann sich dieser Prozess ewig hinziehen oder auch mal schnell gehen. Es kann auch mal ein neues Gewicht hinzukommen und erneut ein Gegengewicht erzeugen, das es zunächst auszugleichen gilt, bevor man wieder weiter ins Positive gehen kann.
Wenig bis gar nichts wird man erreichen, wenn man, um das Ganze zu beschleunigen, einfach mehr Steine auf die Seite wirft, die man selber vertritt. Die andere Seite wird dies dann genauso tun und so verkeilt sich nur das, was eigentlich in Bewegung sein sollte.
Nur wenn man langsam aber sicher die gegnerischen Steinen immer mehr auf seine Seite zieht, kann man wirklich auf Dauer was erreichen. Überzeugen, statt überrollen, kann man es auch nennen.
Denn sonst reicht nur ein Funken Zweifel auf der anderen Seite und alles ist wieder da, wo es vorher war.

Nehmen wir zum Beispiel das Thema ABA und Autismus Deutschland. Meint ihr wirklich, die lassen sich von uns sagen, dass sie diese Therapieform nicht mehr unterstützen und anbieten dürfen?
Sie werden sich immer weiter darauf berufen, dass es doch von Eltern und Verbänden so gewollt ist. Es steckt ja auch viel Geld hinter dieser Maschinerie und ABA ist bislang als Alternativlos gehandelt, was den Markt der Frühförderung angeht.
Wer würde da schon Gelder versacken lassen, uns zuliebe?
Oder nehmt meinethalben auch Aktion Mensch.

Denkt ihr wirklich, dass eine ABA Industrie sich das von ein paar Autisten so einfach nehmen lässt? Nur weil wir sagen, dass sie es lassen sollen?

Wie bei allem im Leben geht es hier um Macht und Information kann auch Macht sein.
Autismus Deutschland wird ABA anbieten und auch Aktion Mensch wird es weiter fördern, solange hier die Grundlagen so vorherrschen, das es auch genutzt und vermarktet wird.
Strategisch wäre es hier klüger, wenn auch der schwerere Weg, ABA den Grundstock zu ziehen.
Im Falle von Autismus Deutschland würde das bedeuten, einem Regionalverband nach dem anderen mitsamt ihrer Eltern davon zu überzeugen, dass sie nicht ABA nutzen sollen. Gibt es keine Anfrage mehr und keine Gelder, gibt es zuviel Gegenwehr aus den eigenen Reihen, dann wäre Autismus Deutschland irgendwann gezwungen, ABA herauszunehmen.

Ja, da ist sehr viel an Aufklärungsarbeit nötig und immer wieder werden neue alte Faktoren mit in die Waagschale geworfen, so das man vermeintlich ewig an selber Stelle zu stehen scheint und ja, es frustriert und raubt die Kraft. Aber auf lange Sicht hin, ist dies der bessere Weg.

Aktion Mensch zum Beispiel. Was bringt in dem Falle ein Spruch wie „ich werde nie wieder ein Los von euch kaufen und rede mit euch kein Wort mehr“. Das mag ein Zeichen setzen, aber hat allein viel zu wenig Gewicht. Das sitzt man aus und bald werden neue Dinge im Fokus stehen und dann kann es wieder so laufen wie bisher.
Wenn man nicht gleichzeitig bereit ist miteinander ins Gespräch zu kommen und aufzuklären, dann verhärten sich nur die Fronten und redet man nicht mehr miteinander, dann kann man auch nicht überzeugen. Dann kommt es darauf an welche Seite mehr Macht besitzt und glaubt mir, das sind nicht wir Autisten.

Auch hier sind es wieder die kleinen Schritte, die zum Erfolg führen können. Aleksander hat da einen eindrucksvollen strategischen Weg gezeichnet und ich werde ihn dabei aus vollsten Kräften unterstützen.

Ja, ich gehe diesen Weg mit dir!

Aber nicht nur diesen.

Ich hatte da mal einen Traum. Ein Miteinander reden sollte es sein. Auf gleicher Augenhöhe. Ein Ort, wo Autisten, Fachleute, Angehörige und Interessierte sich auf sachlicher Ebene austauschen können.
Fragen stellen dürfen, auch mal voll daneben argumentieren.

Aufklären. Denn immer noch bin ich der Meinung, dass nur eine breite Aufklärung wirklich auf Dauer etwas bewirken kann.
Aus diesem Grunde gründeten wir damals eine Gruppe in Facebook, die rein dem sachlichen Austausch dienen sollte.

Ich wollte was bewirken. Viel zu oft wird immer noch ein völlig falsches Bild von Autismus gezeichnet. Sei es in oder durch Medien. Sei es durch falschen Gebrauch des Wortes Autismus als Synonym für schlechte Eigenschaften oder auch das Bild, dass viele Menschen von Autismus haben. Eine Krankheit, arme Betroffene, Menschen zweiter Klasse, denen man mit Hilfe zur Anpassung ein einigermaßen lebenswertes Leben gewähren kann.
Dieses Bild herrscht vielerorts nach wie vor und wird auch so unter Fachleuten gelehrt. Ja wirklich, Therapeuten, die frisch von den Schulen kommen oder frisch gebackene Psychiater haben, insofern sie überhaupt Berührungspunkte mit Autismus hatten, meist nur veraltete Ansichten gelernt. Für sie sind wir bestenfalls Klienten, die ihre Hilfe brauchen.
Inzwischen sind nun manche schon so weit und informieren sich immer mehr aus diesem Pool heraus, kommen in solche Gruppen wie die meine, sagen ein falsches Wort und werden sinnbildlich niedergemetzelt.

Natürlich ist es falsch und auch mich wurmt es, wenn ein Therapeut reinkommt und gleich davon anfängt wie sehr wir doch als Autisten leiden müssen. Aber das wurde Ihnen so beigebracht, gelehrt, impliziert aus den verschiedensten Kanälen. Kein Mensch kommt auf die Welt und weiß sofort, dass Autisten furchtbar leiden müssen. Das wird gemacht.

Aber indem wir uns dann wie Furien und Hyänen auf eben diese Menschen stürzen, verfestigen wir doch nur das Bild. Erreichen lediglich nur damit, dass diese ganz schnell wieder gehen und nie wieder mit Erwachsenen Autisten reden wollen. Wenn wir Glück haben. Schlimmstenfalls erreichen wir damit, das sie sich eventuell denken “ ach herrje, das sind erwachsene Autisten, die hatten nie eine Therapie. Lieber ganz früh den Kindern helfen, dass sie so nicht werden..“ z.b.
Und schon sind wir da wieder in einer Spirale, aus genau der wir doch die ganze Zeit versuchen herauszubrechen, aber solange wir uns teilweise so benehmen, werden wir niemanden finden, der uns wirklich zuhören wird.

Wäre es nicht viel sinnvoller, gerade die an die Hand zu nehmen, die tatsächlich Interesse an ein mit uns zeigen, logisch und sachlich aufzuzeigen warum wir diese Form der Bezeichnung nicht mögen. Warum man uns nicht umerziehen soll. Warum wir sind, wie wir sind und wo wir wirklich gemeinsam einen Weg finden könnten.
Wenn wir diese Menschen unser Leben zeigen könnten, versuchen zu erklären, Begriffe gemeinsam auseinandernehmen in einer sachlichen Art und Weise, dann kann es passieren, das diese dies mit nach draußen tragen und irgendwann in ein paar Jahren ihrerseits als Dozenten vor einer Klasse stehen und eine neue Generation von Therapeuten entstehen kann, die vielleicht schon ein wesentlich besseres Bild von uns und Autismus haben.
Ja, es ist der längere und beschwerlichere Weg, aber der sinnvollere und man kann nicht einfach erwarten, das sich Ansichten, die seit Jahren gewachsen sind einfach von heute auf morgen ändern.

Es sind ja nicht nur die Therapeuten. Gerade in meiner Gruppe, aber auch in vielen anderen Bereichen, wie Foren oder Twitter beobachte ich dieses Treiben schon eine Weile.
Da kommen Leute, frisch von der Diagnosestelle mit ihrem Kind, mit gerade mal oberflächlichem Wissen über Autismus und suchen Rat. Es ist nunmal den meisten Eltern eigen, vermeintlich das Beste für ihre Kinder zu wollen und zusammen mit der Annahme, dass doch nur das allbekannte angepasste Leben ein lebenswertes ist, nach Wegen zu suchen, ihrem Kind die bestmögliche Förderung angedeihen zu lassen.
Die Zeiten, wo man sein Kind so lassen kann wie es eben ist, sind gesellschaftlich schon lange vorbei, so wird es immerzu impliziert und nun ist es an uns diesen Eltern zu erklären, dass diese Gesellschaft eben nicht das Maß aller Dinge ist.
Macht es da Sinn, jede Diskussion über ABA und MMS, über Darmsanierungen und was weiß ich für einen Humbug, sofort im Keim zu ersticken? Oder sollte man lieber den Eltern nicht sachlich und logisch aufzeigen, was solche Dinge mit ihren Kindern anrichten könnten?
Wenn Sie bei uns nicht fragen dürfen, dann gehen sie dahin, wo sie es dürfen und womöglich dann die Antworten erhalten, die sie dazu bewegen, tatsächlich damit anzufangen.
Ist es das was ihr wollt?

Und ja, es ist nervenaufreibend. Auch für mich. Auch ich bin nur ein Mensch und emotional und auch ich reagiere manchmal über. Auch ich stehe viel zu oft da und brülle in die Landschaft „nicht schon wieder die Scheiss Darmsanierung“, aber dennoch versuche ich immer wieder mich zur Ruhe zu ermahnen. Weiter sachlich zu bleiben und gegenzulenken, in der Hoffnung, dass doch irgendwas von dem ankommt, was wir versuchen zu erklären.
Es klappt auch oft genug.

Es ist auch nicht richtig eine Gruppe dazu zu missbrauchen, dass einem genügend gehuldigt wird. Für mich ist es eine Gruppe, die ich aus einer gewissen Zielsetzung heraus gegründet hatte, deren Admin ich bin. Es ist aber nicht „meine“ und darin sind nicht meine „Anhänger“, die alle gefälligst meiner Meinung sein müssen. Wenn das wirklich so gewollt ist, dann muss ich für mich meine Konsequenzen ziehen, denn eine solche Gruppe will ich nicht.
Wenn ein wirklicher Austausch nicht möglich ist und ich niemanden finden kann, der mit mir diesen Weg weiter beschreiten möchte, dann will ich diese Gruppe nicht mehr machen.
Dann suche ich fortan andere Wege.

Nur welche?

Anderer Fall in einem Forum. Da kommt Denise Linke und fragt nach Meinungen, Vorschlägen und eventuell Ideen und wird buchstäblich auseinandergerissen für eine Aussage, die sie mal irgendwo getroffen hat. Sachlich betrachtet, hätte dazu ein kurzes Hin und Her gereicht und dann wäre gut gewesen. Soweit ich mitbekommen habe, hatte man dem Thema dann sogar mehrere Threads gewidmet. Und vermutlich diskutieren Sie immer noch, warum oder ob und wie und was und weshalb und wieso, anstatt sich viel lieber dem zu widmen, was wirklich wichtig wäre. Da wird Ihnen schonmal eine Möglichkeit geboten mitzuwirken an dem Magazin Nummer und dann hat man nichts besseres zu tun, als das Autisten sich wegen irgendwelchen Aussagen gegenseitig an die Gurgel gehen.

Es muss nicht immer Hau Drauf oder Bann Hammer sein. Es geht hier nicht darum ein gewisses Klientel zu schützen. Nicht, wenn man wirklich Austausch betreiben und aufklären will. Denn dann muss man aus einem geschützten Bereich heraustreten und auch bereit sein, sich notfalls auch auf andere Meinungen und Ansichten insofern einlassen können, dass man vernünftig darüber diskutieren kann. Das heißt nicht, dass man es gutheißen muss, das mit Nichten, aber indem man nur den Hammer schwingt, ändert man keine Meinung.
Auch hier verhärten sich so nur die Fronten.

Stehe ich wirklich so allein damit da?

Es muss doch auch andere Wege geben, als immer nur Hau Drauf.

Update:
Manche Reaktionen von gestern sind für mich wenig nachvollziehbar.
Wo steht, das man sich als Autist alles gefallen lassen muss und ja, es gibt Menschen, wo es nichts bringt.
Die kommen aber auch nicht, um mit uns zu reden. Sie haben kein wirkliches Interesse daran. Vielmehr wollen sie verkaufen, überzeugen.

Diese stehen auch nicht auf Augenhöhe mit uns, sind nicht bereit zuzuhören. Sie stehen vermeintlich über uns.
Solche Menschen haben auch bei mir keine Chance. Denn so kann kein wirklicher Austausch stattfinden.

Auch ich habe da eine Grenze. Ich werde niemals einem ABA Vertreter eine wirkliche Plattform bieten, z.B.
Hier gilt es vielmehr die zu überzeugen, die denen diese Plattform bieten. Teils aus Unwissenheit.

Mir geht es auch um die, die wirklich wollen, die meist ein etwas falsches Bild von Autismus haben, aber selbst gemerkt haben, das da was nicht stimmt. Die Zweifler, an dem was sie tun.
Ja, selbst unter ABA kann es Zweifler geben, wenn sie nur genug von uns gelesen haben.

Nirgends stand, das man nicht nein oder Stopp sagen darf. Oder das ist giftig u.s.w.
Es geht um die Fragenden, nicht um jene, die das schon lange aus Überzeugung tun.

Es geht darum, das in letzter Zeit, auch aus Frust, viele einfach nur noch beim kleinsten Piep angegriffen wurden. Ein falsches Wort, eine falsche Frage und man sollte sich am besten sein virtuelles Grab schaufeln.
Was hat das für einen Sinn?

Defizite

17 Sonntag Mai 2015

Posted by maedel in Meine Gedanken über Autismus

≈ 12 Kommentare

Schlagwörter

AS, Asperger Autismus, Asperger Syndrom, ASS, Autismus, Autismus-Spektrum-Störung, Defizite, HFA, Hochfunktionaler Autist

Ich sitze hier, heulend vor Wut auf mich selbst. Es wäre eine einfache Bitte gewesen und eigentlich weiß ich es sogar. Hätte im Umkehrschluss selbst anderen den Rat gegeben, doch einfach nur um Hilfe zu bitten.
Es lähmt mich, wie so oft. Bekomme es einfach nicht hin. Versuche mich immer wieder dazu zu überreden und warte auf den richtigen Zeitpunkt. Wenn es am wenigsten stört, wann es am sinnvollsten ist. Irgendwann ist auch die letzte Möglichkeit verstrichen und nun ist es mal wieder auf den letzten Drücker.
Ich weiß, das es nicht anders geht und ich muss fragen.
Wütend klatsche ich, nachdem ich eine halbe Stunde neben ihm stand ohne etwas zu sagen, die Einladung hin und haue ab. Ohne jede Erklärung.
Mitbewohner kann gar nicht wissen, was mir seit Donnerstag im Kopf herum geht und er kann sicher auch nicht nachvollziehen, warum ich jetzt so sauer bin.
Ich könnte mich ohrfeigen.
Hätte ich am Donnerstag gleich gefragt, dann hätte ich Samstag mit ihm gemeinsam zu einem Spielzeugladen gehen können. So weiß ich nichtmal wo einer ist und muss Montag alleine los, was ganz nebenbei meinen Ablauf mal wieder empfindlich stört.
Ja, er weiß um meine Problematik. Er weiß, das mir das Bitten so schwer fällt. Er sagt selber immer wieder, das ich es nur sagen soll. Er hilft mir gern und doch bekomme ich es nicht hin.
Es ist nur eine Bitte um einen Anruf. Eine Alltäglichkeit für viele, die mich seit Tagen lähmt. Mich wütend macht und platzen lässt.
Fair ist es nicht, das macht mich noch wütender.
Inzwischen weiß ich auch, wie jedesmal, das er verstanden hat. Inzwischen hat er auch angerufen und er weiß auf wen ich wirklich sauer bin.
Und immer noch bin ich wütend.
Wütend auf mich, wütend auf meine Schwierigkeiten.
Wütend auf meine vielen Unzulänglichkeiten, auf meine Hilflosigkeit.
Wütend auf all jene, die Autismus bagatellisieren, es versuchen als was tolles, sogar erstrebenswertes hinzustellen.

Verstehe ich nicht. Was ist daran so erstrebenswert.
Ich scheitere oft an Alltäglichkeiten. Ja, es gibt Tage, da bekomme ich es besser hin und auch Tage, wo ich an Kleinigkeiten verzweifeln kann.

Man soll Autismus nicht so defizitär sehen

Wäre es nicht defizitär, dann bräuchte man die Diagnose nicht.
Mit diesen Defiziten muss ich leben. Meinen Alltag bestreiten. Ich verstehe die Diskussion darum nicht.

Warum müssen Diagnosen so defizitär sein

Die Diagnose ermöglicht es mir Hilfestellungen zu beantragen. Selbst wenn es eine Zeitlang gut gehen mag, durch Hilfe aus dem privaten Bereich, so können Umstände dazu führen, das es doch mal ohne Hilfe nicht geht. Das habe ich am eigenen Leibe erfahren.
Ja, Autisten, auch ich, habe Stärken, wie jeder andere Mensch auch und ich bin mir meiner Stärken genauso bewusst wie meiner Schwächen. Ich weiß auch, das je nach Blickwinkel vermeintliche Schwächen auch als Stärken angesehen werden können.
Aber bekomme ich denn eine Hilfeleistung wenn in einem Diagnoseschreiben steht, wie gut ich im Mustererkennen bin etc?

Kennt man einen Autisten, dann kennt man genau einen

Und das gilt für alle Seiten. Weder helfen da Pauschalisierungen darüber, wie defizitär ein Autist in den nächsten Jahren sein könnte, aus der Sicht der Therapeuten und Ärzte. Noch die pauschale Äußerung, Autismus sei was Besonderes durch Angehörige und Autisten selber.
Ja, man kann nicht pauschal davon ausgehen, das ein Autist nie selbstständig leben kann, ein Abi nie schaffen würde. Genauso wenig kann man davon ausgehen, das es allen Autisten möglich sein muss. Vielmehr ist das sehr individuell zu sehen.

Noch weniger verstehe ich eine Bewegung dahingehend, das Autismus als was erstrebenswertes anzusehen wäre. Etwas, worauf man stolz sein müsse, dazuzugehören.

Ich habe mich nie darum gerissen, Autist zu sein.
Autismus ist nichts Erstrebenswertes, nicht heilbar und es ist ein Leben, das mich jeden Tag aufs neue fordert, in einer Gesellschaft zu bestehen, die nicht autistengerecht ist.
Es ist mein Leben und nicht nur eine Diagnose.

All das heisst nicht, das ich unzufrieden bin, das ich den Autismus herausschneiden möchte. Gut, an solchen Tagen wie heute, fällt es mir sehr schwer, noch etwas Positives darin zu sehen, aber das bin eben ich. Genauso wenig ist es ein Jammern.
Autismus ist weder schlecht noch gut. Es ist nichts Besonderes, noch was Abwertendes. Es ist nicht „nur“ Anders und auch nicht „nur“ Defizitär.

Ich habe mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen und immer wieder kann ich auch stolz auf das sein, was ich geschafft habe. Trotz meiner Defizite.
Ich bin mir ihrer bewusst und oftmals brauche ich Hilfe. Sei es durch die Familie, Freunden oder auch extern.

Immer häufiger zeichnen sich da 2 Extreme ab, die mir mehr und mehr aufstoßen.
So stört mich die rein defizitorientierte Darstellung, die aber für die Beantragung von Hilfen notwendig ist, leider aber auch gern als Leitfaden zum Umgang mit Autismus im allgemeinem herangezogen wird.
Genauso stört es mich einfach massiv, das manche den Autismus als was erstrebenswertes ansehen und dabei den Anschein erwecken, das es ihnen nur darum geht, das man irgendwo dazugehört.
Mich stört, das Autismus häufig bagatellisiert und verklärt wird und damit der ohnehin schon schwierige Weg, Hilfestellungen zu bekommen, erschwert wird.

Einer der schlimmsten Aussagen für mich:

Das kenne ich aber auch, ich bin sicher auch Autist.

Ist euch wirklich bewusst, was es heisst, damit zu leben?

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"Autismus ist nichts Erstrebenswertes, nicht heilbar und es ist ein Leben, das mich jeden Tag aufs neue fordert, in einer Gesellschaft zu bestehen, die nicht autistengerecht ist. Es ist mein Leben und nicht nur eine Diagnose." (Zitat Mädel)
"ABA ist das Lernen von absolutem Gehorsam ohne das Hinterfragen der Autoritätsperson" (Zitat Mädel)

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