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~ Ich bin Asperger Autistin und hier sollen meine Gedanken Platz finden.

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Monatsarchiv: Oktober 2013

Ein paar Worte zum Statement von Dieter Nuhr

21 Montag Okt 2013

Posted by maedel in Meine Gedanken über Autismus

≈ 9 Kommentare

Schlagwörter

Asperger Syndrom, Autismus, Bischof Tebartz van Elst, Dieter Nuhr

So, jetzt reicht es.

Ich finde das von den Medien mal wieder eine Frechheit, was sie da veranstalten. Wenn es langweilig wird, dann muss eben der Autismus herhalten. Immerhin hat der Bischof ja sogar einen Bruder der Spezialist in dem Bereich ist. Das ist doch der Aufreißer schlechthin.

Bis gestern habe ich mir die Debatte um Bischof Tebartz van Elst gar nicht groß durchgelesen, da ich genug eigene Dinge im Kopf habe und nicht noch etwas brauche, das mich in Aufregung versetzt. Ich habe dann doch den Fehler gemacht zu lesen, was so viele empört.
Ich hatte noch nicht mal vor etwas dazu zu schreiben. Ich habe lediglich ein Post dazu auf Facebook verfasst, mit der Frage, was andere von dieser Debatte halten. Ich persönlich kann mir nicht vorstellen, dass sein Bruder Prof. Dr. Tebartz van Elst an der Uniklinik Freiburg wirklich solches öffentlich verlauten ließ. Gerade weil er Spezialist in dem Bereich ist. Das macht auch sein Dementi deutlich.

Aber was dem folgt, kann man schon als schlechten Witz unter der Gürtellinie betrachten.
So lese ich heute ein Statement von Dieter Nuhr auf seiner offiziellen Facebookfanseite:

Photobucket Pictures, Images and PhotosQuelle: https://www.facebook.com/nuhr.de/posts/558571054198191

Zunächst mal hatte Prof. Dr. van Elst die Aussage dementiert, das sein Bruder Autist sein könnte. Allein das beruht schon auf falschen Tatsachen.

Wie allerdings kommt Herr Nuhr darauf, das Bischof Tebartz van Elst Autist sein könnte aufgrund der Tatsache, das nur als solcher ein Zölibat möglich wäre.
Dann müsste man ja annehmen, das Herr Nuhr damit meint, das Autisten nicht fähig zu sexuellen Kontakten seien. Denn meines Wissens legen Autisten keine Zölibats ab, nur weil sie Autisten sind. Andererseits müsste man dann auch annehmen, das alle Enthaltsamen Autisten seien.
Dann mal zu ihrer Information Herr Nuhr. Autisten sind sehr wohl fähig zu sexuellen Kontakten. Bei manchen besteht vielleicht wenig Interesse daran aufgrund der Näheregulierung. Andere haben damit ein Problem der Überreizung gerade im taktilen Bereich. Aber es ist nicht so, das Autisten nicht fähig sind sexuelle Kontakte zu pflegen Herr Nuhr.
Es gibt einige Autisten, die in einer Beziehung leben. Betrachtet man auch die Erblichkeit von Autismus, dann müssten sie mir doch erklären, woher die autistischen Kinder kommen. Und sparen sie sich Begründungen wie Impfungen, Misshandlungen oder all diese weit hergeholten Begründungen. Eine genetische Komponente ist laut den neuesten Forschungen nachgewiesen. Die genetische Rolle laut einer laufenden Studie der Uni Mannheim vielleicht sogar höher als gedacht.
Ich selber habe 3 Kinder und ich bin Autistin Herr Nuhr. Wenn ich jetzt nicht gerade Maria (die Frau von Josef, die Geschichte kennen sie sicher) bin,die unbefleckt empfangen hat, dann wird ihre Theorie (die vielleicht ja nur als Witz gemeint war) schwer haltbar sein. Nur mal so nebenbei. Eine künstliche Befruchtung wurde bei mir ebenfalls nicht vorgenommen.

Die Debatte um Tebartz van Elst richtet schon genug Schaden an, wie so viele Medienberichte zuvor. Sie wirft all unser Bemühen über eine breite Aufklärung über Autismus und wie es wirklich ist über den Haufen (RW).
Es geht weniger darum, das sie einen Witz gemacht haben. Auch wenn es hier auf Kosten der Autisten geht. Aber bitte nicht unter falschen Tatsachen.
Sie machen das nicht gerade besser.

Um einen Freund von mir zu zitieren: „Als geeignete Antwort für Dieter Nuhr wäre doch ein Zitat von ihm angebracht. Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal die Fresse halten!“

Update: Hier könnt ihr noch weiterlesen

Unter der Gürtellienie von Autzeit
Nur der Nuhr von Tageshauschaos
Nu(h)r unten durch von hinterglas
Nuhr Vorurteile von Mela
Schon wieder Medien von Gedankenkarrussel

Update die zweite:

Heute am 22 Oktober kam ein Statement von Dieter Nuhr, das er sich hätte genausogut sparen können:

Photobucket Pictures, Images and Photos

Nun, ich habe eigentlich nichts anderes erwartet. Verstanden ist was anderes *augenrollt*. Obwohl, man könnte auch meinen, das er sehr wohl verstanden hat, aber sich extra auf das andere bezieht, um nicht in Verlegenheit zu kommen sich entschuldigen zu müssen. Wäre ihm zuzutrauen, denn dumm ist er ja nicht und lesen kann er sicher auch.

Stimmings, Tics und Stereotype

15 Dienstag Okt 2013

Posted by maedel in mein Autismus, Meine Gedanken über Autismus

≈ 12 Kommentare

Schlagwörter

AS, Asperger Autismus, Asperger Syndrom, ASS, Autismus, Autismus-Spektrum-Störung, HFA, Hochfunktionaler Autist, stereotype, stimming, tics

Ich finde es recht schwer genau zu beschreiben, in welchen Situationen und aus welchen Gründen stimmings benötigt werden, oder was genau stimming ist.
Vor allem aber, ist da eine genaue Abgrenzung zum NT recht schwer.
Es kursiert da recht viel im Internet. Manche sagen, stimming sind Stereotypen, andere wiederum differenzieren das.
Stimming bedeutet rein begrifflich ein Stimulieren von z.B. sich selber. Ich persönlich setze stimming der Stereotype gleich. Denn ich sehe da nicht wirklich ein Differenzierungspotenzial, dürft mich aber gerne berichtigen, wenn ihr das wollt.
Naja, und außerdem habe ich einen indirekten oder eigentlich fast direkten Auftrag dazu bekommen, einen Artikel zu diesem Thema zu verfassen 😀

 

Ich will es mal versuchen, weil ich da ich doch immer wieder lese, gerade von manchen Eltern, die ihren Kindern verbieten Stereotypen durchzuführen oder eben doch versuchen diese abzutrainieren oder, noch schauerlicher, innerhalb einer ABA Therapie stimmings als Verstärker einsetzten. Das ist für mich absolut unverständlich, denn sie sind essenziell für mich. Oft die einzige Möglichkeit mit meinem Gefühlschaos oder auch Gedankenkreisel klarzukommen. Manchmal die letzte Chance mich vor einem Ausrasten zu bewahren, das Chaos um mich herum zu ertragen oder mich zu konzentrieren, wenn ich eigentlich nicht mehr kann. Unabdingbar, wenn man noch versucht in Sicherheit zu kommen, bevor man in den Overload, Shut- oder Meltdown geht.

Stereotypen können beruhigend sein durch das Gleichbleibende. Ich hatte mal die Theorie, dass das Schaukeln noch aus der Erinnerung an den Mutterleib kommt, aber belegen kann ich das nicht. Sie können die Sinne regulieren, wenn einen die Reize überfluten.

Auch wenn eine plötzliche Planänderung auftritt, einem die Gefühle derart überschwemmen, das man damit nicht umgehen kann oder wenn einen die Verzweiflung und die Wut über seine eigene Unfähigkeit übermannt, dann kann sich auch da ein ungeheurer Druck aufbauen. Es brodelt dann sprichwörtlich unterhalb der Oberfläche, nur das ich es nicht rauslassen kann. Stimming kann den Druck nehmen, der sich manchmal so aufbauen kann, das es einen innerlich fast zerreißt. Nach außen wirke ich in solch einer Phase nur unruhig, aber innerlich stehe ich kurz vorm Platzen. Wie wenn man mit einer spitzen Nadel an der Oberfläche kratzt. Wenn andere auf gefühlten 180 sind, bin ich meist schon jenseits der 500, bevor man das bei mir sehen kann.
Oft findet dieses Chaos keinen anderen Weg nach draußen. Es ist, wie wenn Gefühle einsperrt sind. Man möchte es gern ausdrücken, kann es nicht und versucht dann seiner Gefühle Herr zu werden.

Starke Freude äußert sich bei mir meist in Hände flattern oder klatschen und hüpfen. Man muss dazu erklären, das auch positive Ereignisse oder starke Freude ein Gefühl sein kann, das einen überschwemmt. Ich habe mal bemerkt, das dies ab einem gewissen Alter als unpassend? für eine „Dame“ angesehen wird oder als komisch (zumindest laut meiner Mutter) und so unterdrücke ich meist diesen ersten Impuls sofort, wenn ich es mitbekomme, und leite es dann in Herumlaufen um. Wenn man aufmerksam ist, kann man das sehen.
Mir hilft das Herumrennen sehr oft (ich laufe gern achten, ist mir mal aufgefallen). Bei gewissen Gefühlszuständen, z.B. wenn ich unter innerem Druck stehe oder aufgeregt bin, muss ich mich bewegen.

Manchmal sind gewisse gleichbleibende Handlungsabläufe ebenfalls als stereotyp zu bezeichnen. Beispielsweise ist das Küche putzen einer meiner stärksten Routinen, sodass ich sie fast als stereotyp bezeichnen würde, weil es immer die gleichen Bewegungsabläufe sind. Es beruhigt mich durch das Bewegen in starker Unruhe und hilft mich neu zu ordnen.
Bei meinem Großen ist es in solch einem Fall sein Nintendo (oder davor seine Wii) mit seinem Mariospiel. Er spielt seit Jahren das ein und dasselbe Spiel. Manchmal wechselt er auch ein Spiel (dennoch immer Mario, nur in verschiedenen Varianten) und spielt das dann wieder über sehr lange Zeit.

Wenn der innere Druck sehr groß ist, hilft bei mir schlagen (bei mir oft gegen Tischplatten oder Wände mit der Hand oder dergleichen, so bös das klingt, der Schmerz hilft zu fokussieren, man kann sich besser konzentrieren. Kauen hilft auch zu fokussieren. Genauso reiben, bei mir manchmal bis die Haut Brandblasen wirft, etc. Das sind gerade dann die Hilfsmittel für mich, wenn die Außenreize oder das Zuviel an Input mich daran hindern weiter zu funktionieren.
Auch Lautierungen können stimmings sein. Manche singen sogar.
Der neuste vokale Tic meines Sohnes ist ein immerwährendes Schniefen, gerade wenn er in Unruhe ist.
Als Kind hatte ich auch recht viele Tics und auch vokale Tics. Seit ich erwachsen bin, sind sie seltener geworden. Es muss schon sehr schlimm sein, wenn sie doch mal vorkommen und meistens nur, wenn ich wirklich allein bin.

Manche sagen sogar, das ein stetiger Geräuschpegel im Hintergrund (Fernseher, Radio) bei Reizunterflutung und z.B. bei Reizüberflutung das immerwährende Hören des ein und desselben Liedes stimming ist. Beides kommt auch bei mir vor.
Ich habe viele Varianten, von auffällig bis unauffällig. Manchmal bemerke ich es noch nichtmal.

Ich persönlich erinnere mich an eine Matheklausur. Ich wollte mich konzentrieren und konnte es nicht. Selbst wenn die Klasse vermeintlich ganz still war, so waren da noch unzählige andere Geräusche. Das Kratzen der Stifte auf den Blättern, das scharren der Stühle, das Wippen der Beine oder die Kinder auf dem Gang etc. Die Zeit verrinnt und man versucht verzweifelt anderes auszublenden, um sich endlich auf das wesentliche konzentrieren zu können. Unbewusst tat ich das Einzige, was mir da half. Ich fing an zu singen. Nicht zu laut. Gerade so, das es die Geräusche der anderen übertünchte. Gemerkt hatte ich das nichtmal. Als der Lehrer in die Klasse brüllte, wer da denn singen würde, fragte ich mich im ersten Moment tatsächlich, wer dieser Idiot sei, nur um festzustellen, dass ich selber vermeintlicher Idiot war.

Noch heute habe ich oft Situationen, wo ich anfange zu zappeln (wie ich es nenne) oder zu wippen und es erst gar nicht bemerke. Es ist das, was ich in diesem Moment brauche und automatisch mache. Meist unterdrücke ich es in dem Moment, wenn ich es merke, gerade im sozialen Kontext.

 

Stimmings wie sie von manchen genannt werden oder auch Stereotypen sind wichtig für eigentlich alle Autisten auch wenn es im ICD10 nicht zwingend ein Kriterium ist (ist meine persönliche Meinung). In welcher Form auch immer.
Die Bandbreite und Vielfältigkeit ist sehr groß und daher kann man auch nie pauschal sagen, was mir hilft, muss auch den anderen helfen.
Sie sind äußerst individuell. Auch die Gründe, wofür sie gebraucht werden.
Oft setzten Autisten für die verschiedensten Situationen entsprechende stimmings ein. Gemeinsam haben sie nur, das wir sie brauchen und es alles weitaus schlimmer macht, wenn man von uns verlangt sie abzutrainieren oder zu unterlassen (was eh nicht funktioniert, das einzige Resultat ist das wir lernen sie zu unterdrücken und sie nur dann zuzulassen, wenn wir allein sind).
Hindert man einen Autisten daran, dann kann es sogar passieren, das er je nach Situation in starken Aggressionen entlädt.
Wobei das auch typenabhängig ist und vor allem will ich an der Stelle nochmals erwähnen, das Autisten sich eher autoaggressiv verhalten. Höchstens mal Sachen herumschmeißen, aber selten andere angreifen, außer sie befinden sich in einer auswegslosen oder hilflosen Lage, aus der sie auszubrechen versuchen.

Es ist maximal ein Umleiten möglich. Aber das erfordert viel Kraft, Willen und Training, und um so mehr man unter Stress gerät oder auch umso schneller man unter Stress gerät, umso schwerer ist es, sie umzuleiten. Man scheint dann wieder in alte Verhaltensweisen zurückzufallen.

Versucht mal, wenn ihr so richtig stinkwütend sein, das zu unterdrücken. Wenn ihr das eine Weile macht, dann macht es euch krank.
Meine ganze Magen- und Rückenproblematik kommt daher.
Beispielsweise ist die Anspannung enorm,wenn die Situation einen Blickkontakt erfordert. Vor allem bei fremden Personen verkrampft mein ganzer Körper. Meine Zehen und Finger sehen dann aus wie Krallen. Ich beiße mir dann manchmal die Lippen von innen blutig. Im Kopf ein einziger Gedanke *in die Augen kucken*. Vom Gespräch kriege ich dann nicht wirklich was mit. Die volle Konzentration liegt beim Augenkontakt.
Ich brauche meist Tage, um diese Verkrampfungen wieder lösen zu können.

 

Gerade in Stresssituationen helfen stimmings ungemein, und wie man aus den vorherigen Blogs vielleicht schon herauslesen konnte, sind Autisten weit häufiger unter Stress als Nichtautistische.
Es gibt auch durchaus stimmings unter den nichtautistischen Menschen. Sie sind vielleicht als eher gesellschaftstauglich eingestuft, weil sie irgendwo jeder macht, wie z.B. mit den Haaren spielen, Nägel kauen oder auf Stiften etc. Sie kommen aber auch nicht in der Häufigkeit vor und eben auch nicht in der Intensität. Meist nur resultierend aus einer gewissen Nervosität heraus und nicht um sich soweit zu stimulieren, das man überhaupt weiter funktionieren kann.

Ich habe über die Jahre viele Strategien entwickelt. Habe gelernt, sie umzuleiten.Gerade im gesellschaftlichen Kontext habe ich gelernt, stimmings so weit es geht zu unterdrücken oder sie in unauffälligere Varianten umzuleiten.
Natürlich muss man eingreifen, wenn es Stereotypen sind, bei denen man sich stetig verletzt oder Sachen zerstört. Es ist schwer, aber machbar.

Viele stimmings kann oder konnte ich umleiten, eben durch andere stimmings und indem ich mein Umfeld entsprechend gestalte.
Ich brauche meine Sicherheiten. Meine Routinen und Stereotypen.
Umleiten kostet enorm viel Kraft und erfordert ein sehr langes Training. Gerade wenn es Agressionen sind, in welcher Form auch immer, ist ein Umleiten angebracht. Bei solchen Dingen sehe ich es ein.
Aber mal Hand aufs Herz, wem tut den ein Schaukeln, im Kreis rennen oder ein Händewedeln weh.
Insgesamt können solche Stereotypen, stimmings oder auch Tics (sie haben viele Namen) sogar hilfreich sein, denn sie deuten immer darauf hin, das irgendwas schief läuft. Sie sind oft die Vorboten einer Überreizung, selbst eines Wutausbruches. Beobachtet man genau, so gehen dem Wutausbruch meist vorher solche stimmings voraus. Sie enthalten ein Muster. Viele Eltern beschweren sich, das Autisten manchmal ohne Vorwarnung hochgehen können. Aber das stimmt so nicht. Man hat nur nicht genau genug hingesehen. Es können mitunter kleinste Tics sein!

Stereotypen,Tics oder stimmings tun niemanden etwas, außer vielleicht das manche meinen, sie wären zu auffällig, nicht gesellschaftsfähig und machen nur dumme Leute.
Das ist leider oft das Bild nach außen und das, was mich das Leben gelehrt hat.
Ich glaube, den meisten ist gar nicht bewusst, wie wichtig sie für uns sind. Die Meinungen gehen auch stark darin auseinander, was genau unter Stereotype und stimming fällt und das macht es daher oft schwer, das anderen zu vermitteln.

 

Und dennoch, ich brauche sie, sie geben mir Sicherheit, beruhigen mich und holen mich runter. Sie lassen mich vieles ertragen in einer Welt, die mir viel zu laut, chaotisch und unberechenbar ist.

„Telefonischer Kontakt bevorzugt“ … Barrierefreiheit und ihre Grenzen

09 Mittwoch Okt 2013

Posted by maedel in mein Autismus

≈ 21 Kommentare

Schlagwörter

AS, Asperger Autismus, Asperger Syndrom, ASS, Autismus, Autismus-Spektrum-Störung, Barrierefreiheit, HFA, Hochfunktionaler Autist, Telefonieren

gemeinsam stark Mir ist übel. Wie so oft, wenn es schnell gehen muss.
In der Email steht, ich soll telefonisch mit dem Hausmeister in Kontakt treten.
Manchmal geht es zu schnell. Dann kann es unter Umständen passieren, das ich mich tatsächlich erst erleichtern muss. Zu groß ist die Aufregung. Der Druck.

Im Schnellverfahren lege ich mir einen Text zurecht. Da ich weiß, das es sich um eine Terminabsprache handelt, ziehe ich meinen Kalender zur Rate. Lege ihn vor mich hin und in Gedanken genau fest, was ich wie antworten könnte, wenn die Person entsprechende Tage oder Tagesabschnitte vorschlägt.

Im Grunde geht es nur am Mittwoch Vormittag, überlege ich. Oder Sonntag, aber das schließe ich mal aus. Welcher Hausmeister würde schon eine Besichtigung an einem Sonntag anberaumen.
Nächste Woche wäre es da schon wesentlich günstiger. So viel zu bedenken. Immerhin ist da auch ein Stück zum Hinfahren. Ich muss auch einbeziehen, das ich rechtzeitig hier bin, wenn die Kinder aus der Schule und/oder aus dem Kindergarten kommen.
Wenn ich zum Telefonhörer greife, habe ich in Gedanken das Telefonat schon unzählige Male in den verschiedensten Varianten durchgeführt. Nur damit es doch anders kommt als geplant. In den seltensten Fällen funktioniert es genau so, wie ich es mir zurechtgelegt habe. Noch seltener, wenn ich so wenig Zeit zur Vorbereitung habe.

Der Hausmeister meldet sich am anderen Ende und ich spule meinen Text ab, und warte dann seine Terminvorschläge ab. Stattdessen kommt die erste Nachfrage.

Ich bin raus.

Das läuft nicht wie geplant. Wieso hat er mein Anliegen nicht genau verstanden? Ich präzisiere, um seine Frage zu beantworten, NOCH EINMAL. Als danach der Terminvorschlag kommt, kann ich gar nicht mehr schnell genug umswitschen. Ich bin noch in Gedanken bei seiner Nachfrage.
Demzufolge passiert genau das, was mir so häufig passiert, wenn ich versuche am Telefon Termine zu machen. Ich kann meine Planung nicht umsetzten. Reagiere mechanisch mit „ja“ auf seinen Terminvorschlag. Mittwoch Nachmittag. Ich lege auf. Mist. Voll versagt. Das hat massive Planänderungen zur Folge. Nicht nur für mich, sondern auch für die Kinder.

Ich verstehe wirklich nicht, warum manche auf telefonischen Kontakt bestehen. Was ist aus dem Gedanken der Barrierefreiheit geworden. Sind wir doch inzwischen in der Lage, alles auch auf elektronischem Wege abhandeln zu können. Schon lange nicht mehr ist ein persönliches Gespräch unbedingt notwendig. Dennoch haben es nur wenige in die Tat umgesetzt und reagieren da mit absolutem Unverständnis.
Immer wieder steht da: „Telefonischer Kontakt bevorzugt“.
Ein Bevorzugen setzt aber kein Müssen voraus. Dennoch reagieren viele gar nicht erst auf Emails, oder wenn, dann wird einfach eine Telefonnummer hingeklatscht „setzten sie sich telefonisch in Verbindung“.
Wie machen das eigentlich stumme Menschen? Da geht es doch auch? Da sagt keiner was. Da wird es hingenommen, weil es ja nicht anders geht.
Aber ist es wirklich nur da so? Nur weil ich insgesamt reden kann, heißt es noch lange nicht, das es immer geht. Was im direkten Gespräch schon schwierig ist, macht es doch im Telefonat ungleich schwerer.
Aber ich kann ja reden, also setzt man voraus und erwartet, das ich das hinbekomme.

Es ist ungeheuer anstrengend. Ich telefoniere insgesamt nicht gern und tue mich da sehr schwer damit. Es ist auch nicht so, das ich es gar nicht kann oder nur Angst davor habe. Es ist vielmehr ein nicht können und das Wissen darum, das ich mich damit häufig in Schwierigkeiten bringe, macht es nicht gerade leichter.
Aber wie soll man das begreiflich machen. Ich kann einfach nicht flexibel und schnell genug reagieren. Gerade wenn es wichtig ist oder Terminabsprachen getroffen werden müssen, schaffe ich es nicht adäquat zu agieren. Es gibt dann meist zwei Möglichkeiten und reagiere dann rein mechanisch entweder mit einem generellen Nein oder wenn ich, wie in diesem speziellen Fall einen Termin haben will, generell mit Ja.
Warum ist das so?

Selbst bei mir bekannten Personen dauert es ne ganze Weile, bevor ich mit ihnen das erste Mal telefoniere. Das erste Telefonat ist das schwerste. Denn erst dann weiß ich, ob es überhaupt geht. Es gibt tatsächlich Menschen, da bereitet mir das telefonieren weit weniger Probleme als bei anderen. Auch wenn es dennoch anstrengend ist und ich irgendwann selbst da in Schweigen oder Stottern ausarte. Woran es genau liegt, kann ich nie genau benennen. Ich weiß nur, das ich es sehr bald weiß, ob die Person einer derer ist, mit denen es geht oder auch nicht.
So manche Person war schon recht beleidigt, wenn ich nach dem ersten Telefonat gesagt habe, mit dir geht es nicht. Manche wollten wissen, warum. Aber genau diese Frage kann ich nicht beantworten. Nicht wirklich.

Noch schwieriger wird es bei fremden Personen, oder wenn ich nicht weiß, wer mich am anderen Ende erwartet. Ich kann dann die Reaktionen anderer nicht einschätzen.
Läuft das Gespräch dann nicht genauso, wie ich es im Voraus geplant habe, dann kann ich nicht flexibel genug reagieren.
Das gestrige Telefonat ist da ein gutes Beispiel.

Was ich auch sehr oft mache, ist ein Telefonat ewig vor mir herzuschieben, bis es dann unabdingbar ist, es zu führen.
Beispielsweise wartet eine Person seit Anfang August auf meinen Anruf. Es ist ja nicht so, das ich das vergessen habe. Ich nehme es mir tatsächlich fast täglich vor. Denke darüber nach und lege das Gespräch in Gedanken fest. Umso weniger die Vorabplanung funktioniert, umso schwerer fällt es mir. Zuviel kann schief gehen und ein solches Telefonat kann mich schwer aus der Bahn werfen.Vor allem zur Zeit, weil ich eh schon stetig am Limit bin. Das will wohl überlegt sein.
Ich weiß, das es wichtig ist, aber ich bekomme es einfach nicht hin.

Umso unverständlicher ist es für mich, wenn das dann sogar Stellen sind, die um die Probleme von Autisten (übrigens hat nicht jeder Autist in dem Maße Probleme mit dem telefonieren, manche bekommen das erstaunlich gut hin) oder im speziellen von mir wissen. Ich weiß, sie wollen, das ich es lerne, übe.
An dieser Stelle gehen mir da echt die Argumente aus. Was ist, wenn es wirklich nicht geht. Wenn ich das nicht kann?
Ich schaffe so vieles, auch allein. Aber da stoße ich eindeutig an meine Grenzen.
Es wäre manchmal schön, wenn manche das zumindest akzeptieren könnten, auch wenn sie es nicht verstehen.

Hier geht es zurück zu den Blogger-Themen-Tagen

Defizit, eine Sache des Blickwinkels

06 Sonntag Okt 2013

Posted by maedel in mein Autismus

≈ Ein Kommentar

Schlagwörter

AS, Asperger Autismus, Asperger Syndrom, ASS, Autismus, Autismus-Spektrum-Störung, Defizite, HFA, Hochfunktionaler Autist

Ich schreibe oft und viel über meine Defizite.
Das mag daran liegen, das viele, gerade was Autismus belangt, die Defizite in den Vordergrund stellen.
Viele Fragen, die Angehörige oder auch Autisten stellen, sind oft auf das Defizit bezogen und ein Aufruf an andere zu erläutern, wie man es besser machen könnte.

Manches klingt aber auch nur Defizitär. Manches, was ich nur erklären möchte, da ich an solchen Stellen wohl unterschiedlich bin. Manches, wo ich selbst ganz gern die Unterschiede herausarbeiten möchte. Manches, das Angehörigen, Interessierten oder auch Fachkräften eine Hilfestellung sein soll, um Autismus in all seinen Facetten zu verstehen. So will ich doch aufklären und dazu gehört eben auch die Unterschiede herauszuarbeiten.
Vieles davon ist für mich aber völlig normal, sicher nicht defizitär und einige Sachen davon sehe ich eindeutig als gute Eigenschaft oder Stärke an. Auch wenn das von außen oft nicht so gesehen wird.

Ich würde sogar sagen, die Eigenschaft, dass ich, wenn ich in schwerer Unruhe bin, in einem Putzwahn ausarte, eine sehr nützliche Eigenschaft ist.
Zum einem, weil sie mich tatsächlich beruhigt, zum anderen, weil sie den netten Nebeneffekt hat, dass mein Haushalt danach erledigt ist.
Meine Routinen (die immer ausgeführt werden müssen) wie z.B. das meine Küche geputzt sein muss, bevor ich koche und nachdem. Das ich das Bad nach Benutzung immer grob putze etc.
Betrachtet man es auf der defizitären Seite, dann ist es für mich schwer, davon abzulassen. Meine Routinen sind dann sprichwörtlich im Eimer, wenn ich darin unterbrochen werde oder sie so nicht durchführen kann, wie ich es brauche. Sie geben mir Sicherheit um meinen Alltag bewältigen zu können.
Betrachtet man das Positive an der Sache, so kann man durchaus sagen, dass ich mit meinem Haushalt gut zurechtkomme. Gut, viele sagen, ich übertreibe es maßlos und ich putze eine Küche nicht einmal sondern 4 mal am Tag. Aber, so what.

Auch ist es so, das ich sehr oft erschöpft bin, viele Pausen brauche. Aber ist das ein Wunder, bei den vielen Dingen, die bei mir anstehen? So vieles, das bedacht werden muss.

In den letzten Wochen und auch Monaten hatte ich viele Rückschläge. Es hat auch das ein oder andere mal gekracht. Manche waren regelrecht verzweifelt ob meiner Naivität. Auch das ist ein Lernprozess, den mir keiner abnehmen kann.

Momentan ändert sich viel zu viel in viel zu kurzer Abfolge. Ich habe oft gar nicht die Zeit mich um- oder auf die neue Situation einzustellen.
Genau darüber schreibe ich genauso, denn es ist nunmal zum einen etwas, das mich sehr beschäftigt, außerdem hilft es mir darüber zu schreiben und zum anderen ist es vielleicht auch interessant für andere, wie ich mit solchen Situationen umgehe.

Betrachtet es man jedoch aus einem anderen Blickwinkel, dann sieht man auch deutlich, was ich bisher alles geschafft habe.
Viele Dinge, die ich zum ersten Mal gemacht habe. Ich bin jetzt 37 Jahre alt und stehe das erste Mal auf eigenen Beinen. Ich gehe regelmäßig einkaufen. Schaffe es nach und nach, meine Strukturen umzuändern, damit ich sie dem neuen Ablauf anpassen kann.
Ich bin wesentlich selbstständiger und selbstsicherer geworden. Habe aus vielen Situationen heraus gelernt, meine Naivität in manchen Bereichen abzulegen oder zumindest zu reduzieren.
Man könnte durchaus sagen, ich beginne erwachsen zu werden. Sicherlich etwas spät, aber besser als nie, würde ich sagen.

Es ist nicht alles so schlecht oder schlimm, wie es auf den ersten Blick den Anschein hat. Manches ist zwar sehr anstrengend und manches nicht machbar. Ich bin auch oft verzweifelt, erschöpft oder ich sehe auch manche Anpassungen nicht mehr ein, weil sie mir zuviel an Kraft kosten. Ich sehe vieles differenzierter. Aber vieles hat auch seine guten Seiten, und wenn es nur die Erfahrung ist, aus der ich lernen kann.
Ich weiß, da steht noch ein riesen Berg vor mir, der mir stellenweise noch große Angst bereitet. Aber lange nicht mehr so sehr, wie am Anfang meines Weges.

Ich habe mit der Zeit Freunde unter meinesgleichen gefunden, die mir mit Rat und Tat zur Seite stehen. Ich habe gelernt so manches mal um Hilfe zu bitten, etwas was mir nach wie vor sehr schwer fällt, vor allem den Zeitpunkt herauszukristallisieren, wann ich denn nun Hilfe brauche. Ich habe immer noch Schwierigkeiten damit, mich mitzuteilen. Sehe da oft auch den Sinn nicht dahinter.

Ich will nicht abmildern, das es anstrengend ist und sein wird, um all das zu bewältigen, was da auf mich zukommt. Manche Dinge werde ich nie verstehen und in vielen Bereichen immer „anders“ sein. Ich werde manches auch nicht ohne Hilfe schaffen und der schwerste Schritt war für mich die Erkenntnis, das es ohne Offenlegung meiner Diagnose wohl nicht gehen wird.

Aber ich sehe da ein Stück weit optimistisch in die Zukunft.
Für mich heisst es momentan ganz schnell eine Wohnung zu suchen. Der Abschnitt Eigenheim in meinem Leben hat bald ein Ende. Ich hätte gern mehr Zeit gehabt. Aber auch das werde ich irgendwie und vielleicht auch mit einigen Abstrichen meistern.
Die Hauptsache ist aber doch, das ich irgendwann rückblickend sagen kann,

„Ich habe es geschafft!“

"Autismus ist nichts Erstrebenswertes, nicht heilbar und es ist ein Leben, das mich jeden Tag aufs neue fordert, in einer Gesellschaft zu bestehen, die nicht autistengerecht ist. Es ist mein Leben und nicht nur eine Diagnose." (Zitat Mädel)
"ABA ist das Lernen von absolutem Gehorsam ohne das Hinterfragen der Autoritätsperson" (Zitat Mädel)

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