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~ Ich bin Asperger Autistin und hier sollen meine Gedanken Platz finden.

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Monatsarchiv: April 2013

„Ich will nach Hause…“

28 Sonntag Apr 2013

Posted by maedel in mein Autismus

≈ 5 Kommentare

Schlagwörter

AS, Asperger Autismus, Asperger Syndrom, Autismus, Autismus-Spektrum-Störung, Hochfunktionaler Autist

Heute ist einer der Tage, an denen ich ordnen muss. So viele Gedanken. Die letzten Tage waren zu viel und ich hatte keine Zeit dazu.
Immer wieder werde ich mit meinem Inneren konfrontiert, was auch Kraft kostet dies zu beschreiben. Gleichzeitig ist da mein alltägliches Leben, wo sich vieles ändert und ich neu ordnen muss.
Da ergab sich diese Woche auch viel Neues und der Zeitrahmen wurde zudem verändert, also muss ich neu planen. Aber in dem alltäglichen Chaos diese Woche hatte ich keine Zeit dazu. Da waren die Kinder, meine Arbeit, die Termine und eben auch andere, die erst mal wichtiger waren.
Ich hatte diese Woche Overloads und Erschöpfungszustände und keine Zeit diese zu verarbeiten. Es folgte immer gleich das Nächste.
Ich muss ja funktionieren.

Gestern hatte dann eigentlich eine Kleinigkeit, die ich normal ganz gut kompensieren kann, ausgereicht um mich völlig aus der Fassung zu bringen.
Ich war auf einer Schulveranstaltung und stand in einer Halle. Es war nicht still aber auch nicht unerträglich. Plötzlich schwoll alles an. Viele Menschen betraten den Raum und es wurde unerträglich laut. Es schien wie eine einzige Mauer aus undefinierbaren Stimmengewirr das auf mich zu strömte und ich hatte nur noch einen Gedanken … Flucht.
Aber das ging nicht, ich musste bleiben, der Termin war wichtig.
Ich hielt mir die Ohren zu und versuchte es aushalten.
Gleich wird es stiller, wenn sie alle in die Klassen gehen und die Gespräche beginnen … nicht mehr lang. Das sage ich mir immer wieder.

Nach 10 min war es so weit, dass alles in die Klassen strömte und ich war so froh um die Stille. Vom Gespräch selber habe ich gar nicht so viel mitbekommen. Hoffentlich war es nichts Wichtiges. Heute kann ich meinen Sohn verstehen, warum er manchmal im Unterricht nicht mehr viel mitbekommt. Ist diese Halle immer so laut?
Nach dem Elterngespräch stand eine Führung auf dem Plan: Einen Rundgang machen durch die Ausstellung.
Noch mal durch diese Halle? Definitives nein.

Meinem Sohn schien es auch zu viel zu sein. Die Kinder wurden ja nach dem Gespräch hochgeholt und das Erste was er fragte war, ob wir jetzt gehen können.
Bevor sie um Rundgang aufrufen konnten, verschwanden wir.

Zu Hause angekommen versuchte ich erst mal der Situation Herr zu werden. Wegen der Kopfschmerzen legte ich mich hin. Aber das brachte nicht den erwünschten Effekt.
Ich konnte es nicht mehr aufhalten.
Die Haut begann wehzutun. Ich musste die Haare hochbinden, weil sie unangenehm im Nacken waren. Die Kleidung schmerzte, ich musste mich schnell umziehen. Möglichst locker. In meinem Zimmer fing ich an mein Bein zu wippen, ich hatte Druck … aber ich wollte dem Impuls mir einen Gegendruck zu verschaffen nicht nachgeben. Mein ganzer Körper tat weh. Versuchte mich selber zu drücken, umschlang mich mit meinen Armen. Aber auch das funktionierte nicht wirklich.
Vielleicht fing ich deshalb mit den Vokalen Tics an. Das habe ich nur in Fällen, wenn es wirklich schlimm ist, und ist mir im Nachhinein immer sehr peinlich, weil ich da stetig komische Geräusche von mir gebe. Es kostet Kraft sie umzuleiten, aber wenn ich allein bin, ist das nicht nötig. Daher habe ich es gestern laufen lassen. Alles ist besser als mich selbst zu verletzten.
Ich war in einem Zustand von schwerer Unruhe und ich konnte mich erst sehr spät abends so weit beruhigen, dass ich schlafen gehen konnte.
Danach kommt meist der Tag der Erschöpfung. Das sind die Tage, an denen ich ordne und meist schaffe ich es an dem Tag nicht, irgendwas Sinnvolles zu tun. Wenn es möglich wäre, dann würde ich den ganzen Tag im Bett bleiben.
Aber leider geht das nicht immer so, wie ich will.

Ich komme heute einfach nicht zur Ruhe. Ich muss ordnen, aber kann nicht. Zuviel schwirrt in meinem Kopf. Ich brauche Ruhe und kann diese für mich selber nicht schaffen. Immer wieder dieser Gedanke, ich will nach Hause. Ist das nicht ein seltsamer Satz, den ich da denke? Ich kenne ihn schon seit meiner Kindheit.
Dabei war und bin ich doch zu Hause. Aber warum denke ich in solchen Momenten oft, dass ich nach Hause will und wo ist denn mein zu Hause, wenn nicht hier? Darauf habe ich nie eine Antwort gefunden und doch ist dieser Gedanke so präsent.

Ist es, weil ich nicht zu der Ruhe komme, die ich brauche? Weil ich mich hier unwohl fühle? Ist mein zu Hause da, wo ich mich jetzt wohl und sicher fühlen würde? Ist mein zu Hause meine Innerwelt oder ein Ort in der Außenwelt? Aber welcher?
Ich bin heute so verwirrt.
An solchen Tagen reicht mein Raum nicht aus. Es kann jederzeit jemand rein kommen. Meine Familie achtet nicht immer meinen Wunsch nach Ruhe. Ist es vielleicht das, was mich nicht zur Ruhe kommen lässt? Oder der Umstand, dass ich sie immer noch hören kann?
Als Kind bin ich oft nach draußen geflüchtet. In den Wald oder in meine Gänge. Am Hochhaus entlang und manchen Mauer entstanden durch das Gestrüpp manchmal Gänge und kleine Nischen. Die anderen haben sich da nie rein getraut, es war denen zu unheimlich. Aber für mich war es ein Segen. Ich habe mich als Kind viel und oft dort aufgehalten.
Ich kann mich nur wirklich erholen, wenn keiner mich stört. Aber das geht nur an solchen Tagen, wenn alle meine Kinder aus dem Haus sind (Schule, Kindi), wenn ich nicht arbeiten muss, keine Termine anstehen und mein Mann aus dem Haus ist.
Solche Tage werden aber immer seltener und reichen bei Weitem nicht mehr aus. Nicht bei dem Stress, unter dem ich momentan stehe.

Ich glaube nicht, das ich es heute schaffe mich zu ordnen und ab morgen stehen schon wieder mein Alltag und Termine an.
Ich versuche es mit schreiben.

Bin ich behindert?

21 Sonntag Apr 2013

Posted by maedel in Meine Gedanken über Autismus

≈ 20 Kommentare

Schlagwörter

AS, Asperger Autismus, Asperger Syndrom, Autismus, Autismus-Spektrum-Störung, Behinderung, Hochfunktionaler Autist

Mir wurde bei der Diagnostik Folgendes gesagt … Autisten haben einige sehr gute Eigenschaften aber eben auch einige schlechte und das ist nunmal so, das werde ich nie ändern können. Mit keiner Therapie der Welt. Das „nicht Können“ ist aber genau das, was viele nicht verstehen. Es ist nicht ein nicht wollen, sondern ein nicht können.
Wie soll das aber auch verständlich sein für Menschen, die gelernt haben, etwas nur arg genug zu wollen um es hinzubekommen. Dass man alles auf dieser Welt lernen kann.
Wie sollen sie verstehen, dass logisches Denken mein Leben beherrscht. Menschen denken nunmal auf der emotionalen Ebene. Da treffen Welten aufeinander.
Wie soll man das denen begreiflich machen? Selbst die, die sich damit auseinandersetzten aber es selber nicht kennen, selbst die können es anhand von Beispielen doch nur erahnen. Aber wirklich verstehen? Das bezweifle ich.
Wenn man gereizt ist und ab und an ausrastet, nun dann macht man eine Verhaltenstherapie. Wenn man erschöpft ist, dann erholt man sich, oder es wird zu einer Depression ernannt. Sie kennen die Auswirkungen,jeder für sich kennt mal die ein oder andere Situation.

Ich muss mir sehr oft anhören, das kenn ich aber auch.
Natürlich …aber nicht in dem Ausmaß, nicht in der Intensität und nicht aus dem Grund. Und das unsere Gründe eben nicht wegzutherapieren sind. Aber wie soll man das alles auch verstehen, wenn man es selber nur erahnen kann.
In einer Welt, in der die der Schein des perfekten Menschen wichtiger geworden ist als der Mensch selber.

Bin ich behindert? Oder ist mein Kind behindert?

Diese Diskussion kommt immer wieder auf, vor allem wenn Kinder involviert sind. Manche Autisten sehen sich als behindert, andere weisen dies weit von sich.
Ich empfinde es selber nicht als schlimm. Aber vielleicht liegt es auch daran, dass ich Behinderung für mich anders definiere. Ich bin allerdings auch älter und mein Sohn wird mir diese Frage in naher Zukunft auch stellen.
Das Problem ist eben das Bild, das die meisten von „Behinderung“ haben. Eine Behinderung zu haben heißt doch in meinen Augen, dass man lediglich in manchen Situationen gehindert ist. Das setzt aber nicht die häufige Assoziation „Behinderung = bescheuert“ voraus.
Menschen neigen dazu immer das schlechteste Bild vorauszusetzen. So ist der Autist oft der in seine Welt versunkene, nicht-sprechende, oft schreiend und um sich schlagende inselbegabte Savant ala Rainman. Der Behinderte ist der vor sich hinsabbernde, entrückte, stark intelligenzgeminderte Mensch, der zu einer Teilnahme am allgemeinem Leben nicht fähig ist. Oder sind nur die Menschen behindert, die offensichtlich ein körperliches Gebrechen haben?

Was ist denn Behinderung

betrachtet man die Definition aus dem Sozialgesetzbuch

§ 2 Behinderung
(1) Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Sie sind von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist.
(2) Menschen sind im Sinne des Teils 2 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 73 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.
Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen behinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 73 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

gelten nicht nur Menschen mit körperlichen Gebrechen als behindert, sondern eben auch Menschen die aus den verschiedensten Gründen an einer Teilhabe in den verschiedensten Lebensbereichen „gehindert“ sind.
Ich finde zwar die Bezeichnung „seelische“ Behinderung etwas unglücklich gewählt, aber ich persönlich fühle mich auch derzeit gehindert oder sagen wir…ich merke momentan genau, wo meine Defizite liegen, da mir momentan nach und nach sämtliche Routinen und Sicherheiten abhanden gehen.
Generell sehe ich manche meiner sogenannten Defizite sogar als gute Eigenschaft…auch wenn das nach außen nicht immer so gesehen wird. Es macht mich zu dem wer ich bin und der Mensch der ohne Fehler ist, der muss sich mir erstmal vorstellen.
Den perfekten Menschen gibt es nicht in meinen Augen. Dennoch finde ich es falsch, Autismus zu bagatellisieren. Oder zu behaupten, das wäre keine Behinderung oder „nur“ eine andere Art zu sein. Ich bezeichne mich auch als anders, so ist es nicht…aber ich weiß das es Bereiche gibt wo ich Hilfe brauche und die würde ich nicht bekommen wenn es „nur“ eine andere Art des seins wäre. Für mich gibt es auch nicht den milden oder leichten Autismus. In meinen Augen ist ein Autist ein Autist.

Nach außen betrachtet werden gerade Autisten, die sich gut anpassen können und daher nicht so stark auffallen, falsch beurteilt. Da ist sogar gerade im erwachsenen Alter oft die Rede vom „geheilten“ Autismus. Ist denn ein erwachsener Mensch, der das Glück, hatte sein Umfeld so zu gestalten, das er sich ganz gut anpassen kann, weniger autistisch als der andere, der dieses Glück eben nicht hatte.

Ich habe eine recht hohe Anpassungsfähigkeit und man sagt ich habe eine recht gute Innensicht. Nach außen mag das stimmen. Aber man sieht nicht wie viele Gedanken ich mir mache, bevor zum Beispiel ein solcher Artikel entsteht. Man sieht nicht wie viel Kraft es mich kostet mich derart anzupassen, dass ich z.B. 2 Stunden Erholung brauche nach einem Einkauf, da ich völlig erschöpft bin.
Allein schon die Vorbereitung für einen Einkauf, die Durchführung und wehe es geht was schief.

„So kann es mich durcheinanderbringen, wenn man den Einkaufszettel kurzfristig ändert. Wenn ich einen Einkaufszettel schreibe, dann gehe ich im Kopf immer den Laden durch. Das bestimmt dann auch die Reihenfolge, in der die Besorgungen aufgeschrieben werden. Wenn nun was geändert wird. Dann steht es nicht mehr in der richtigen Reihenfolge und ich muss meinen Rundgang im Kopf von vorn beginnen. Das kann durchaus eine Weile dauern.
Werde ich unplanmäßig in einen Laden geschickt, den ich nicht kenne. Zum Beispiel, weil ich etwas in einem Laden holen soll, der auf meinen Weg liegt. Dann macht es mich unsicher und sehr nervös, weil ich dann möglichst genau wissen will, wo ich was finde, wie es genau bezeichnet wird und am besten noch die richtige Reihenfolge.
Noch komplizierter wird es, wenn ein bekannter Laden umgebaut wurde, oder, wenn das, was ich normal immer einkaufe, nicht an seinem Platz steht. Das kann mich dann ganz schnell überfordern. Vor allem auch deswegen, weil in Situationen wie diesen zusätzlich sehr viele Sinneseindrücke auf mich einströmen.“
(Auszug aus meinem Artikel „Man hört nicht auf Autist zu sein, nur weil man erwachsen geworden ist“ )

Dann kommt noch dazu, dass sich manchmal Lebenssituationen ändern können.
Was ist, wenn sich das ganze Leben plötzlich ändert oder der Stress zunimmt. Wenn 24 Stunden Tag nicht mehr ausreichen, um genug Ruhephasen einzubauen. Dann brechen auf einmal die Strukturen ein und übrig bleibt das autistische Sein.

Plötzlich brauche ich Hilfe, dass was vorher noch gut funktionierte, bekomme ich nicht mehr alleine hin. Weil meine Sicherheiten wegbrechen, meine Abläufe verändert werden und meine Routinen wegfallen.
Aber was viel wichtiger ist, weil mir Personen wegbrechen, die bis dahin meine Defizite ausgeglichen haben. Personen, die mir Ämtergänge abgenommen haben, Anrufe, mich bei wichtigen Arztbesuchen begleitet haben, für mich einkaufen waren, etc.

Jetzt denken manche, mach einfach eine Therapie, oder stell dich nicht so an, reiß dich mal zusammen. Ich bekomme tolle Ratschläge, was ich alles machen sollte. Aber hat mal jemand daran gedacht, dass ich das allein nicht hinbekomme? Ich brauche tatsächlich Hilfe um Hilfe zu beantragen.

Insgesamt muss jeder für sich selber entscheiden, wie er seinen Autismus für sich sieht. Ich finde es falsch Autismus zu bagatellisieren oder wie manche es auch gerne tun, Autismus als was besonderes und erstrebenswertes zu sehen. Eine besondere Art zu sein. Da gibt es teilweise Bewegungen in diese Richtung, die ich mit Sorge betrachte.

Ich für mich sehe meinen Autismus als das, was es ist. Das bin ich. Aber ich bin mir bewusst, dass ich nicht immer ohne Hilfe auskomme.
Dass Situationen entstehen können und das manchmal recht schnell, in denen ich hilflos bin. Das ist nichts Schlimmes und auch nur menschlich.

Ich habe da immer einen Spruch, den ich mal vor Jahren geschrieben habe und immer noch sehr gerne in Foren in meine Signatur aufnehme:

Stark sein ist leicht, keine Kunst. Aber Schwächen zugeben zeugt von wahrer Stärke und vermag nicht jeder

Zur damaligen Zeit als dieser Spruch entstand wusste ich noch nichts von Autismus. Aber ich wusste, dass ich Schwächen habe und das hat sich bis heute nicht geändert.

Laut der Definition im Sozialgesetzbuch bin ich behindert. Aber deswegen nicht weniger Mensch.

Mein Rat an die Eltern oder auch an selbst Betroffene und Angehörige. Prüft immer genau was das beste für die Person ist und verweigert ihnen nicht die Hilfen, die ihnen von Gesetz her zustehen.
Autisten müssen in meinen Augen nicht auf „Biegen und Brechen“ angepasst sein und es ist durchaus legitim ihre Defizite anzuerkennen und sie da zu unterstützen. Aber auch sie in ihren Stärken zu fördern.

Aber auch ein Wort an die Stellen, die uns diese Hilfe oft verweigern oder es sehr schwer machen diese zu beantragen. Es ist unser gutes Recht!

Overload, Melt- und Shutdown

11 Donnerstag Apr 2013

Posted by maedel in mein Autismus

≈ 89 Kommentare

Schlagwörter

AS, Asperger Autismus, Asperger Syndrom, Autismus, Autismus-Spektrum-Störung, Hochfunktionaler Autist, Meltdown, Overload, Shutdown

Nach meinem letzten Artikel möchte ich mich dem Thema Overload, Melt- und Shutdown widmen. Nach ersten Recherchen bin ich tatsächlich überrascht, dass es im deutschen Sprachraum so wenig Geschriebenes gibt und selbst Autisten sehr wohl diese offensichtlichen Grundbegleiter kennen, aber sie begrifflich nicht genau zuordnen können.
Ich möchte es daher mal versuchen.

Es ist manchmal schwer auszumachen, wo genau die Grenze verläuft. In den einem Moment scheint noch alles OK.
Die äußeren Reize sind wie ein Rinnsal, ein leichtes dahinplätschern, das zwar wahrgenommen, aber nicht als störend empfunden werden. Dann merkt man, wie alles auf einmal lauter, greller, schriller wird. Das Rinnsal entwickelt sich zu einem Bach, schwillt an zu einem reißenden Strom. Ist da ein Rückzug nicht möglich, dann überlaste ich und da beginnt für mich der Overload.
Dann geht es auf einmal sehr schnell und der reißende Strom wird zu einem Wasserfall, das Hintergrundrauschen zu einem tosenden Sturm.
Dann ist das Kinderlachen nicht mehr so toll, der Kühlschrank geht einem auf die Nerven und das Auto hat sich zum Flugzeug gemausert.
Auch das Kuscheln ist auf einmal unangenehm. Die Berührungen, die vorher nur leicht unangenehm waren, nicht mehr zu ertragen.

Dieser Moment, wenn die ganze Flut auf mich einstürzt, ist für mich deutlich zu spüren. Wenn bei mir die Filter fallen. Wenn der Overload beginnt.

Der Overload (overload=Überlastung)

Der Overload ist im Kern eine „sensorische“ Überbelastung und würde ich so auch begrifflich einschränken. Overload selber äußern sich weder „aggressiv“ noch in einer völligen „Abschaltung“. Overload treten für mich an dem Punkt auf, wenn die äußeren Reize mich überfluten und ungefiltert auf mich einströmen und mich dann überlasten.
Das Maximale, was ich an diesem Punkt nach außen äußere, ist eine gewisse Gereiztheit, manchmal auch Abwesenheit und ein starker Wunsch die Reize zu mindern. Am besten geht das bei mir, indem ich einen ruhigen und abgedunkelten Ort aufsuche, in dem auch die Gefahr der Berührung minimiert ist. Den meisten geläufig als sogenannter Rückzug.

Manchmal brauche ich es dann ganz ruhig, manchmal sind in diese Phase durchaus Geräusche erlaubt. Aber es müssen vorhersehbare Geräusche sein. Für mich meine Musik. Ich persönliche höre sehr strukturierte Musik. Mit unruhiger Musik kann ich in solchen Momenten gar nichts anfangen. Meist ist es dann immer derselbe Song, den ich immer und immer wieder laufen lasse. Durch Selbststimmulierung, auch sogenanntes stimming, lässt sich ein Overload ein Stück weit hinauszögern oder auch regulieren. Mir persönlich hilft Schaukeln und oder schnalzen (wenn ich alleine bin) oder etwas unauffälliger ein Wippen meines rechten Beines (eine Art seitwärts schaukeln). Manchmal sitze ich sozusagen auf meinen Händen, beiße von innen auf die Lippen oder reibe meinen Handrücken. Meist versuche ich mich schon vor einem Overload zurückzuziehen. Aber es gibt manchmal Situationen, wo das nicht geht.

Ist in dieser Phase ein Rückzug nicht möglich und helfen auch die anderen Maßnahmen nicht mehr, dann beginne ich langsam damit zu fokussieren. Ich halte mich mit aller Kraft am Funktionieren. Konzentriere mich ganz auf das, was ich gerade mache. Man kann es am ehesten mit einem Tunnelblick vergleichen. Spätestens an dieser Stelle ist dringend ein Rückzug angeraten sonst reißt mich der Wasserfall wie ein Strudel in die Tiefe. Danach gibt es kein Entrinnen mehr, es folgt unweigerlich der Shutdown.

Während des Diagnosegesprächs für meinen Sohn konnte ich das gut bei mir beobachten. Ich konzentrierte meinen Blick immer mehr auf die Ärztin, nahm irgendwann ihre Gestalt nur noch schemenhaft war, konzentrierte mich dann auf ihre Stimme und die Fragen die sie mir stellte. Im Grunde verabschiedete sich bei mir ein Sinn nach dem anderen. Das letzte was ich noch wahrnahm war das hören, wobei ich da den Sinn des Gehörten schon gar nicht mehr begreifen konnte. Meine Gedanken kreisten ständig darum, wie ich möglichst schnell aus dieser Situation komme und dieser Gedanke wurde immer lauter und immer dringlicher.
Der Nachteil am hinauszögern oder auch am Funktionieren halten ist, dass es die Auswirkungen eines Shutdown erheblich verstärken können.

Der Shutdown (shutdown=Abschaltung, der totale Rückzug in sich selbst)

Er ist bei mir oft eine Folge aus einem Overload, wenn der Rückzug nicht möglich ist oder wenn ich mich am funktionieren halten muss, weil z.B. das Gespräch wichtig ist oder weil ich erst noch nach Hause kommen möchte.
Aber nicht immer ist ein Overload ein Auslöser, auch wenn ein Shutdown immer von einem Overload begleitet wird.
Manchmal ist auch Stress der Auslöser und je nach Tagesform kann dies dann dazu führen, das etliche Stufen übersprungen werden. Dann reicht unter Umständen eine Planänderung, ein zusätzlicher Stressfaktor um das ganze wesentlich zu beschleunigen.

Ein Shutdown ist ein völliger Rückzug. Ein „Abschalten“. Ich bezeichne das oft als meinen inneren Raum. Das kann an Ort und Stelle sein. Man rollt sich dann einfach in eine Ecke oder an einen Wegesrand und ist nicht mehr ansprechbar. Im Idealfall flüchte ich mich an einen sicheren Ort. Dort muss es dunkel und still sein. Das kann mein Raum oder das Bett sein. Ich nehme dann äußere Reize nur noch gedämpft und wie durch einen Schleier wahr. Es kommt mir jede Bewegung bleiern vor und unheimlich langsam. Wie in Zeitlupe. Meine Reaktionszeit verlängert sich sehr stark und in dieser Phase neige ich stark zum Mutismus. Wenn ich doch versuche zu reden, dann lalle ich sehr schwer und mehr als einzelne Worte bekomme ich kaum über die Lippen.
Ein Shutdown dauert bei mir in der Regel etwa 30-60 min. Dann tauche ich langsam wieder auf.
Man kann dann aber nicht sagen, ich wäre danach wieder völlig hergestellt. Reden fällt mir dann nach wie vor schwer. Ich bekomme dann meist sehr starke Kopfschmerzen und meine Sinne sind auf das Äußerste gespannt. Dieser Zustand kann sich dann noch 2-3 Stunden hinziehen. Aber ich nehme meine Umgebung wieder wahr und reagiere auch wieder. Am besten funktioniert bei mir in der Phase das schreiben. Ich beginne da meist schon zu analysieren. Die darauf folgenden 2 Tage, ich benenne diese Zeit immer als Nachwehen, bin ich insgesamt sehr empfindlich mit meinen Sinnen und meist sehr stark mit mir selbst beschäftigt.

Der Shutdown ist eine Variante der Reaktion, die bei mir häufiger vorkommt als der Meltdown.

Der Meltdown (meltdown=Kernschmelze, der Wutausbruch)

Der Meltdown ist eigentlich irgendwo zwischen dem Overload und dem Shutdown angesiedelt aber bei mir sehr selten. Wie bei dem Shutdown kann er durch einen Overload aber auch durch Stress ausgelöst werden. Ich erinnere mich tatsächlich nur an wenige Situationen, in denen es bei mir zu derartigen Ausrastern kam. Ich verhalte mich dann wie eine Furie und schreie hysterisch. Das schlimme ist, ich merke es sogar, das ich mich völlig daneben benehme, aber ich habe in dem Moment keinerlei Kontrolle darüber. Ich greife nie jemanden an. Meist verhalte ich mich dann eher Autoaggressiv. Verletze mich selber um mich zu spüren. Es ist ähnlich wie bei einer taktilen Wahrnehmungsstörung, wenn ein starker Gegendruck der leichten Berührung entgegenwirken kann und so den Schmerz mindert. So kann das selbst verletzen manchmal helfen den Schmerz der Reizüberlastung zu mindern oder den Stress zu reduzieren. Es ist dennoch etwas, das für mich nicht erstrebenswert ist und so versuche ich meist den Impuls zu unterdrücken oder zumindest umzulenken. Manchmal weiß ich mir dann nicht anders zu helfen, als das ich Gegenstände wissentlich kaputt schlage. Wenn ich Glück hatte, waren es nicht all zu teure Gegenstände. Ich erinnere mich an einen Fall, an dem ich einen Schuh derart nach hinten pfefferte, das die Glasscheibe der Tür zerbrach (und es war recht dickes Strukturglas).

Ungemütlich wird es dann, wenn man mich an einem Rückzug hindert oder die Situation missversteht und versucht mich festzuhalten. Entgegen der Situation, wo ich mich versuche am Funktionieren zu halten, wo ich ja selber der Auslöser bin, hindert mich nun jemand eine Situation zu beenden, die für mich unerträglich und schmerzhaft ist. Dann kann es passieren, das ich um mich schlage, wegstoße oder aus Versehen Dinge kaputt trete. Im Grunde will ich eigentlich nur weg, und solange man mich daran nicht hindert, werde ich niemals handgreiflich. Erschreckend beim Meltdown ist, wie schnell das manchmal kommen kann und wie schnell er genauso auch wieder vorbei sein kann. Bei mir folgt in der Regel dem Meltdown immer ein Shutdown mit all seinen Begleiterscheinungen.

Insgesamt ist das ein Versuch bei mir die Abstufungen darzustellen. Im Grunde sind die Übergänge fließend und nicht immer in genau der Reihenfolge. Oft überspringe ich auch mal die ein oder andere, in extremen Fällen auch mehrere Stufen.
Ich persönlich versuche meist durch Stereotypien, stimming und anderen Hilfsmitteln, es gar nicht erst so weit kommen zu lassen. Kann ich es nicht aufhalten, dann rette ich mich irgendwie über den Tag, bis zumindest die Kinder im Bett sind. Lasse alles fallen, was unwichtig ist, und fokussiere auf meine Kinder. Das ist zwar sehr anstrengend, aber machbar.
Ich achte immer darauf, dass nicht all zu viele Termine aufeinanderfolgen. Bei wichtigen Gesprächsterminen handhabe ich es meist so, das jemand hier ist und mir mit den Kindern hilft. Dann kann ich mich um mich kümmern. Ich vermeide Situationen, die mich überlasten könnten und plane immer genügend Ruhephasen ein.
Meine Kinder wissen recht gut mit mir umzugehen und wissen, dass Mama ab und an Ruhe braucht.
Es ging mir hier in dem Bericht vor allem auch um die Begrifflichkeit. Dass eben der Overload eine Überreizung ist, der Meltdown ein Wutausbruch und der Shutdown das Abschalten. Bisher gibt es im deutschen Sprachraum kaum eine genaue Abgrenzung der Begrifflichkeit. Ich weiß nicht, ob mir das hier gelungen ist. Aber, ich hoffe doch.

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english version

Man hört nicht auf Autist zu sein, nur weil man erwachsen geworden ist

08 Montag Apr 2013

Posted by maedel in mein Autismus

≈ 9 Kommentare

Schlagwörter

AS, Asperger Autismus, Asperger Syndrom, Autismus, Autismus-Spektrum-Störung, Hochfunktionaler Autist

Momentan ändert sich vieles bei mir. Im Grunde mein ganzes Leben. Ich kann schlecht planen. Vieles ist ungewiss.
Die ganze Situation macht mich sehr unsicher und nicht nur mich. Auch meinen autistischen Sohn.

Was ist das mit den Veränderungen?

Ich hatte mal darüber berichtet, wie das bei mir mit den Routinen ist. Das mein strukturierter Tagesablauf, meine Routinen und meine geplanten Abläufe sehr wichtig sind. Schwierig sind für mich Veränderungen. Ich persönlich kann schlecht mit Veränderungen umgehen, was allerdings bei jedem Autisten auch wieder anders sein kann.
Es ist wie eine Perlenkette. Das Beispiel anhand einer Perlenkette hab ich mal von Autzeit erzählt bekommen. Da es sich bei mir aber ein wenig anders verhält, beschreibe ich es mal anhand der Perlenkette, wie sich das bei mir darstellt. Zunächst fädelt man eine Perle nach der anderen auf und sie ergeben ein Muster (planen) für den Tag. Fällt nur eine Perle heraus, dann ist das Muster zerstört. Man sucht zunächst die Perle und muss von vorn beginnen. Insofern man die Perle findet.
Mir persönlich ist es möglich da weiter zu machen. Aber es erfordert immens Kraft. Denn nun läuft jeder Handgriff bewusst ab und muss bedacht werden. Ich muss nun immer wieder genau überlegen, welche Perle als Nächstes an der Reihe ist.
Routinen sind in meinen Augen Automatismen, die es mir einfacher machen, in meinem Alltag zurechtzukommen. Ich persönlich kann manchmal schlecht mit Veränderungen umgehen, manchmal besser. Es kommt immer auf die Situation und meine Tagesform an.
Manchmal kann ich dennoch weiter machen. Aber es läuft dann alles auf der bewussten Ebene ab. Ich muss mir dann jeden weiteren Schritt bewusst überlegen. Dadurch wird alles sehr langsam und anstrengend.

So kann es mich durcheinanderbringen, wenn man den Einkaufszettel kurzfristig ändert. Wenn ich einen Einkaufszettel schreibe, dann gehe ich im Kopf immer den Laden durch. Das bestimmt dann auch die Reihenfolge, in der die Besorgungen aufgeschrieben werden. Wenn nun was geändert wird. Dann steht es nicht mehr in der richtigen Reihenfolge und ich muss meinen Rundgang im Kopf von vorn beginnen. Das kann durchaus eine Weile dauern.
Werde ich unplanmäßig in einen Laden geschickt, den ich nicht kenne. Zum Beispiel, weil ich etwas in einem Laden holen soll, der auf meinen Weg liegt. Dann macht es mich unsicher und sehr nervös, weil ich dann möglichst genau wissen will, wo ich was finde, wie es genau bezeichnet wird und am besten noch die richtige Reihenfolge.
Noch komplizierter wird es, wenn ein bekannter Laden umgebaut wurde, oder, wenn das, was ich normal immer einkaufe, nicht an seinem Platz steht. Das kann mich dann ganz schnell überfordern. Vor allem auch deswegen, weil in Situationen wie diesen zusätzlich sehr viele Sinneseindrücke auf mich einströmen.
Ich habe wegen solch einer Unplanmäßigkeit mal einen Autounfall gehabt. Mit einem Tunnelblick Auto zu fahren war keine gute Idee. Dadurch habe ich zwar ein Auto am Rande gesehen aber nicht wirklich registriert.
Genauso, je nach Tagesform, reicht es manchmal schon, wenn ein Gespräch nicht planmäßig verläuft. Oder meine Morgenroutine gestört wird.
Je nachdem wie sehr verändert wird und wie meine Tagesform ist, kann mich eine Veränderung entweder völlig aus der Bahn werfen oder ich schaffe es unter Kraftaufwand den Ablauf weiter zu führen, bis ich mich sozusagen wieder auf sicheren Boden befinde. Also innerhalb meiner normalen Routinen.

Ein Weg in die Ungewissheit

Was ist aber nun, wenn sich so vieles auf einmal und grundlegend verändert, oder sich Dinge ereignen, für die ich noch keine Routinen entwickelt habe. Wenn ich meine Planungen auf andere stützen muss. So kann ich zwar meine Abläufe planen. Aber da halten sich nicht alle Menschen zwingend daran. Viele verstehen nicht, dass ich diese Abläufe brauche. Dass sie mir Sicherheit geben. Dass ich manchmal nur durch sie funktionieren kann.
Da muss so vieles geplant und bedacht werden. Ich plane auch immer mehrere Möglichkeiten ein. Das macht mich flexibler auch wenn dadurch mehr Vorarbeit nötig ist. Gerade wenn sich Planungen jedoch auf andere stützen, ist das immer ein großes Risiko. Das kann auch ein Navi sein, oder eben eine oder mehrere Personen. Wenn dabei etwas schief geht, überfordert mich das gänzlich. Ich weiß dennoch, dass ich es meist irgendwie unter immensen Kraftanstrengungen irgendwie schaffe. Außerdem habe ich gelernt, mit der Zeit doch mal Hilfe anzunehmen. Dennoch passiert es immer wieder, dass meine Planung nicht funktioniert.
So musste ich mal meinen Sohn zu einem Kindergeburtstag fahren in ein mir unbekanntes Gebiet. Ich musste an dem Tag mit einem anderen Auto fahren und hatte daher mein Navi nicht zur Verfügung. Das war jetzt noch nicht weiter schlimm. Ich hatte ja noch mein Navi im Handy (ich arbeite oft mit 2 Navis, falls eines ausfällt) und ausgerechnet an dem Tag fiel das Navi am Handy wegen eines Updates aus.

Nun, mein Sohn war völlig durch den Wind, weil es war ja ausgemacht, das wir dahin fahren und ich wollte ja diesen Termin auch einhalten. Also habe ich die Straßenkartenfunktion des Handys genutzt. Aber ich muss dazu sagen, das ich nicht mehr in der Lage war normal zu kommunizieren. Ich hab von Antritt der Fahrt bis Ende nur schreiend kommuniziert. Dort angekommen konnte ich nur noch meinen Sohn abliefern und ließ mich danach auf dem Bordstein neben meinem Auto nieder. Ich konnte weder nach Hause fahren, noch irgendeinen klaren Gedanken fassen. Wer weiß, wie lange ich da gesessen wäre, wenn mich nicht zufällig die Mutter des Geburtstagskindes gesehen hätte und dann ihren Mann bat, mich in bekanntes Gebiet zu lotsen.

Ich reagiere …

… auf Veränderungen sehr verschieden. Meistens reagiere ich nur sehr gereizt. Manchmal kann ich einfach nicht weiter machen oder ich brauche einen neuen Ansatz und muss neu planen. Wenn ich mich aber zwingen muss weiter zu machen, dann verbrauche ich viel Kraft. Eine solche Situation kann mich in einen Overload stürzen. Dann reagiere ich häufig mit einem abrupten Rückzug. Es gibt allerdings Situationen, wo ein Rückzug nicht möglich ist. Wo ich aus der Situation nicht einfach rauskomme. Dann kann es bis zu einem Wutanfall (Meltdown) gehen.

Normalerweise ist mein erster Gedanke immer die Flucht aus der Situation. Am optimalsten ist dafür mein sicherer Raum. Bis jetzt habe ich es fast immer geschafft, mich rechtzeitig dorthin zu begeben. Das Rausschieben hat nur einen Nachteil. Umso länger ich das rausschiebe, umso heftiger wird dann die Reaktion.
Wenn ein Rückzug nicht möglich ist, dann reagiere ich sehr gereizt. Eine normale Kommunikation ist in dieser Phase meist schon nicht mehr möglich. Hindert man mich allerdings an der Flucht, dann artet es in einen Wutanfall aus. Ich gerate in Panik.

Man stelle sich mal folgende Situation vor. Man ist in einem fremden Land und muss dringend auf die Toilette. Man kann die Sprache nicht sprechen. Kennt das Zeichen nicht. Kann sich also nicht vernünftig artikulieren. Man spricht Personen an und versucht ihnen zu erklären, dass man auf die Toilette muss. Mit jeder Minute, die dabei verstreicht, wird es immer dringender. Nun stelle man sich vor, die anderen verstehen einen nicht. Halte einen vielleicht sogar fest, weil man die Situation missversteht. Man stelle sich die Verzweiflung vor und den Schmerz. Ich glaube jeder weiß, wie weh es mit der Zeit tun kann, wenn man den Drang auf Toilette zu gehen zu lange hinauszögert. Würdet ihr nicht auch irgendwann vor lauter Verzweiflung losbrüllen und euch losreißen?

Ich weiß noch, dass ich als Kind mal nicht gespritzt werden wollte. Das war vorher mit mir so nicht abgesprochen. Sie haben mich zu viert festhalten müssen und dennoch habe ich einiges in der Praxis an dem Tag demoliert. Ich muss dazu sagen, dass ich nie handgreiflich werde. Es sind reine Abwehrmechanismen. Man muss mich ja eigentlich nur gehen lassen. Vor allem sollte mich dann aber niemand festhalten und schon gar nicht eine fremde Person. Ich brauche dann einfach nur Ruhe. Aber es kann dann schon sein, das ich um mich trete, wegschucke und schlage, wenn ich festgehalten werde und dabei können Dinge auch kaputt gehen. Das ist nicht gewollt. Denn eigentlich will ich nur da weg. Raus aus der Situation, die für mich unerträglich ist. Die mir wehtut, weil ich angefasst werde. Weil meine Augen wehtun, mein Kopf.

Im Normalfall ziehe ich mich immer rechtzeitig zurück. Der Shutdown (totaler Rückzug in mich selbst) kommt bei mir weit häufiger vor als der Meltdown (Wutausbruch).
Es gab auch schon Situationen, in denen ich manche Schritte dahin komplett übersprungen habe und direkt in den Shutdown gegangen bin. Das ist normalerweise sehr selten.

Nur in letzter Zeit befinde ich mich sehr häufig an meinen Grenzen. Overloads sind fast an der Tagesordnung.
Dazu kommen massive Veränderungen auf mich, auf uns zu. Viele meiner Routinen werden dadurch erst mal zerstört sein. In der ganzen Aufregung muss ich es möglichst schnell schaffen, neue Routinen, neue Abläufe zu entwickeln. Meine altbekannten Wege werden sich verändern. Mein ganzes Leben.
Ich muss irgendwann einen Weg finden, meine Tagesbelastung wieder auf ein normales Maß zu bringen. Aber das wird erst gehen, wenn ich das alles hinter mich gebracht habe.
Vielleicht ist es auch tatsächlich angebracht eine Therapie zu beginnen. Damit ich lerne, mein Umfeld autismusgerecht zu gestalten. Das wurde mir zumindest nach der Diagnostik empfohlen. Vielleicht ist es sogar nicht verkehrt, über eine Betreuung nachzudenken.
Nur leider scheinen die Angebote für Hilfsmöglichkeiten für erwachsenen Autisten sehr spärlich gesät. Scheinbar geht man davon aus, das nur Kinder autistisch sein können.

Man hört nicht auf Autist zu sein, nur weil man erwachsen geworden ist!

Offener Brief zum Weltautismustag 2013

02 Dienstag Apr 2013

Posted by maedel in Projekte/Veranstaltungen

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Schlagwörter

AS, Asperger Autismus, Asperger Syndrom, Autismus, Autismus-Spektrum-Störung, Hochfunktionaler Autist, Weltautismustag, Weltautismustag 2013

logo-medien-autismus-330x105pxLogo „Autismus und Medien“ von dasfotobus

Wir sind Menschen

Es begann im Dezember mit der Berichterstattung über den Amoklauf in Newtown, die dazu führte, dass viele Autisten laut wurden, um sich Gehör zu verschaffen. Seither taucht „Autismus“ oder „autistisch sein“ immer wieder in einem völlig falschen Kontext auf.

In letzter Zeit nimmt es überhand, dass Politiker, Journalisten und Wirtschaftsbosse den Begriff Autismus missbrauchen, ohne darüber nachzudenken, welches falsche Bild dadurch von Autismus geprägt wird. Leider taucht der Begriff „autistisch“ meist im negativen Kontext auf, was ein Bemühen vieler Menschen, Autismus in der Gesellschaft bekannter zu machen, zunichte macht.
Betroffenen Menschen werden auf Grund solch schlecht recherchierter, diskriminierender und unüberlegter Aussagen mehr Vorurteile entgegen gebracht und es werden ihnen Eigenschaften zugesprochen, die mit dem, was Autismus ist, nichts mehr gemein haben.

Autisten sind Menschen mit ein paar besonderen Eigenschaften, die für die
Allgemeinheit eine Bereicherung darstellen können, sofern sich diese auf sie einlässt. Autisten sind dabei so verschieden, wie Menschen eben verschieden sind. Sie haben unterschiedliche Stärken, Schwächen, Begabungen und Interessen. Sie haben Gefühle, lieben ihre Familien und ihre Freunde. Und sie möchten geachtet und respektiert sein wie jeder andere Mensch auch.
Autisten leiden in der Regel nicht an ihrem Autismus, sondern an der Intoleranz und der fehlenden Akzeptanz ihres Umfeldes. Ja, Autisten haben Gefühle, manchmal sogar intensiver als andere. Sie können sie nur oft nicht ausdrücken. Manche Autisten zeigen ihr Innenleben reduzierter als andere. Autisten fällt kognitive Empathie oft schwer, also das reine Lesen der Gefühle anderer anhand nonverbaler Signale. Wenn sie jedoch wissen, wie sich das Gegenüber fühlt, zum Beispiel, weil es klar formuliert wurde, ist emotionale Empathie, also das Mitfühlen, meist kein Problem.
Zusammen kann es den Eindruck erwecken, dass Autisten weniger empathisch seien oder nicht an ihren Mitmenschen interessiert. Aber das ist in den meisten Fällen so nicht richtig und es verletzt Autisten oft gleichermaßen wie Nicht-Autisten, von einer Gesellschaft ausgegrenzt zu werden.

Daher ist eine breite Aufklärung über Autismus wichtig.
Dazu gehört, dass man über uns in der Presse gut recherchiert berichtet und die Begrifflichkeit korrekt anwendet.
Helfen Sie uns, über Autismus aufzuklären.
Unser Ziel ist es, dass wir miteinander reden statt übereinander.
Dass Psychiater, Psychologen, Kinderärzte, Therapeuten, Medienverantwortliche, Politiker und viele andere Menschen, die mit Autisten arbeiten oder über sie „urteilen“, sich einmal mit der Sichtweise der Autisten auseinandersetzen und davon profitieren.
Es wird Zeit, dass man endlich anfängt mit uns zu reden und nicht nur über uns.

Copyright by: Protestaktion zum Weltautismustag gegen dieVerwendung des Wortes „Autismus“ im Zusammenhang von Politik, Wirtschaft und Amokläufen

"Autismus ist nichts Erstrebenswertes, nicht heilbar und es ist ein Leben, das mich jeden Tag aufs neue fordert, in einer Gesellschaft zu bestehen, die nicht autistengerecht ist. Es ist mein Leben und nicht nur eine Diagnose." (Zitat Mädel)
"ABA ist das Lernen von absolutem Gehorsam ohne das Hinterfragen der Autoritätsperson" (Zitat Mädel)

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Kein MMS für autistische Kinder.

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