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~ Ich bin Asperger Autistin und hier sollen meine Gedanken Platz finden.

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Schlagwort-Archiv: Hochfunktionaler Autist

Offener Brief an Herrn Hüppe CDU/CSU

22 Montag Mai 2017

Posted by maedel in offene Briefe

≈ 23 Kommentare

Schlagwörter

ABA, Alternativen zu ABA, AS, Asperger Autismus, Asperger Syndrom, ASS, Autismus, Autismus-Spektrum-Störung, HFA, Hochfunktionaler Autist, Hubert Hüppe, NoABA, offener Brief

Sehr geehrter Herr Hüppe,

auf Facebook hatte ich die Diskussion über das „Fachgespräch der AG Gesundheit der CDU/CSU Bundestagsfraktion zum Thema *Autismusversorgung stärken*“ mitbekommen.
Dort hatten sie dazu aufgerufen, Ihnen Alternativen zur ABA/AVT Therapie zuzusenden.

Zunächst begrüße ich die Möglichkeit, diesbezüglich schriftlich mit Ihnen in Kontakt treten zu können, da mir als Autistin direkte Kommunikation schwer fällt. Die schriftliche Kommunikation wird daher von vielen AutistInnen bevorzugt und da liegt nachweislich eine unsere Stärken. Nur wenige können, mit gewissen Einschränkungen, mehr leisten. Soweit ich weiß, hatte ein Mitstreiter von mir auch seine Gesprächsbereitschaft signalisiert, wurde aber wieder ausgeladen. Schade, denn er hätte sehr viel zu diesem Thema aussagen können.

Bevor ich jedoch Ihrer Bitte nachkomme, möchte ich Ihnen kurz erklären, warum die Gemüter mancher AutistInnen speziell zu diesem Thema so hochkochen.
Das ist notwendig, damit Sie auch alles weitere verstehen können.

Auch ich kenne das Programm das speziell Autismus Deutschland mithilfe von therapeutischen Zentren einführen möchte. Ich war damals bei einer Infoveranstaltung in Nürnberg, wo uns Herr Nolte von den Neuigkeiten unterrichtete.
Schon da gab es viele Kritikpunkte an der Idee und gerade von AutistInnen selber.

Unter dem Deckmantel der Wahlfreiheit versucht Autismus Deutschland schon seit geraumer Zeit, auch über die politischer Ebene, ABA in Deutschland salonfähig zu machen.
Wir hatten, wie Sie dem offenen Brief an die EU entnehmen können, noch versucht uns Gehör zu verschaffen, wurden aber nur von einer Stelle zur nächsten verwiesen und mussten uns ohne Ergebnis und Einladung geschlagen geben. In diesem Zuge verstehen Sie vielleicht dann auch die Verbitterung unsererseits, wenn mal wieder Veranstaltungen ohne uns abgehalten werden.

In diesen Zentren, so die Idee, sollen diverse Therapieangebote bereitgestellt werden, darunter eben auch das unter AutistInnen höchst umstrittene ABA (Applied Behaviour Analysis).
Hört sich erstmal gut an, solange man nicht weiß, wie ABA arbeitet.

ABA sieht vor, dass idealerweise die komplette Wachphase des Kindes zur Therapie genutzt wird. Und das nicht nur von den Therapeuten selber, sondern auch von Co-Therapeuten (die gerade mal einen Wochenendkurs dazu besucht haben und auch nicht immer über eine pädagogische bzw. psychologische Grundausbildung verfügen müssen) und den Eltern.
Die große Kritik an diesen Zentren ist daher verständlich. ABA lässt gar keinen Platz für andere Möglichkeiten!
Ganz zu schweigen von unserer grundsätzlichen Kritik an ABA, die ich hier aber aus Platzgründen nicht ganz ausführen kann.

Die AktionMensch hat über einen langen Zeitraum diese Therapieform gefördert und dem Einsatz vieler AutistInnen und Eltern autistischer Kinder ist es zu verdanken, dass dies beendet wurde, weil die unsere Kritik an der ethischen Ausrichtung durch die Anbieter und Verfechter nicht entkräftet werden konnte.

Um nochmal auf den Deckmantel der vermeintlichen Wahlfreiheit zurückzukommen, auf die sich Autismus Deutschland so gerne beruft. Es stimmt schon.
Es gibt viele Eltern, die ausdrücklich diese Therapie, sagen wir zulassen, da sie sich ein „besseres Leben“ für ihre Kinder wünschen.
Ich kann diese Eltern zum Teil sogar verstehen, da ich selbst Mutter von frühkindlichen Autisten bin, die lange Zeit nonverbal waren. Ich kann ihre Ängste verstehen und da sie nur ihre Art zu leben kennen, haben sie Schwierigkeiten damit, zu akzeptieren, dass AutistInnen mitnichten auf biegen und brechen an soziale Konventionen angepasst werden müssen, und trotz allem ein vollwertiges und glückliches Leben führen können. Diesen verzweifelten Eltern wird von den Therapeuten auch nicht gesagt, dass AutistInnen von sich aus lernen können.
Leider geschieht oft genau das Gegenteil. Es werden Prognosen von Ärzten und Therapeuten erstellt, dass ohne diese Methode das Kind niemals auch nur die geringsten Kulturtechniken erlernen könnte.  Sie brauchen nur Zeit und oft eine andere Herangehensweise, auf die ich aber erst später eingehen möchte.

Zunächst ist es wichtig zu verstehen, warum Eltern sich manchmal für diese Form der Therapie entscheiden. Sie bietet nunmal schnelle erste Erfolge, die aber zu Lasten der autistischen Kinder gehen, da sie so nur lernen, sich dem Erwartungsdruck andere zu beugen und eigentlich nur falsch sind, so wie sie sind.
Meist geht es nichtmal um basalste Fähigkeiten, wie es ABA Therapeuten gerne herausstellen. Es geht darum, das der Autist nicht mehr mit den Händen wedelt, um Freude auszudrücken.
Er lernt Gehorsam zu zeigen, indem man ihn nur dann sein Spielzeug gibt, wenn er etwas getrunken hat. Er lernt sich nicht mehr im Kreis drehen zu dürfen oder seine Stift im Unterricht zu drehen. Das sind Stimmings, die AutistInnen eigentlich dringend benötigen, um Ordnung in das Chaos im Kopf zu bringen und das wird vollständig ignoriert.

An der Stelle würde ich sogar Zentren tatsächlich begrüßen. Diese Zentren gibt es übrigens schon. Sogenannte Autismuszentren, abgekürzt ATZ. Leider noch viel zu wenige und leider sind da einige mit der Gangart von Autismus Deutschland einig.
Meist liegt es auch dort daran, dass viel zu wenig auf AutistInnen selbst gehört wird. Es wird von außen das Kind betrachtet und es werden ausschließlich die Defizite benannt.
Stattdessen sollten sie eher dafür zuständig sein, Eltern dabei zu helfen zu akzeptieren und ihnen erklären, wie AutistInnen lernen und denken.
Das wäre der erste wichtige Schritt um ihren Kindern langfristig wirklich zu helfen. Dadurch kann eine Arbeit mit dem autistischen Kind etabliert werden, die stärkenorientiert ausgerichtet ist.

Diese Freiheit wird Ihnen aber oftmals nicht gelassen. ABA Anhänger spielen mit den Ängsten der Eltern und sind dabei sehr geschickt in ihrer Rhetorik, die auf höchst emotionaler Ebene geführt wird.
Dabei springen sie stets von einer Variante des Autismus, die sie als die schlimmste und schwerste Form bezeichnen zur nächsten. Von dem Autisten der gar nichts kann (nicht einmal basalste Fertigkeiten, wie Anziehen, Essen, auf das Klo gehen etc. Dinge, die Eltern massiv Angst machen können) zum dem Autisten der befähigt werden soll/muss unauffällig am Unterricht teilzunehmen oder bereits mit 6 Jahren selbstständig beim Bäcker um die Ecke einkaufen gehen zu können.
Es werden engmaschige und kleinschrittige Therapiepläne anhand der Defizite erstellt an deren Umsetzung dann sehr viele Menschen (Therapeuten, Co-Therapeuten, Schulbegleiter, Coaches, Eltern, also das gesamte Umfeld des autistischen Menschen) beteiligt sind. Es wird nur das zu verändernde Verhalten gesehen aber nur in den allerseltensten Fällen nach den Gründen und der Funktion des Verhaltens geschaut.

Wo bleibt denn da die sogenannte Wahlfreiheit, wenn Eltern auf diese Weise vermittelt wird, dass ihr Kind niemals ein normales und erfülltes Leben führen kann?

In NRW gibt es mehrere ATZ die ABA bzw. AVT anbieten und damit den Standard setzen. Den Kostenträgern wird eine Machbarkeit vorgegaukelt, welche diese dankend annehmen. Immer unter der Prämisse, dass mit dieser Art der (Früh)Förderung möglichst schnell kostensenkend gearbeitet werden könnte. Es wird der Anschein erweckt, dass nach dieser intensiven Förderung Hilfen zurückgefahren oder eingestellt werden können.
Das geht soweit, dass freie Träger von Therapie und Schulbegleitung sich dem Trend entweder anschließen und entsprechend geschultes Personal einsetzen müssen oder schlicht keine Aufträge mehr von den Kostenträgern erhalten. Da bleibt den Eltern keinerlei Wahlfreiheit mehr bzgl. Therapie und anständiger Hilfestellung durch Schulbegleitung in der Schule.
Selbst Lehrkräfte und Sonderpädagogen und leider einige Autismusbeauftragte üben hier entsprechend Druck auf Eltern und Anbieter aus.

Das alles sollte man wissen. Denn dann verstehen Sie vielleicht, warum Frau Kaminski lieber nur eigene Ansprechpartner mitnehmen wollte. Warum Autismus Deutschland in Persona Frau Kaminski und nebenbei auch Frau Klemm immer schon vehement alles dafür getan haben, damit AutistInnen selbst nicht zu Wort kommen können.

Frau Kaminski ist auch nur Mutter eines Autisten und sie will auch nur das „beste Leben“ für ihr Kind. Wenn Sie hier den Zusammenhang zur oberen Erläuterung über die Eltern ziehen, verstehen Sie was ich meine.
Es ist unbestritten, dass Frau Kaminski viel für Autismus Deutschland und die Vernetzung der einzelne Verbände getan hat und das soll ihr auch honoriert werden. Sie ist sehr wohl gegen ABA, jedoch hat es den Anschein als wäre es das kleinere Übel für sie, sich mit der ABA -Fraktion zusammen zu tun als sich mit erwachsenen AutistInnen auseinandersetzen zu müssen.
Zumal die ABA-Anhänger, wie gesagt sehr geschickt in ihrer Rhetorik sind und manchmal hat es den Anschein, dass ihr gar nicht bewusst ist, welcher Fraktion sie sich da angeschlossen hat.

Es ist jedoch nicht im Sinne der AutistInnen, nicht gehört zu werden, zumal es ja eigentlich der Verband für die Vertretung ihrer Interessen sein soll. An der Stelle liegt sie einfach falsch und das kann sie auf Dauer auch nicht ausblenden, indem sie uns AutistInnen die Fähigkeit abspricht, für uns selbst sprechen zu können.

In diesem Zuge ist es auch kein Umstand, über den ich mich wundern könnte, dass Frau Kaminski ganz zufällig vergessen hatte zu erwähnen, dass jüngst eine Autistin und Mutter eines autistischen Kindes aus unseren Reihen in den Vorstand von Autismus Deutschland gewählt wurde. Denn diese hätte sehr wohl ebenfalls zu dem Thema gehört werden können.
Aber da diese Autistin zum Verband Mittelfranken gehört, dürfte Frau Kaminski sehr wohl klar sein, welche Position Frau Birke Opitz-Kittel in dieser Diskussion einnimmt. Der Verband Mittelfranken hat übrigens schon vor einiger Zeit sich Gedanken gemacht, wie Eltern besser angebotene Therapieformen bewerten können.

Frau Klemm hingegen, ebenfalls wie Frau Kaminski Mutter eines Autisten, lehnt ganz offen die Zusammenarbeit mit erwachsenen AutistInnen ab, dies haben wir in vielen Diskussion erleben müssen.
Sie lässt sich nebenher zur BCBA (ein Titel aus den USA für ABA-Therapeuten welcher in Deutschland nicht anerkannt ist) ausbilden. Die Ethical Codes für ABA Therapeuten sehen übrigens vor, dass jeglichem Kritiker von ABA mit vollem Einsatz entgegengetreten werden muss  dies beinhaltet auch von jeher den direkten Kampf gegen uns Autisten, die für sich selbst sprechen wollen.
Aussagen wie „Autisten ohne ABA Therapie werden zu narzisstischen Persönlichkeiten“ sagen viel über ihre Grundhaltung uns gegenüber aus und neben Herrn Röttgers (Lehrtätigkeit an der FH Münster und 2. Vorsitzender von ifa Bremen) und Herrn Lechmann (Leiter des ATZ Köln) die ebenfalls sehr für die flächendeckende Einführung von ABA kämpfen, hat sie ein gewisses finanzielles Interesse an solchen Zentren.
ABA wird immerhin sehr gut bezahlt und wegen der hohen Therapiestunden und der Ausbildung von Co-Therapeuten und Schulbegleitern und dem Coaching von Eltern und so weiter ist es ein ein sehr lukratives Geschäft.

Das alles sollten Sie wissen, um sich eine wirkliche Meinung bilden zu können. Zugegeben war die Art, wie man versucht hatte, es Ihnen zu vermitteln etwas daneben gegangen, aber vielleicht auch verständlich, nachdem was wir teilweise in den letzten Jahren schon erlebt haben.
Immerhin stellt für viele AutistInnen das Thema, nebst der Erwähnung von Frau Kaminski und Frau Klemm ein gewisses rotes Tuch dar.

Trotz allem finde ich es toll und wichtig, dass sie uns auch die Möglichkeit geben wollen, uns ausdrücken zu dürfen und diese Chance will ich hier ergreifen und versuche daher in Ruhe zu erklären, wie AutistInnen sich eine gute Versorgung für die verschiedenen Altersbereiche mit den verschiedenen Anforderungen vorstellen.

Welche Alternativen gäbe es zu ABA

Das ist leider nicht in Kürze zu beantworten und ich entschuldige mich an dieser Stelle für die enorme Länge meines Briefs.
Aber ich will versuchen Ihnen diese Frage so gut ich kann zu beantworten. Natürlich stelle ich mich in diesem Zuge auch gerne für weitere Nachfragen zur Verfügung, da ich lange nicht alles bis ins kleinste Detail ausführen kann. Es würde sonst den Rahmen hier sprengen.

Um zu verstehen, welche Alternativen es geben würde, sind zwei Dinge von Nöten.
Zum einem ein Grundverständnis von Autismus und wie AutistInnen lernen und wahrnehmen.

Autisten lernen aus dem Verstehen heraus. Meiner Erfahrung nach, am besten über das logische Verstehen.
So mag es vielleicht länger dauern, aber auf diese Art kann man auch eher sicher stellen, dass Erlerntes zumindest bis zu einem gewissen Grad übertragbar in andere Situationen sein kann. Natürlich kann es auch dann zu Situationen kommen, an denen wir als AutistInnen alles abbrechen, da wir völlig überfordert sind, einfach weil es anders läuft als geplant.
Aber durch das Verstehen können wir uns wesentlich besser und facettenreicher auf solche Situationen vorbereiten.
Nicht die andauernde Wiederholung von kleinen Einzelteilen bringt Erfolg.
Vielmehr ist es wichtig, dass Autisten verstehen lernen. Dazu braucht es Ruhe, Geduld und Zeit. Viele Dinge müssen über lange Zeit angeleitet und immer wieder erklärt werden.

Autismus ist eine tiefgreifende Entwicklungsstörung. Das heißt, Autisten entwickeln sich an manchen Stellen langsamer oder meist einfach nur anders.
Das heisst aber auch, dass Autismus nicht Entwicklungsstillstand bedeutet.
ABA macht vor allem die Sprachentwicklung zum Grundpfeiler ihrer Therapie, da sie so am schnellsten Zugang bekommen. Meinen sie zumindest. Aber selbst nonverbale AutistInnen drücken sich aus und lernen. Aber eben in ihrem ganz eigenen Tempo und eigener Struktur. Diese muss man individuell erkennen und so ist es tatsächlich möglich, AutistInnen bei ihrer Entwicklung langfristig zu unterstützen.

Dazu benötigt man keinen Druck. Eigentlich nur viel Zeit und eine genaue Beobachtungsgabe. So hat es bei mir auch eine Weile gedauert, bis ich herausfand, dass mein nonverbaler Sohn rein visuell lernt.
Lesen lernte er auf einer Sprachheilschule und selbst da fand man einfach keinen Zugang dazu, wie er Sprache lernen könnte. Es ist gar nicht so einfach, einem Kind so schreiben und lesen beizubringen.
Er verstand einfach nicht, was wir von ihm wollten. Was sollte das mit diesen Bildern und was sollen das für Laute sein. Warum sollte dieses Bild ein A sein. Das ist doch nur ein Bild mit Diagonalen und Querstrichen. Gerade diese neue Form des Lesen lernens bereitete ihm Probleme, da er einfach nicht verstand, dass man Laute bilden soll, die man letztendlich auch zusammenziehen muss. Ein Bild sagt doch so viel mehr aus.
Es hat lange gedauert, bis ich verstand, dass er rein visuell lernt und in Bildern denkt. Erst musste ich ihm beibringen, diese Bilder zu übersetzen und dann musste ich ihm zeigen, was da eigentlich von ihm erwartet wird.
Ich habe es irgendwann geschafft. Mein Sohn konnte zuerst lesen und umso mehr er lesen konnte verstand er die Möglichkeiten, die ihm diese Fähigkeit boten.
Er ist sehr wissbegierig und Sprache bedeutete dann für ihn das Erschliessen von Unmengen an Wissen. Ab diesem Zeitpunkt brachte er sich über das Lesen selbst das Sprechen bei und seither redet er wie ein Wasserfall.
Er hat sich tatsächlich innerhalb von 2 Jahren vom Förderschüler zum Gymnasiasten hochgearbeitet und auch, wenn ihm Sprache immer schwer fallen wird, weiß er zumindest inzwischen, welche Bedeutung das für ihn hat.
Verbale Kommunikation ist demnach nicht immer der richtige Zugang. Bei meinem Sohn war es das Lesen.

Es gibt zu dem die unterschiedlichsten Formen von Kommunikation. Auch ein Mensch der nicht spricht, gerade kleine Kinder, kommunizieren. Bei gehörlosen Menschen würde niemand sagen, dass diese nicht lernen und verstehen können, nur weil diese nicht sprechen.
Es gibt zu dem die unterschiedlichsten Hilfsmittel um eine gegenseitige Kommunikation zu ermöglichen, es gibt Talker und das große Feld der unterstützten Kommunikation.

Da Autisten aber genauso individuell sind wie alle Menschen, versteht man vielleicht, wie schwer es sein kann, den richtigen Zugang bei dem einzelnen AutistInnen zu finden.
Manchmal lernen nonverbale AutistInnen auch nie zu sprechen. Manchmal auch erst, wenn sie erwachsen sind, weil sie dann erst die Notwendigkeit für sich selbst entdecken. Bis dahin gibt es viele andere Wege, auf denen sie kommunizieren können.

Das macht es so schwer, eine einheitliche Therapie zu finden. Dazu kommt die Dauer. Für manche ist das nicht schnell genug oder man muss ja schnelle Erfolge vorweisen können. Meist sieht man vor lauter Fokussierung nichtmal, dass bereits Entwicklungsschritte gemacht werden und manchmal geht es auf einmal sehr schnell. Das betrifft dann auch nicht nur die Sprache.

Manchmal hängen Entwicklungsschritte zusammen.
So hat mein anderer Sohn lange nicht verstanden, dass, wenn man den Raum verlässt, die Person nicht weg ist. Das sie nur in dem anderen Raum gegangen ist.
Ein Schritt, den Kinder normal in den ersten Monaten machen, der bei meinem Sohn erst sehr viel später kam.
Sehr langsam und sehr behutsam konnte ich es ihm beibringen, indem ich mich immer wieder ein weiters Stück von ihm entfernte. Das ging über Monate. Dabei blieb ich immer über meine Stimme in Kontakt mit ihm. Zwischen den Schritten ließ ich ihn immer erst an die neue Situation gewöhnen, damit keine Panik bei ihm aufkam.
ABA oder auch Verhaltenstherapeuten arbeiten an der Stelle gern mit Druck. Manchmal auch deswegen, weil Situationen völlig falsch eingeschätzt werden und eher ein oppositionelles Verhalten statt Angst gesehen wird. Dadurch lernt ein Kind dann aber nur, dass es solche Dinge zu ertragen hat.
Und auf Dauer, dass sein Verhalten unerwünscht, falsch und seine Angst irrelevant ist.

AutistInnen sollten auf ihren Weg unterstützt werden und vor allem ohne Druck. Sie sollen lernen Ich zu sein. Ein vollwertiger Mensch mit allen Rechten und Möglichkeiten. Unterstützende Therapien wie Ergotherapie oder Logopädie gibt es schon, aber leider fehlt es an Therapeuten, die Autismus verstehen und dementsprechend ihr Konzept für jedes autistische Kind neu aufstellen.

Es gibt auch das TEACCH-Konzept, dass eine unterstützende Funktion in der Entwicklung des autistischen Kindes einnimmt. Wobei ich hier deutlich vom TEACCH-Programm Abstand nehmen möchte, da dieses von der Konzeption her wieder dem ABA sehr ähnlich ist.
Denn leider kann man eigentlich alle Therapieformen dazu missbrauchen, AutistInnen sozialkonform zu machen.

Die Frage ist daher weniger, welche Alternativen es gibt, denn da gibt es einige. Sondern eher, welche Intention steckt wirklich dahinter

Geht es wirklich darum, dem Autisten zu helfen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen und ihn auf seinen Weg zu unterstützen oder vielmehr darum, ihn möglichst schnell in soziale Normen zu pressen, damit er weniger Arbeit macht und weniger auffällig ist.

Das ist hier die Frage, die man sich wirklich stellen sollte!

Denn nichts anderes ist ABA und andere hochmanipulatorsiche Therapien. Es sind Therapieformen, die unerwünschtes Verhalten löschen, um erwünschte sozialkonforme Verhaltensweisen anzutrainieren ohne das der Autist versteht warum.
Aber vor allem sind es Therapieformen, die nach den Wünschen der Eltern und des Umfeldes orientiert sind und oft wenden sie Therapeuten sogar gegen besseres Wissens an, nur weil die Eltern das so wollen.
Und hier beginnt für mich die Verantwortlichkeit der Therapeuten, die diese allzugern abwälzen.

So gibt es durchaus gute Ansätze bei anderen Therapieformen, aber leider haben alle angewandte Verhaltenstherapien eins gemeinsam.
Nicht das Kind entscheidet.

Eins darf dabei nicht übersehen werden.

ABA ist eine Verletzung der Rechte des Kindes auf seelische Unversehrtheit. Genauso wie auf das Recht auf Achtung vor der Unterschiedlichkeit von behinderten Menschen, als Teil der menschlichen Vielfalt. ABA verletzt aber auch das Recht auf eine eigenständige Entwicklung und Individualität und damit vor allem das Recht einfach man selbst zu sein.

Für den Übergang von Schule in Ausbildung, Arbeit und eigene Wohnung werden bereits in der Kindheit entscheidende Weichen gestellt.
Wenn das autistische Kind niemals erfährt, dass es so gut ist, wie es ist und kein Selbstbewusstsein aufgrund seiner Stärken entwickeln kann, wird dieser Schritt nicht von Erfolg gekrönt sein.
Es ist auch nicht richtig zu behaupten, dass nach der Schule keine weitere Unterstützung notwendig oder vorhanden ist.

Ein behutsames Coachen auf Augenhöhe mit den Autistinnen ist noch lange kein Standard. Ich selber habe erleben dürfen wie positiv mich diese Unterstützung voran gebracht hat.

Ich hatte vor etwa 3 Jahren eine ambulante Betreuung und in der Zeit, habe ich mich selbständiger gefühlt als je zuvor. Plötzlich habe ich, allein Dinge hinbekommen (auch wenn immer jemand unterstützend bei mir war). Ich war stolz darauf, konnte selbst bestimmen was wann gemacht wurde. Musste nicht darum bitten. Entgegen dem, wie ich hier wirken mag,brauche ich immer noch in sehr vielen Bereichen Unterstützung, weil ich nicht aufhöre Autist zu sein, ….

Zitat auf innerwelt

Diese Erfahrungswerte, was AutistInnen in der Kindheit geholfen hat und was geschadet, können nur erwachsene AutistInnen weitergeben. Konzepte die nicht auf eben diesen Erfahrungswerte beruhen können nicht zum Erfolg führen.
Ein offener Dialog ist dafür unbedingt notwendig.

Und es gibt einige AutistInnen die diesen Dialog gerne führen möchten. Dazu bedarf es des Wissens über solche Veranstaltungen und barrierefreien Zugang.

Hochachtungsvoll,

Beatrix Schweigert
autismuskeepcalmandcaryon
denkanders

Heute schweigen wir!

02 Sonntag Apr 2017

Posted by maedel in Projekte/Veranstaltungen

≈ 12 Kommentare

Schlagwörter

AS, Asperger Autismus, Asperger Syndrom, ASS, Autismus, Autismus-Spektrum-Störung, Heute schweigen wir!, HFA, Hochfunktionaler Autist, Weltautismustag

An allen anderen Tagen sind wir laut, doch am heutigen Weltautismustag schweigen wir Autist*innen und Eltern autistischer Kinder, denn gerade am heutigen Tag wird uns wiedermal die Stimme genommen. 

Organisationen wie Autism Speaks und nichtbehinderte Menschen, die für uns sprechen, sind am Weltautismustag besonders laut.

Oft vermitteln diese zudem ein Bild von Autismus, das weit entfernt von jenem ist, das Autist*innen von ihrem Autismus haben. Autismus wird als schweres Schicksal für die Familien dargestellt und eine möglichst vollständige „Heilung“ als das Ziel angesehen.

Fragt man Autist*innen, haben diese hingegen oft eine ganz andere Sichtweise. Sie wünschen sich zuallererst einmal Akzeptanz; und als Förderung dann Hilfen, um in der nicht-autistischen Welt zurechtzukommen.

Die für das Verständnis existentiell wichtige Innensicht können nur Autist*innen selbst vermitteln. Nonverbale Autist*innen und auch Kinder können oft nicht für sich selbst sprechen. Umso wichtiger ist es, dass andere Autist*innen, die dazu in der Lage sind, gehört werden.

Dabei gilt immer: Kennt man einen autistischen Menschen, dann kennt man nur einen. Daher sind viele Stimmen der Autist*innen wichtig. Je mehr Erfahrungen und Ansätze zu einem Problem angeboten werden, desto eher findet der autistische Mensch das Richtige für sich.

Fehlt die Innensicht, kommt es leicht zu Fehleinschätzungen durch das nicht-autistische Umfeld.

Wir wünschen uns, dass mehr auf Autist*innen und ihre Sichtweise gehört wird – von Eltern, Ärzt*innen, Therapeut*innen, Lehrer*innen, Schulbegleiter*innen und in den Medien.

Mit uns, nicht ohne uns. Denn nur so kann es ein umfassendes Bild von Autismus geben.

__________________________________________________________________

Aktion von:

Felicea
mundpilz
innerwelt
gedankenkarussel
fotobus
Outerspace Girl
Autismus – Keep calm and carry on
butterblumenland
quergedachtes

ABA -Therapeuten und ihre Verantwortlichkeit

17 Samstag Dez 2016

Posted by maedel in Meine Gedanken über Autismus, offene Briefe

≈ 6 Kommentare

Schlagwörter

ABA, ABA-Therapeuten, AS, Asperger Autismus, Asperger Syndrom, ASS, Autismus, Autismus-Spektrum, Autismus-Spektrum-Störung, HFA, Hochfunktionaler Autist, Therapie

Wenn man mit ABA Therapeuten diskutiert, fallen im Grunde immer die gleichen Argumente. Eines davon ist, dass diese Therapie inzwischen weiterentwickelt wurde und schon lange nicht mehr auf Strafe basiert und wir uns doch nur mehr für die Möglichkeiten öffnen sollten, die diese Art der Hilfe für Autisten bietet.

Man sieht an ihren Gedankengängen jedoch auch deutlich, dass sie nur wenig von dem verstanden haben, worum es uns Autisten, und auch mir im speziellen, bei unserer Kritik an ABA und jeder anderen darauf aufbauenden Therapie wirklich geht.
Natürlich geht es auch darum, dass Elektroschocks und der Einsatz von Verstärkern und der stetige Entzug dessen, was Autisten wirklich gerne tun, alles andere als human ist. Genauso geht es darum, dass eine Therapie von 20-40 Stunden oder idealerweise der gesamten Wachphase des Kindes einen extremen Einschnitt in die Lebensqualität bedeutet.

Aber, und hier ist das, was die Therapeuten allesamt anscheinend überlesen „wollen“: Es geht uns schon um den Ansatz.

Es schließt deswegen auch jegliche Therapieform ein, die zur Basis hat, autistisches Verhalten abzutrainieren, um gesellschaftskonform zu werden.
Bislang habe ich noch keine angewandte Verhaltenstherapie kennengelernt, an der sich diese grundlegende Kritik nicht anführen lässt. Das macht weder bei AVT, PCB oder PECS halt.

Ja, das „richtige“ ABA, wie es gern genannt wird, geht mit Bestrafung einher und das „neue“ ABA wäre nicht mehr so. Das sagen sie alle immer wieder. Und doch gibt es die Bestrafung noch immer. Nur viel subtiler und als solche ohne genaue Kenntnisse kaum noch zu erkennen. Heute arbeitet man mit Entzug von Spielzeug, oder dass man Sachen, die man gern tut, erst machen darf, wenn man gewünschtes Verhalten gezeigt hat. Das „humanere“ ABA – in Deutschland auch AVT genannt -, arbeitet mit Ignoranz und Essensentzug und verbietet notfalls Stimming.
Ich verlange nicht, dass nichtautistische Menschen verstehen, wie wichtig für uns derlei Dinge sind, aber zumindest akzeptieren sollten sie es, und man sollte uns auch als Menschen respektieren.
ABA verstößt gegen Grundrechte, Menschenrechte und Behindertenrechte, und umso schlimmer wird es, wenn es an Kindern ausgeübt wird.

Was mich massiv stört, ist das Relativieren. Mich regt in dem Zuge auf, dass die Therapeuten jeden Missbrauchsvorwurf an die Eltern abwälzen. Sie wägen sich dann außerhalb der Verantwortung, denn es obliegt ja den Eltern, die Norm der Kinder festzulegen.
Mir wurde das auch von ABA-Vertretern gesagt. Das Programm wäre human und gut und es ist ja nicht ihre Schuld, wenn andere dies missbrauchen.

Doch, ist es!

Denn sie als Therapeuten haben auch eine Verpflichtung ihrem Patienten gegenüber, und nur weil die Eltern das wollen, ist es noch lange nicht richtig.
Vielmehr müssten manchmal eher die Eltern therapiert werden, damit sie ihr Kind so annehmen können, wie es ist.

Noch mehr nehme ich sie in die Pflicht, wenn sie Eltern explizit ausbilden, teilweise auch Co-Therapeuten, um eben diese hohe Therapiestundenzahl überhaupt aufrecht halten zu können. Das IFA Bremen, das ja von Aktion Mensch gefördert wird mit ihrem BET-Programm, macht genau dies. Sie suchen Co-Therapeuten, die in ein paar Stunden und Wochenendkursen lernen sollen, autistische Verhaltensweisen „richtig“ einzuschätzen und so Skills an die Hand bekommen, autistischen Kindern unerwünschtes Verhalten abzutrainieren/ zu löschen und gesellschaftskonformes anzutrainieren.
Nicht ohne Grund brauchen Spezialisten jahrelange Erfahrung, und selbst sie urteilen oft falsch, wenn sie nur die eigene Außensicht als das einzig Wahre ansehen.
Genausowenig ist es ratsam, Eltern mit falschen Vorstellungen von dem, was richtig ist, solche Skills an die Hand zu geben.
Halten Therapeuten das wirklich für verantwortungsvoll dem Kind gegenüber? Hört da wirklich ihre Verantwortlichkeit auf?

Es ist das eine, wenn ein erwachsener Autist etwas lernen möchte. Der kann auch Nein sagen oder Stop, wenn es zuviel oder nicht machbar ist. Aber ein Kind kann das nicht, und vor allem kann gerade ein autistisches Kind die sozialkonventionellen Normen noch gar nicht vollständig erfassen und begreifen und somit auch niemals von sich aus den Wunsch äußern, dass es (auf diese Weise) das lernen möchte. Es wird in dem Alter immer ein Aufzwingen und Antrainieren sein und jedes Schönreden und Relativieren ist an der Stelle völlig fehl am Platze.

Die Angst, die da bei den Eltern geschürt wird, sie würden so immer zurückgebliebene Kinder haben, die niemals eigenständig lernen können, wenn sie nicht frühzeitig mit der Therapie anfangen, ist eine der gröbsten Maschen, die ich je gehört habe. So auch damals bei dem Treffen mit Aktion Mensch und dem BET-Projekt:

Das war übrigens etwas, was mir bei der Veranstaltung schon sehr negativ auffiel.
Das stetige Springen in den unterschiedlichen Schweregraden. Eben dem Autisten, der gar nichts kann, nichtmal basalste Fertigkeiten, wie Anziehen, Essen, auf das Klo gehen etc. Dinge, die Eltern massiv Angst machen können, weil in dem Zuge ja auch nicht erwähnt wird, dass Autisten das sehr wohl mit der Zeit auch lernen können. Vielmehr implizieren sie so, dass diese ohne Behandlung ja immer die Windel tragenden Autisten bleiben werden, die Wände mit ihrem Kot beschmieren.
Bis eben zur Variante, dass Kinder die Eigenbestimmung lernen sollten, eigenständig und autonom zum Bäcker gehen zu können und das mit 6 Jahren. Eben eher die Hochfunktionale Variante.
Sprachen sie also von Erfolgen, dann ging es plötzlich weg von den schwersten, angstmachenden Zuständen der schwerstbehinderten Frühkindlichen hin zu den Hochfunktionalen, wo sie mit angewandter Verhaltenstherapie dann wohl einzustufen wären.
Weit dem voraus, was man als basale Fertigkeit verstehen würde.

 

Das ist eine eindrucksvolle Taktik, die da angewandt wird. Denn welche Mutter kann in dem Zuge nicht zustimmen, wenn sie nicht will, das ihr Kind einfach vors Auto läuft. Diese Phrasen sind Teil der Rhetorik eines ABA-Vertreters, der versucht, an den Mutterinstinkt zu appellieren, und ich kann dazu nur eines sagen:

Autismus bedeutet nicht Entwicklungsstillstand!

Autisten lernen aus dem Verstehen heraus. Meiner Erfahrung nach am besten über das logische Verstehen.
Es mag vielleicht länger dauern, aber auf diese Art kann man auch eher sicher stellen, dass Erlerntes zumindest bis zu einem gewissen Grad übertragbar in andere Situationen sein kann. Natürlich kann es auch dann zu Situationen kommen, an denen wir als Autisten alles abbrechen, da wir völlig überfordert sind, einfach weil es anders läuft als geplant.
Aber durch das Verstehen können wir uns wesentlich besser und facettenreicher auf solche Situationen vorbereiten.

Hier kommen ABA-Vertreter immer mit dem Argument, dass ich als hochfunktionale Autistin das gar nicht beurteilen kann. Doch, kann ich.

Nicht nur aus eigenem Verstehen heraus, sondern auch, weil ich zwei frühkindlich autistische Kinder habe und beide lernen langsamer, aber sie lernen und das ganz ohne Zwang und ABA. Immer mehr verstehen sie und passen sich mit ihrer ganz eigenen Art und ihrem eigenen Maß an, da sie irgendwann selbst diese Notwendigkeit begreifen.

An dieser Stelle kommt dann meistens, dass ich dann nur Glück gehabt hätte, und es ginge ja um Fälle, wo keine Kommunikation stattfindet und die Wände mit Kot beschmiert werden.
Sind sie (Therapeuten, Eltern, usw.) in dem Zuge wirklich ganz sicher, dass da keine ist, nur weil sie nicht sprechen können? Als meine Kinder noch nonverbal waren, haben sie sehr wohl kommuniziert, auf ihre ganz eigene Art und Weise. Man muss sie nur lesen lernen.

Die Extremfälle, die hier beschrieben werden, und das sehr bewusst, sind keine reinen Autisten. In der Regel liegen hier Mehrfachbehinderungen vor.
Autismus bedeutet in seiner Reinform aber nicht, dass eine Mehrfachbehinderung vorliegt – und wenn, ist es extrem davon abhängig, um welche es sich nun handelt.
Dies ist in dem Alter, wo ABA ansetzt, auch noch gar nicht genau festzulegen, und der Entwicklungsweg eines Autisten ist in dem Alter nicht vorgezeichnet. Auch wenn man das Eltern immer wieder einzureden versucht. Gerade Behörden und Schulen üben da enormen Druck aus, da es hier um viel Geld geht. So eine individuelle Förderung kostet, und diese Therapeuten versprechen hier eine gute Möglichkeit, um Autisten schnell gesellschaftlich funktionsfähig zu machen.

Tatsächlich ist es so, dass auch frühkindliche Autisten irgendwann irgendwie das kommunizieren anfangen, wenn sie den richtigen Zugang dazu gefunden haben.
So war bei meinen Kindern das Problem, dass sie rein visuell lernen. Irgendwann hatte ich es geschafft, ihr Interesse dafür zu wecken, und sie fingen das Lesen an und damit kam dann auch nach und nach die Sprache.

Es gibt bessere und humanere Wege, um autistischen Kindern zu helfen. Aber sie erfordern viel Zeit, Geduld und Respekt.
Mit Zwang geht vieles schneller, ja. Aber es ist im Grunde nichts anderes, als ein stupides Training wie bei Hunden, die auch nur ausführen, ohne wirklich zu verstehen.

Ich habe solch eine Erziehung „genossen“ und erst jetzt fange ich an, wirklich zu lernen. Nach meinem Tempo, meinen Wünschen und immer auf meinen Krafthaushalt achtend.
Viele Dinge habe ich nur ausgeführt, ohne sie zu verstehen, und umso mehr die sozialen Anforderungen stiegen, waren für mich diese erlernten Verhaltensweisen nicht übertragbar oder raubten zu viel Kraft, die ich für andere Dinge dringender benötige.
Das muss ich auch erstmal einschätzen lernen.

Das kann man von einem Kind nicht verlangen, und sobald man Außenstehende und auch Eltern entscheiden lässt und ihnen damit die Deutungshoheit überträgt, werden sie immer versuchen, das aus ihrer Sicht vermeintlich beste für ihr Kind zu tun, und dazu zählt, es gesellschaftskonform zu machen.
Ich mache manchen Eltern da keinen Vorwurf. Sie kennen ja nur diese Art zu leben.

Den Therapeuten jedoch schon, denn die sollten es besser wissen.

ABA-Vertreter verkaufen ihre Therapie als „Steigerung der Lebensqualität für das Kind und die ganze Familie“, indem sie den Autisten gesellschaftskonform machen, was wiederum nicht immer so deutlich kommuniziert wird, sondern eher als Freiheit, Selbstständigkeit oder Regelbeschulbarkeit benannt wird. Tatsächlich lassen sie dabei aber die Lebensqualität des Kindes völlig außer Acht.

Diese Freiheit und Selbstständigkeit, die autistische Kinder vermeintlich nur mit dieser Therapie erlangen können, ist sehr teuer erkauft.

Teurer, als man sich das als Nichtautist je vorstellen könnte.

Denken Sie mal über Ihre Verantwortlichkeit als Therapeut nach und fangen Sie an, den Autisten als vollwertigen Menschen zu sehen. Denn das sind wir auch.

Menschen.

 

Wichtige Links dazu:
FragtWarum Chronologie

Weiterführende Links:
Eine Rezension zum ABA-Ratgeber von Röttgers aus Elternsicht
Warum ich ABA verlassen habe -eine Übersetzung von fotobus
Therapieziele -von gedankenkarusell

 

Ein Update

18 Sonntag Sept 2016

Posted by maedel in mein Autismus

≈ Ein Kommentar

Schlagwörter

Asperger, Asperger Syndrom, ASS, Autismus, Autismus-Spektrum-Störung, Fernsehen, HFA, Hochfunktionaler Autist, Interview, Urlaub

Ich komme in letzter Zeit nur selten zum Schreiben. Was sehr schade ist, denn eigentlich passiert momentan so viel und schreiben war immer schon meine Art Dinge zu ordnen oder für mich zu verarbeiten.
Oft ist es dann so, dass so viele Dinge aufeinander folgen, sodass ich eigentlich schon das nächste schreiben müsste. Das davor ist aber genauso wichtig und dann hemmt mich das, überhaupt anzufangen. Chronologisch wäre es dann ja nicht mehr.

Daher habe ich mich entschieden ein Update zu schreiben. Ganz weglassen finde ich einfach nicht richtig. So mag ich euch als erstes von meinem Dreh(tagen) berichten.

 

Drehtag, oder wie Mädel im Fernsehen landet

Vor den großen Ferien trat man an mich heran für ein Interview, indem es grob darum gehen sollte mich als Autistin in meiner Arbeitswelt darzustellen. Dazu gab es verschiedene Blickwinkel.
Kunden, Jobcoaches, Chef und eben meine Wenigkeit. Da ich sowas in der Form noch nie gemacht hatte, war ich doch recht nervös. Aber auch, weil ich mich schon aus anderen (zugegeben ungezwungeneren und ich meine jetzt nicht damit, dass ich gezwungen wurde) Interviews her kenne.
Normalerweise halte ich zum Thema aus dem Stehgreif regelrechte Monologe und insofern ich mich schon mit dem Thema beschäftigt habe, stellt es für mich auch kein Problem dar, sehr lange Texte dazu zu verfassen und zu erklären. Sobald aber gezielte Fragen gestellt werden und dann auch noch verbal, habe ich enorme Schwierigkeiten aus der Vielzahl aus Informationen auf den Punkt zu kommen.

Wenn man mich nur vom Schreiben her kennt, dann kann man sich das vermutlich schwer vorstellen. Zumindest bekomme ich häufig die Rückmeldung, ich würde es hier immer so schön auf den Punkt bringen.
Um mehr Sicherheit zu bekommen bat ich um ein Vorgespräch, auch wenn es allgemein nicht üblich ist laut der Journalistin. Mitunter, um mich auf die Person besser einstellen zu können. Die Fragen wurden mir kulanter Weise schon vorab geschickt und so ging ich diese immer wieder im Geiste durch.

Leider hatte es nicht ganz wie geplant funktioniert. Ein genauer Ablaufplan war nicht zu kriegen „Im Groben halten wir uns an den Ablauf und an die Fragen, aber manchmal verläuft es anders oder es erfordert andere Fragen“ hieß es und „generell bereite ich mich ungern zu genau vor, weil ich die Sicht der unwissenden Zuschauer einnehmen möchte.“
Zumindest wollte ich sie auf das ein oder andere einschwören. Zum einem, dass sie Autismus auf gar keinen Fall als Krankheit benennen soll und ich so auch nicht dargestellt werden möchte, zum anderen will ich auf keinen Fall Dose als fachlichen Gegenpart haben. Dies hatte ich sehr deutlich kommuniziert.
Umso ärgerlicher war es, als ich nach dem ersten sehr anstrengenden Drehtag erfahren musste, dass genau dieser als Fachmann eingeladen wurde.

Der Drehtag selber hatte teilweise sogar Spaß gemacht. Zumindest konnten wir Akteure über die Tatsache lachen, dass wir manche Szenen immer und immer wieder aus verschiedenen Perspektiven drehen mussten. Gerade die Szene, wie wir durch die Drehtür kamen spielten wir insgesamt 9 mal durch. Dafür, dass sie dann nicht im Beitrag zu sehen ist, doch erstaunlich.

Überhaupt ist es ein Erlebnis zu sehen, wie Stunden über Stunden an Drehmaterial gebraucht werden, um einen gerade mal 3-4 minütigen Beitrag zu füllen. Aber nun gut.
Der Drehtag selber war sehr anstrengend. In den weitesten Fällen ist sie tatsächlich bei den Fragen geblieben. Die groben Abläufe waren identisch wie im Vorgespräch besprochen. Lediglich die zeitlichen Abfolge wurde eher flexibel gestaltet.

Da ich aber stetig meine Jobcoachin an meiner Seite hatte, fühlte ich mich insofern sicher genug. Verwirrend fand ich jedoch, dass immer wieder das Interview unterbrochen wurde: „Das ist zu lang, lassen sie das weg, kürzen sie das, das würden die Zuschauer so nicht verstehen, das ist zu tief in der Materie“.

Am Ende war ich so verwirrt, was ich denn nun antworten soll, dass ich stellenweise nur sehr kurz und knapp auf die Fragen einging und dann immer wieder verwirrt inne hielt. War das jetzt zu viel? Soll ich noch mehr sagen?

Ein paar Mal schien sie auf mehr zu warten. Zumindest nehme ich das an, weil sie weiter mit der Kamera auf mich hielt. Aber es kamen keine weiteren Fragen und mehr sollte ich ja nicht sagen. Dadurch ergab sich, dass ich sehr unzufrieden mit vielen meinen Antworten war. Das kann ich eigentlich besser erklären.

Was ich nicht wusste. Etliche Male hielt sie die Kamera auf mich, ohne es vorher mit mir abzusprechen und so kam auch der Part mit dem Navigationssystem zustande, den sie, trotz meiner Forderung, diesen nicht zu zeigen, mit in den Beitrag aufnahm.

Irgendwie hatte ich das Gefühl, dieser Teil wäre genau das reißerische Bild, dass sie gern von Autisten in Medien zeigen und genau das wollte ich ja eigentlich nicht.
Insgesamt war ich doch sehr enttäuscht. Dinge, die ich im Vorfeld klar kommuniziert hatte, wie *Dose nicht* oder das mit dem *Navi raus*, wurden einfach übergangen.

Aber auch enttäuscht von mir. Ich fand mich furchtbar schlecht. Lustigerweise fanden das andere wiederum weniger, die den Beitrag gesehen hatte und so nehme ich an, dass etwas Wahres daran zu sein scheint.

Dass man sich selbst immer als den schlechtesten sieht, am kritischsten und Dinge an sich selbst bemängelt, die anderen wahrscheinlich gar nicht auffallen.
Rein aus Neugier, ob sich an dieser Stelle meine Vermutung bewahrheitet, stellte ich den Beitrag auf FB zur Verfügung ohne dabei zu erwähnen, dass es dort um mich ging. Allerdings verplapperte sich recht am Anfang schon jemand, aber tatsächlich kam der Beitrag wider Erwarten recht gut an.

Als souverän und selbstbewusst wurde ich beschrieben. Ich war teilweise schockiert. Hat man mir meine Unsicherheit wirklich so gar nicht angesehen?
Eine Stelle wurde angesprochen, an der ich mit meiner Jobcoachin im Hintergrund lache (und ja, Autisten können lachen).

Mich verwundert, habt ihr denn gerade in der Szene nicht auf meine Haltung und Hände geachtet?
Das Stimming war eigentlich deutlich zu sehen. Deutlicher als mir lieb war. Dabei hatte ich mich während der Interviews so sehr versucht unter Kontrolle zu halten. Aber sei es drum.

Die Drehtage waren rum, der Beitrag ausgestrahlt und so geht es weiter im Text.

 

Urlaub, dass haben wir uns verdient, oder doch nicht?

Denn nun mag ich euch noch von meinem Urlaub erzählen, bzw. vom jähen Ende, der vermutlich alles an Erholung auf einen Schlag nieder machte.
Ich hatte mich so sehr gefreut. Entgegen der Planung sprang tatsächlich doch noch ein Familienurlaub für mich raus. Wenn wir auch nur eine Woche zur Verfügung hatten, um wegzufahren, wollten wir das ausnutzen.

Da es so nicht geplant war, hatten wir nicht genug Zeit zur Verfügung, um alle auf den neuen Ort vorzubereiten und gerade mein Mittlerer braucht dazu etwas mehr Vorlauf. So starteten wir alle sehr aufgeregt in eine Woche Kroatien.
Es war insgesamt wirklich sehr schön und ich könnte mir vorstellen da nochmal hinzufahren. Auch den Kindern hat es gefallen und da Mitbewohner und ich schon ein recht gut eingespieltes Team waren, lief alles auch recht gut. Wir hatten uns diverse Sehenswürdigkeiten angeschaut, aber die meiste Zeit verbrachten wir am Meer. Und so machten wir uns erholt nach einer Woche wieder auf, nach Hause zu fahren.

Um dem Stau zu umgehen, fuhren wir erst nachmittags los und unsere Strategie schien aufzugehen. Als wir uns dann in Österreich befanden, sah es so aus, als würden wir gut durchfahren können und so würden wir in gut 3-4 Stunden zu Hause sein.

Plötzlich fing das Auto an zu fiepen und verlangte dringend nach Kraftstoff.
Das verwunderte uns sehr. Immerhin hatten wir kurz vor Fahrtantritt erst getankt und die vorherige Tankfüllung hatte für die ganze Fahrt nach Kroatien plus dem Herumgefahre dort gereicht.

Nun meckerte der Wagen nach einem Viertel der Strecke im Vergleich nach Diesel und schien völlig leer zu sein.
Wir fuhren raus um zu tanken, nur um danach wiederum der Tankanzeige praktisch im Eiltempo zuzusehen, wie sie Richtung leer sauste.

Wir also bei der nächsten Gelegenheit wieder runter von der Autobahn und nun ja, da standen wir dann.
Mitten in der Nacht, am Wochenende, inklusive 5 Autisten und keine Ahnung wie es weiter gehen sollte.
Das Auto am qualmen, alles inklusive Anhänger und Fahrräder von einem feinen Film Diesel überzogen. So hatten wir gut 50 l Diesel als Spur hinter uns hergezogen, als uns die Benzinleitung zerriss, sodass auch die Strassenwacht ausrücken musste.

Die Schwierigkeit war. Weder der ADAC noch VW waren für den Anhänger zuständig. Der war unser Problem und mehr als ihn mit abschleppen war nicht drin. Die Sicherung des Inhalts war dann rein unser Problem und so erschienen wir erst sehr spät im Hotel. 2 Zimmer für 6 Personen ohne jede Rückzugsmöglichkeit.

Twitter war ja praktisch live dabei und hatte prompt auf unsere Hilferufe gehört und ich bin immer noch sehr dankbar und überrascht, wie viele uns helfen wollten und Anteil nahmen.
Im Hotel angekommen war ich fix und fertig und leider hatten das mein Umfeld auch zu spüren zu bekommen.

Vor allem aber diese Kellnerin am nächsten Morgen beim Frühstückbüffet.

„Hol dir doch einen Kaffee,“ sagte Mitbewohner und es war ja nicht so, als hätte ich es nicht schon versucht, aber da waren diese beiden überaus zuvorkommenden und damit aufdringlichen Kellner.

Ich war aber zu dem Zeitpunkt schon lange nicht mehr in der Lage irgendwas zu erklären und so trabte ich nochmal hin. Immerhin wollte ich ja auch einen Kaffee und um Hilfe bitten konnte ich nicht mehr.

Ich also nochmal an das Büffet. Und ja, ich muss etwas ratlos gewirkt haben, als ich vor der Maschine stand. Aber so bin ich nunmal mit neuen Dingen. Ich beobachte und analysiere sie zuerst.

Selten, dass ich einfach hingehe und auf irgendwelche Knöpfe drücke und normal ist es auch nie so, dass ich keine Zeit dazu habe. Auch wenn viele häufig nicht verstehen, dass mir sowas schwer fällt und das obwohl ich ein sehr gutes Verständnis für Technik habe.
So also stehe ich wieder davor, mit einer Tasse in der Hand und schaue mir alles genau an und wieder stehen prompt zwei Kellner hinter mir und fragen mich, ob sie helfen können.

„Nein,“ sage ich und bleibe vor der Kaffeemaschine stehen. Die Kellner flankieren mich und fragen abermals, ob sie mir nicht doch helfen sollen.

„Nein,“ schon etwas lauter. Mir war nach weggehen, aber die Kellner standen mir im Weg.

Vermutlich meinte es die Kellnerin nur gut, vermutlich erkannte sie auch meine Verzweiflung und interpretierte sie in die falsche Richtung und fing mich an am Oberarm zu tätscheln und mir beruhigend zuzureden, dass sie mir gerne helfen würden.

„NEIN, NEIN, NEIN“ brüllte ich, schmiss die Tasse zurück an seinen Platz, drängte mich grob an ihnen vorbei und flüchtete.
Es reicht

Ich wollte nur noch eins, nach Hause. Auch wenn ich es hasse mit mir fremden Autos zu fahren und auch obwohl mir bewusst war, dass die Strecke weit über dem sein würde, was ich mir normalerweise allein zutraue. Es musste sein. Ich konnte einfach nicht mehr.

Das Hotel war alles andere als autistenfreundlich und das kann man ja auch nicht verlangen.
Außerdem sollte bereits am Dienstag die Schule beginnen und da es die Einschulung meiner Tochter war, musste noch viel vorbereitet werden.

So war ich trotz meiner Ängste heilfroh, als mein Mitbewohner noch einen Wagen auftreiben konnte und ich mit den Kindern nachmittags endlich die Heimfahrt antritt.
Ohne Mitbewohner zwar, denn er musste beim Auto bleiben und die Reparatur abwarten, damit er dann diesen und den Anhänger mit heim bringen konnte. Ungewiss, ob er rechtzeitig zur Einschulung zurück sein sollte.

Ich hätte nicht allein mit den Kindern zum versprochenem Essen fahren können und so wartete ich bange auf eine gute Nachricht.

Meine Tochter wäre tottraurig gewesen, wenn wir ihre Schuleinführungsfeier hätten verschieben müssen und da sonst keiner kommen würde, brauchte ich Mitbewohner dringend.
Es ging letztendlich gut. Auch wenn ich immer noch ein wenig an den letzten Tagen knabbere.  Mitbewohner kam einen Tag später zurück und Tochter feierte ihre Schuleinführung.

Aber lieber ADAC. Das mit der Rechnung, das müssen wir noch klären.

Leben auf der Datenautobahn

11 Donnerstag Aug 2016

Posted by maedel in mein Autismus

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Arbeitswelt, Asperger, Asperger Syndrom, ASS, Autismus, Autismus-Spektrum-Störung, HFA, Hochfunktionaler Autist, Overload

Schnell muss ich sein. Viel in kurzer Zeit lernen und dann hyperfunktionieren. Kaum Zeit mich zu regenerieren. Ich fahre los. Habe noch einen wichtigen Termin heute. Wie so oft. Bis zur letzten Sekunde habe ich gearbeitet. Zeitdruck nennen sie das. Ich nenne es mal wieder ein viel zu langer Tag, nach viel zu vielen langen Tagen.
Wie jeden Tag checke ich kurz vor Abfahrt per App die Straßenlage. Für die Autobahn ist ein Stau von mittlerweile 24 min angesagt. Ich folge dem Navi raus aus München, die Autobahn vermeidend, da so spät dort kein Durchkommen ist.

Ich komme ganz gut an den Brennpunkten durch. Mein Termin ist zu schaffen und so bin ich zwar sehr geschafft von den langen Tagen, aber zumindest werde ich meinen Termin heute einhalten können.
Ich möchte ihn nicht noch einmal verpassen. Nicht nochmal hilflos vor ihnen stehen und irgendwie erklären müssen, warum ich nicht da war.
Die Ungerechtigkeit ertragen müssen, dass der Termin verfällt. Eine Tatsache, die mich fast platzen lässt, weil es ihnen gänzlich egal ist, ob ich nun was dafür kann oder nicht. So sitzt mir jedesmal auf’s Neue die Angst im Nacken.
Schaffe ich es heute? Werde ich rechtzeitig da sein.
Früher hätte ich zwei Termine am Tag vermieden aus eben solchen Gründen. Ich verpacke sowas sehr schlecht. Seit ich wieder arbeite, weiß ich aber nicht, wie ich es anders legen soll und dann machen sie einem auch noch ein schlechtes Gewissen, weil man so früh gehen muss.
Zumindest ist das nur aus ihrer Sicht so. Immerhin habe ich einen 6 Stunden-Vertrag und heute waren es tatsächlich 9 Stunden. Und dann noch dieser Termin.

Immer noch in Gedanken bei „haben sie es gut…, nein, schon gut,… bis morgen“ (was soll mir das jetzt sagen) fahre ich weiter.
War es jetzt nicht ok, dass ich nach 9 Stunden heimgefahren bin? Ich halte sowas auf Dauer sowieso nicht aus. Nicht ohne Grund habe ich einen 30 Stunden Vertrag.
Ein paar Tage geht das gut, aber irgendwann breche ich zusammen.

Ich überlege, ob ich meiner JobcoachIn was sagen soll. Aber da kommt dann wieder mein Perfektionismus durch.
Ich möchte meine Arbeit gut machen und niemanden enttäuschen. Auch wenn es nicht meine Schuld ist, dass der Kunde viel zu wenig Zeit für viel zu viel Arbeit angesetzt hat.
Zumindest sind meine Kinder momentan nicht da, sodass ich abends etwas mehr Erholung habe als sonst. Wie lange ich wohl durchgehalten hätte, wenn sie da gewesen wären? Wer weiß das schon.
Wenigstens werde ich es heute schaffen und so wie es aussieht, geht es mir noch gut genug, dass ich zwar etwas erschöpft und verpeilt, aber *sicher* ankommen werde.

Nach 34 min bin ich am Stau vorbeigefahren. Nun also auf die Autobahn. Das spart Zeit. Wie immer stockt es zwar an der Stelle, wenn ich auffahre, aber das verliert sich schnell, sobald alle auf und abgefahren sind. Diesmal schneller als gewöhnlich.
Meine Gedanken kreisen um die Aussage, dass wir die nächste Woche „ranklotzen“ müssen.
Freudig registriere ich die Anzeige das 100 erlaubt sind. Hui, dass hatte ich auf der Strecke schon lange nicht mehr. Nicht an der Dauerbaustelle.
Innerlich fange ich zu feiern an. Die Baustelle ist ja weg. Cool. Das muss ich gleich Mitbewohner erzählen, wenn ich dann heim komme.
Das ist ja toll.
Vorbei wären die Zeiten, wo ich fast die Hälfte länger (manchmal wesentlich mehr) brauche, als so schon.
Boah, jetzt sind es sogar 120 und die „armen Schweine“ auf der anderen Seite. Die stehen komplett im Stau. Aber verständlich. Hatten ja eben noch einen Unfall auf der Strecke angesagt.

Befreit von der Sorge, es nicht mehr rechtzeitig zu schaffen, rausche ich auf der Autobahn dahin. Stelle mir Mitbewohners Gesicht vor. Wie er es wohl auffassen wird, dass die Dauerbaustelle weg ist?

Je werde ich in meinen Gedanken unterbrochen, als mein Navi brüllt, dass ich an der nächsten Ausfahrt abfahren soll um zu wenden, 9 km vor München.

Ach du sch….

Da habe ich in 19 min alles zunichte gemacht. Bin nun wieder fast da, wo ich die Fahrt „gestartet!“ hatte. Das schaffe ich nie!

PS: Ich kann mir immer noch nicht erklären, wie ich falsch auf die Autobahn auffahren konnte. Vor allem auf einer Strecke, die ich mittlerweile sehr gut kenne, da ich sie täglich fahre. Egal wie oft ich mir gerade die Bilder anschaue, ich kann es nicht verstehen, was da passiert ist.

Mittel, Schwer, Leicht – was Autismus nicht ist

09 Samstag Jul 2016

Posted by maedel in Meine Gedanken über Autismus

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Asperger, Asperger Autismus, Asperger Syndrom, ASS, Autismus, Autismus-Spektrum-Störung, Autismusspektrum, HFA, Hochfunktionaler Autist, leichter Autismus, milder Autismus, schwerer Autismus

Diese Diskussion kommt immer wieder auf. Ich habe sie wirklich schon oft geführt. Leider reicht ad hoc die Zeit und der Platz nicht aus, um richtig zu erklären, warum ich den Ausdruck „leichten“ Autismus für falsch empfinde und warum ich sage „Autismus ist einfach nicht leicht oder mild, nicht schwer oder „Kanner“ und Asperger sind nicht perse die leichteren Autisten, insofern man den Ausdruck jetzt nicht wörtlich nimmt, sondern als Synonym für „nicht so ausgeprägt“.
Dieser Text soll für jene sein, die mich schon so oft falsch verstanden haben. Dann gibt es zwar noch die, die mich partout falsch verstehen wollen, aber denen kann ich es an der Stelle sowieso nicht recht machen. Sei es drum.

 

In erster Linie sind wir alle Autisten

Wir hätten die Diagnose nicht erhalten, wenn es nicht so wäre. Entgegen der weitläufigen Meinung, bekommt man die Diagnose nicht nur dann, wenn man besonders leidend ist, oder sollte man zumindest nicht.
Autismus ist in seiner Reinform weder geistig behindert, noch hochbegabt oder Intelligenzgesteuert. Autismus umfasst ein Spektrum verschiedener Symptome, die in gewisser Form zu gewissen Varianten vorhanden sein müssen, um die Diagnose zu erhalten. Bis dahin sind wir alle gleich.

Jetzt kommt das was es aber schwierig macht. Autismus an sich sagt rein gar nichts über das Empfinden aus oder über die Ausprägung. Diese sind höchst individuell und können von hypo bis hyper gehen und sind so verschieden wie Menschen eben verschieden sind. Zusätzlich ist vieles von mehreren anderen Dingen beeinflusst, wie das Umfeld in dem wir aufgewachsen sind, die Erfahrungen, die wir gemacht haben, das Umfeld indem wir uns aktuell befinden oder auch in Zukunft, oder auch schlagartigen Veränderungen, indem beispielweise das Umfeld plötzlich wegbricht. Die Ausprägungen sind auch entscheidend und wo sie genau wie liegen. All das macht es höchst individuell und so ist kein einziger Autist mit dem anderen vergleichbar.

Kanner sind auch Autisten und unterscheiden sich nach den alten Maßstäben eigentlich nur in 2 Dingen (diagnostisch !) von den Aspergern. Das betrifft den Sprachbeginn und die Motorik. Alles andere ist NUR Ausprägungssache und inzwischen hat man erkannt, dass diese sich eben nicht so leicht in ein Schema pressen lässt.
Aus diesem Grunde wurden in letzter Zeit immer häufiger die Diagnose Atypisch gestellt, weil man sich oft der genauen Zuordnung uneinig war. Der selbe Grund, warum irgendwann die Bezeichnung HFA entstand. Mehrfachbehinderte wurden dann einfach den Kannern zugeordnet.

Durch Zunahme des Wissens über Autismus, wurde das alles erkannt und somit auch der DSM entsprechend geändert und der ICD folgt dem auch bald.

 

Heute sprechen wir vom Autismussprektrum

Was allein die Begrifflichkeit schon ausdrücken soll ist, wie weit gefächert es eigentlich ist. Leider wird immer noch häufig und auch immer noch fälschlicher Weise Asperger und Kanner als Bezeichnung des Schweregrades hergenommen.

Ich bin Asperger hat immer den unterschwelligen Zusatz bei sich, das man doch besser dran ist als die Kanner und leichter Autist oder leicht betroffen ist genauso diskriminierend, wenn man bedenkt, dass Kanner eben nichts darüber aussagt, wie unklug oder wie ausgeprägt jemand ist.

Ich will damit nicht sagen, dass es damit nicht Autisten gibt, die besser zurecht kommen, genauso wenig, dass es durchaus auch Autisten gibt, die mehr Schwierigkeiten haben.
Aber man kann es einfach nicht klar in Kanner und Asperger unterscheiden, und so auch nicht behaupten, dass es Kanner perse schwerer haben müssen und Asperger im Umkehrschluss so eben die leichteren Fälle sind.

Ich kenne genügend Kanner die weit besser zurecht kommen als manch Asperger und andersherum kenne ich auch genug Asperger, die mehr Schwierigkeiten haben.
Genauso lese ich es immer wieder bei anderen, und habe es auch am eigenen Leibe erlebt, was es ausmachen kann, wenn einem das bis dahin sehr gut funktionierende Umfeld wegbricht.
Ganz schnell wird dann aus leicht gar nicht mehr so leicht.

Jemand, der auf Grund der Motorik und Sprachbehinderung als Kanner eingestuft wurde, wie mein Sohn beispielsweise, muss nicht ad hoc immer in dieser Schiene bleiben. Kann, aber muss nicht.
Jemand, der auf Grund früher Sprache als Asperger diagnostiziert wird, aber deutlich mehr Schwierigkeiten als andere hat, wie ich z.B., wird ebenfalls basierend auf der Diagnose sofort in eine bestimmte Schublade gesteckt: „Du bist nur Asperger, du dramatisierst“, heißt es dann. „Die armen Kanner haben es doch viel schwerer“.

 Vieles liegt an den oben genannten Umfeldbedingungen, Ausprägungen und Erfahrungen, aber eben auch an der eigenen Kompensationsfähigkeit (die für sich genommen auch nichts mit der Intelligenz zu tun hat) und der eigenen Reflexionsfähigkeit. Denn wenn man selbst die Rückschlüsse nicht ziehen kann, weiß man auch nicht was man da kompensieren soll.

Prinzipiell fällt es mir beispielsweise heute noch schwer zu verstehen, das andere tatsächlich in vielen Dingen anders denken und anders wahrnehmen als ich.
Ein weiteres gutes Beispiel sind meine Söhne. Beide zusätzlich sprachbehindert. Der große nicht so reflektionsfähig wie der Mittlere und das merkt man sehr deutlich, wieviel das ausmachen kann.

Bei meiner Diagnostik war ich in allen Bereichen vom cut off im Bereich Autismus im engeren Sinne. Wer sich damit auskennt weiß, dass an der Stelle der frühkindliche Autismus gemeint ist. Nur hat da mein Sprachbeginn nicht reingepasst oder vielmehr war es unklar. So bekam ich dann die Diagnose Asperger Autistin. Muss ich jetzt automatisch leicht sein, weil ich es ja nicht so schwer haben kann wie diagnostizierte Kanner?

 

Das ist Diskriminierung

Viele von uns kämpfen dafür, dass diese Diskriminierung aufhört, ohne dabei irgendwie den persönlichen Autismus und das individuelle Empfinden desselben zu bewerten oder gar zu entwerten.

 Was man auch bedenken sollte ist, dass man selbst sich meist anders einschätzt und empfindet als andere einen bewerten würden und genauso gibt es dieselbe Diskrepanz auch bei anderen. Oft ist es einem so vielleicht auch nicht ganz klar, wie ausgeprägt man wirklich nach außen wirkt, oder es ist einem auch gänzlich egal. Manches erscheint dann einem vielleicht sogar im Nachhinein schwerer als es in der Situation bewusst war, z.B. wenn Lasten plötzlich wegfallen. Habe ich auch schon gelesen.
Auch das sollte man nicht außer Acht lassen. Selbst wenn man noch so meint den anderen nachvollziehen zu können, wird das niemals in Gänze möglich sein.

Es ging hier nie darum Autismus als dramatisch darzustellen oder als besonders. Es geht darum eben nicht zu verallgemeinern. Autismus zu erklären, wie es wirklich ist.

 Mir persönlich geht es auch darum, dass ich zwei Kinder habe, die nach alter Regelung frühkindlich sind und ich sehe Tag für Tag, wie klug sie doch unter der Oberfläche der Sprachbehinderung sind.
Natürlich haben sie es durch die Sprachbehinderung schwerer und es bremst unheimlich aus. Das will ich nicht bestreiten.
Meine sprachlichen Fähigkeiten sind vergleichbar wesentlich besser. So bin ich dennoch deutlich ausgeprägter im Sinnesbereich als mein Mittlerer beispielsweise und wirke so sogar in vielen Situationen ausgeprägter als mein Kanner Sohn, und das als Aspergerin.

 

So wird man Autismus nicht gerecht

Mit Aussagen, wie Kanner haben es perse schwerer und Aperger im Umkehrschluss sind leichter und nur ein bisschen autistisch wird man Autismus und wie es wirklich ist, nicht gerecht.

 Wenn ich zusätzlich betrachte wie sich meine „Kanner“ Jungs über die Jahre entwickelt haben, dass müssen manch andere erstmal nachmachen und wie gesagt, es kann jederzeit passieren, dass euch euer Umfeld wegbricht, irgendwas anders läuft und dann seid ihr, die ihr so sehr auf „leicht und nur Asperger“ pocht, vielleicht plötzlich die „Kanner“.

 All das hat mich bewogen zu sagen, den leichten Autismus gibt es nicht und Autist ist zunächst einfach nur Autist. Nicht schwer, nicht leicht oder mild, kein bisschen autistisch und leicht betroffen.
Nicht, wenn man Autismus losgelöst vom eigenen Empfinden und Standpunkt sieht.
Das wird dem ganzen einfach nicht gerecht. Nicht in seiner Vielfältigkeit und diskriminierend ist es außerdem.

 Ihr könnt euch gerne weiterhin Kanner oder Asperger nennen, das mache ich ja auch manchmal. Schon weil ich es so gewohnt bin. Wobei ich immer häufiger nur noch sage: „ich bin Autist“.
Aber unterlasst Zusätze wie „als Asperger bin ich ja nur leicht betroffen“ und „Kanner sind viel schlimmer dran“

Der Entwurf zum Teilhabegesetz mehr Behinderung als Enthinderung

03 Sonntag Jul 2016

Posted by maedel in Meine Gedanken über Autismus

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Asperger Autismus, Asperger Syndrom, ASS, Autismus, Autismus-Spektrum-Störung, Entwurf zum Teilhabegesetz 2016, HFA, Hochfunktionaler Autist, Teilhabegesetz

Ich habe lange überlegt ob ich darüber schreiben soll. Zwar ist einiges aus meinen bisherigen Erfahrungen begründet, manches bei mir hypothetisch und nur ein Ergebnis vieler Überlegungen, die ich zu diesem Thema hatte, aber es spukt mir zu sehr im Kopf herum.

Allerdings, auch wenn manches hypothetisch ist, so ist eines ganz klar:
Ich bin auf Hilfe angewiesen.

Weniger auf fachlicher Seite als vielmehr im alltäglichen Leben und auch wenn ich es momentan so händeln kann, dass ich privat mit Hilfe versorgt bin, ist es doch kein Dauerzustand.
Wie sehr ich auf Hilfe von außen angewiesen bin, weiß ich spätestens durch das dreiviertel Jahr, als ich allein ohne Hilfe dastand und mir jegliche Hilfestellungen aus der Familie und Freundeskreis nach meiner Trennung wegbrach.
Zu selbstverständlich nahm ich die Hilfe in meiner Ehe von meinem Partner an und bedachte nicht, dass dies in ein paar Jahren meine Beziehung vor ein Aus stellen würde. Gut, es waren auch andere Faktoren ausschlaggebend, aber es hatte auch keinen unerheblichen Anteil daran.

Stetige Hilfestellung geben zu müssen, in dem Ausmaß, wie ich es gebraucht hatte, kann eine Belastung sein. Sowohl für Familienangehörige, als auch für Freunde. Immerhin haben diese im Gegensatz zu professionellen Helfern eigene Jobs. Aber nicht nur das. Selbst für mich selbst stellt das eine Belastung dar. Denn so bin ich stetig dazu gezwungen andere um Hilfe anzubetteln.
Die wenigen Freunde, die ich mein eigen nennen kann und auf die ich hätte zählen können, zumindest in dem Maße wie es nötig gewesen wäre, waren viel zu weit weg oder hatten ein eigenes Leben. So beanspruchte ich für die Zeit, bis ich eine andere Lösung finden würde eine Hilfe in Form der ambulanten Betreuung und parallel Familienhilfe.

Das hat nur einen großen Nachteil

Ich musste peinlichst darauf achten, kein Privatvermögen über 2600 Euro anzuhäufen. Und dass obwohl ich schon eine Zuzahlung leisten musste, die mich an den Rand des Existenzminimums brachte. Keine Chance, irgendwas anzusparen und so waren die folgenden Monate für mich sehr schwer. Immerhin hatte ich 2 Umzüge zu stemmen und 3 Kinder zu versorgen und nebenbei die laufenden Kosten zu bedienen.
Und das alles ohne irgendwelche Rücklagen.
Das ging nicht nur auf meine Kosten, sondern auch auf die meiner Kinder.
So am Rande des Existenzminimums ohne Anspruch darauf Mittel anzusparen, gleichzeitig die Versicherungszahlungen im Januar und den nächsten Umzug im August in Blick, nebenbei die Kaution der Zwischenwohnung und das alles aus dem Nichts heraus.
Dadurch fiel Weihnachten fast aus. Das musste ich mir dann buchstäblich vom Mund wegsparen.
Es war eine sehr schwere Zeit.

Denn das Teihabegesetz zwang mich dazu, alles was ich über dem Existenzminimum besaß oder verdiente, für meine Behinderung einzusetzen.
Ohne Rücksicht auf meine Kinder und deren Bedürfnisse.
Natürlich hätte ich auf sie was ansparen können. Aber von was denn?

Durch das Teilhabegesetz war ich gezwungen, arm zu sein und zu bleiben, und auch wenn man sagen könnte, dass es ja in meinem Verantwortungsbereich liegen würde, was können denn die Kinder dafür.

Kann man bei denen auch sagen, dass die Liebe mehr ist, als das bisschen Geld und das es wichtigeres gibt? Will man mir wirklich versuchen hier weis zu machen, dass die ganze Familie und jede potenzielle Partnerschaft mitleiden muss dafür, dass ich behindert bin. Seit Geburt.

Für eine Partnerschaft würde es bedeuten, dass mir zwei Dinge zur Wahl stünden. Entweder ich mache die Beziehung kaputt, weil ich diesem all meine Unzulänglichkeiten aufbürde, oder weil ich ihn und die Seinen in Armut stürzen würde.
Denn auch hier wird eines nicht bedacht. Der Staat sagt, dass Liebe mehr ist als nur Geld und das sich der Partner das ganze so aussucht. Betrifft das denn auch seine Familie? Seine Kinder?

Jetzt könnte man noch einwerfen, dass Kinder ja berücksichtigt werden und so die Existenzgrenze angehoben wird

Die ist tatsächlich gesehen nicht viel höher als die eines Erwachsenen allein. Das reicht hinten und vorne nicht. Bei mir waren es damals 1600 Euro als Bemessungsgrenze.
Dabei zu beachten, dass man ohne Kinder 1100 als Eigenbedarf geltend machen kann, und so erscheinen 1600 als nicht wirklich viel, vor allem, weil es da völlig unerheblich ist, wie viele Kinder man hat.

Da wäre kein Urlaub drin, kein Auto, keine größeren Anschaffungen, außer vielleicht auf Rate. Wobei ich hier bezweifle, dass man überhaupt einen Ratenvertrag abschließen kann unter solchen Umständen und selbst wenn, wovon bedient man den denn?
Selbst Klassenfahrten wäre ein riesen Problem, und die kann man nun wirklich nicht mehr in reines privates Vergnügen einsiedeln. Hierbei entstünde sogar ein erheblicher Nachteil für das Kind. Es ist ja allgemein bekannt, dass diese Klassenfahrten dem Klassengefüge dienen soll und so sind Ausgrenzungen an der Tagesordnung.

Wofür geht man dann eigentlich arbeiten? Um alles wieder abzugeben, die eigenen Kinder nicht ausreichend versorgen zu können?
Man hat das ja nicht selbst verschuldet, noch hat man je die Chance da selbst aus eigener Kraft wieder herauszukommen.

Spinnen wir noch ein wenig weiter

Natürlich könnte man jetzt einwerfen, dass es mir ja frei steht Hilfeleistungen finanzieller Art zu beantragen. Aber steht mir das wirklich frei? Sind meine Kinder dann wirklich Harz4-Kindern gleichgestellt, sodass ich Extra-Ausgaben für sie beantragen kann? Ob man die jetzt bewilligt kriegen würde, steht auf einem anderen Blatt, aber hätte ich prinzipiell die Möglichkeit dazu?
Dazu konnte ich nirgends eine Regelung finden.
Nicht dazu, welche Rechte und Möglichkeiten ich als behindertes Elternteil mit persönlicher Assistenz hätte, noch wer entsprechende Ansprechpartner wären. Noch darüber, welche Folgen gewisse Beantragungen für meine Kinder hätten.
Damals musste ich für meine Kinder gleichzeitig Familienhilfe beantragen, damit ich jemanden habe, der mit ihnen auch mal ins Hallenbad oder ins Kino gehen kann. Denn meiner persönlichen Assistenz war es nicht gestattet, meine Unzulänglichkeiten auch bei meinen Kindern auszugleichen. Welche Nachteile durch solche eine Familienhilfe vom Jugendamt entstehen können, dürfte allgemein bekannt sein.

Noch ein Gedankengang dazu:

Wenn die Kinder den Harz4-Kindern angeglichen wären, unterstehen sie dann auch den gleichen negativen Folgen?
Denn entgegen der Gesetzgebung gelten Kinder hier nicht erst ab 18 als volljährig. Schon ab 16 muss für sie losgelöst von der Familie finanzielle Unterstützung beantragt werden und damit sind sie ab diesem Alter auch unter deren Einfluss. Jetzt kommt es auf den Bearbeiter an. Aber nicht selten wurden 16 jährige unter Druck gesetzt, die Schule abzubrechen und eine Ausbildung zu beginnen. Das Studium gar nicht erst in Aussicht gestellt.

Fazit:
Entweder könnte ich mir eine Zukunft für meine Kinder gar nicht leisten, oder ich darf Hilfen dazu beantragen. Nehme dafür jedoch in Kauf, insofern sie überhaupt zugesprochen werden, dass sie ebenfalls alle Nachteile tragen müssen.

Im Grunde ist es egal wie. Fair ist es nicht, meine Kinder zu bestrafen, nur weil ich behindert bin.

Jetzt könnte man fragen, warum ich als behinderte überhaupt Kinder in die Welt gesetzt habe. Dazu will ich etwas deutlich sagen.

Erstens ist der Großteil der Behinderten nicht von Geburt an behindert und deren Kinder und Familien werden genauso bestraft.

Zweitens erweckt es den Eindruck, dass Behinderte lieber gar nicht erst arbeiten, oder Kinder und Partner haben sollten und das sogar staatlich bestätigt.

Drittens, und hier vielleicht das wichtigste Argument, bin ich trotz meiner Behinderung, ein vollwertiges Mitglied dieser Gesellschaft. Bis auf die alltäglichen Schwierigkeiten einsatzfähig und eine Bereicherung für diese Gesellschaft. Ich bin eine gute Mutter und arbeite nebenher in einem tollen Beruf.

Ich habe es verdient, genau wie meine Kinder, auch als solcher Teil der Gesellschaft behandelt zu werden, ohne finanzielle Einschränkungen.

Ich sehe das tatsächlich als Beschneidung meiner Grundrechte.

Im Grundgesetz steht, dass mir durch meine Behinderung keine Nachteile in der Gesellschaft entstehen dürfen. Das schließt aber die finanzielle Seite ein, meines Erachtens.

Denn auch ich habe das Recht auf Familie, Freizeitgestaltung, auf das Sparen auf eine gute Zukunft meiner Kinder und das Recht ihnen das Leben zu bieten, dass ich erarbeiten kann.

Ich hatte so sehr gehofft, dass der neue Entwurf zum Teilhabegesetz mir die Möglichkeiten schafft ohne Einbußen ein selbstbestimmtes Leben zu leben, ohne dass ich andere damit belaste, dass ich bin wie ich bin.

So jedoch ist meine Teilhabe an der Gesellschaft durch solch ein Gesetz mehr gehindert als es enthindern würde und so bleibt mir fast keine Wahl, als weiterhin alles um mich herum damit zu belasten, für mich Dinge zu übernehmen, die ich allein nicht schaffen würde.

Meist sind es nicht viele, auf die ich mich berufen kann, da ich Schwierigkeiten damit habe, Freundschaften zu schließen. Noch dazu sie behinderungbedingt zu halten. Leichter wird es so ganz sicher nicht. Und so schrumpft mein Bekanntenkreis immer weiter und für mich wird es mit jeder Enttäuschung immer schwerer, damit umzugehen.

Dennoch habe ich hier wenigstens noch eine winzige Chance, irgendwie auch ohne die Hilfen (zumindest noch) über die Runden zu kommen.
Mein tiefstes Mitgefühl gilt jedoch all jenen, den kaum eine Wahl bleibt, als professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen und die eben all diese diskriminierenden Ungerechtigkeiten über sich ergehen lassen müssen.

Der Staat sollte sich eigentlich dafür schämen

So lernt man ja schon als Kind, dass jede Gruppe immer nach dem bemessen werden sollte, wie sie mit ihrem schwächsten Glied umgehen.
Deutschland schneidet da nicht sonderlich gut bei ab.

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Vielleicht dazu auch interessant:

Stellungnahme des bbe e. V. zum Referentenentwurf des Bundesteilhabegesetzes

Faktencheck Bundesteilhabegesetz

Links zum Entwurf:

Entwurf zumTeilhabegesetz

Praktikum bei Auticon (achte Woche)

19 Dienstag Apr 2016

Posted by maedel in Projekte/Veranstaltungen

≈ 17 Kommentare

Schlagwörter

Asperger, Asperger Autismus, Asperger Syndrom, ASS, Auticon, Autismus, Autismus-Spektrum-Störung, HFA, Hochfunktionaler Autist, Praktikum

In der letzten Praktikums-Woche ist nicht viel besonderes gelaufen, außer vielleicht, dass wir früher als erwartet fertig waren. Da es definitiv die letzte Woche ist und ich ab dem 1.5. einen Vertrag bei Auticon erhalte, möchte ich diesen Bericht als Resümee meiner Zeit als Bewerberin bei Auticon nutzen, zum Abschluss meiner Reihe.
Aber mein Bericht heute soll sich auch an die anderen Branchen da draußen richten, die sich vermutlich aus Unwissenheit nicht so recht trauen, Autisten einzustellen oder zu beauftragen.
Auch darüber habe ich mir das letzte Jahr viele Gedanken gemacht.

Nach einem Rat eines Jobcoaches bei einer Maßnahme des Arbeitsamtes Anfang des Jahres, erhielt ich den Ratschlag, es einfach bei Auticon zu versuchen.
Ich war mir unsicher. Ich bin zwar technikbegeistert und ein klein wenig hatte ich mich auch schon mit programmieren beschäftigt, aber als Programmiererin sah ich mich (noch) nicht.
Gut, andere bezeichnen mich als „kleiner Nerd“, aber ich bin nie davon ausgegangen, dass es dafür tatsächlich ein Berufsfeld für meine Fähigkeiten gibt.
Ehrlich gesagt war mir nicht bewusst, dass Auticon auch nach solchen Dingen sucht. Das auch Tester eingesetzt werden und man selbst als absoluter Quereinsteiger, wie ich es bin, eine Chance hat. Irgendwie bin ich immer davon ausgegangen, dass nur IT ler mit Programmierkenntnissen gefragt sind.
Diese Unsicherheit hatte mich lange Zeit abgehalten, mich bei Auticon zu bewerben und nach vielen Gesprächen mit anderen Autisten, stehe ich da nicht ganz alleine damit da.

Also entschloss ich mich, meine Zeit als Bewerberin zu verbloggen und so ward ihr ab August mit dabei, um zu sehen, wie es bei mir bei Auticon weiter gehen sollte, nachdem ich es tatsächlich einfach versucht hatte, mich dort zu bewerben.

Mittlerweile ist fast ein Jahr vergangen und es gab Zeiten, da hatte ich nicht mehr daran geglaubt, dass es für mich tatsächlich wahr werden könnte.
Die Tatsache, dass erst ein Projekt gefunden werden muss um eingestellt zu werden, hatte mir Sorge bereitet. Ich als Quereinsteiger ohne jeden Beweis dafür, dass ich durchaus Fähigkeiten habe.
Öfter werde ich in letzter Zeit zu Auticon angesprochen. Eine der Sorgen war bezüglich der Testung und in diesem Zuge plagten sie Versagensängste.

Ich bin mir nicht ganz so sicher, wieviel sie wirklich allein an Erkenntnissen aus den Tests ziehen, glaube aber, dass sie daraus mehr lesen können, als es mir bewusst war und das es gar nicht so sehr darum geht, alles zu schaffen. Vielmehr sind sie eine Hilfestellung.
Im Grunde geht es um Fähigkeiten und ein gewisses Gesamtbild, denke ich und so ist es gar nicht so wichtig, alle Tests hundertprozentig zu bestehen.
Tatsächlich bin ich überrascht, wie gut mich Auticon nach den ersten Tests einschätzen konnte.
So waren es genau dieselben Worte, die unsere Ansprechpartnerin beim Projekt nutzte, um meine Arbeit bei ihnen zu bewerten.

Letztens sprach mich jemand per Privatnachricht an, der in derselben Situation steckte, wie ich vor einem halben Jahr, als ich nach der Erprobungswoche darauf wartete ob und wie es nun weiter gehen sollte. Die Warnung, dass eine Vermittlung durchaus mal bis zu 6 Monate dauern kann, diese Angst davor, ein anderes Arbeitsangebot annehmen zu müssen, bevor es in der langen Zeit wirklich zu einer Einstellung kommt, war auch bei mir vorhanden. Immerhin bin ich ja auch in der Pflicht als Arbeitslose weiter aktiv zu suchen.
Nur sah ich kaum eine wirkliche Alternative für mich auf den Arbeitsmarkt.
Zum einem habe ich beim Arbeitsamt mit offenen Karten gespielt und von Anfang an klar signalisiert, dass ich Auticon klar priorisiere und alles andere eher als Lückenfüller ansehen würde. Aber soweit kam es bei mir nie.
Ich hatte vielleicht das Glück im Unglück einen schweren Bandscheibenvorfall in der Zeit hingelegt zu haben und so war ich noch krank geschrieben als es plötzlich sehr schnell ging.

Nach einem Gespräch mit Auticon sollte ich im Februar mein Praktikum bei Auticon antreten und nach gerade mal 2 Wochen wurde ich meinem ersten Projekt zugeteilt.
Bis jetzt habe ich mein Zertifikat zum ISTQB-Tester nicht machen können und neben dem Projekt hatte ich auch keine Zeit mich weiter darauf vorzubereiten.
Die Sorge, dass sie mich ohne dieses Zertifikat nicht einstellen würden und auch nicht vermitteln könnten, hatte sich als unbegründet herausgestellt.
Das soll jetzt aber kein Freifahrtschein darstellen. Ich hatte nur mitbekommen, dass auch andere Probleme damit hatten, rechtzeitig mit dem Lernstoff fertig zu werden.
Es ist sehr gut, wenn ihr im Vorfeld euch Wissen zur ISTQB aneignet und je mehr umso besser. Aber vielleicht nimmt es dem ein oder anderen den Druck oder auch die Angst davor, dass davon alles bei Auticon abhängt.

Ingesamt war es für mich ein sehr aufschlussreiches, anstrengendes und spannendes Jahr und ich freue mich riesig, im Mai meine Arbeitsstelle bei Auticon anzutreten.
Es ist vom Gebiet her das, was ich immer schon gut konnte und wo ich glänzen kann und das auf dem ersten Arbeitsmarkt.
Das gibt Selbstvertrauen und das Gefühl endlich auch was leisten zu können. Leisten konnte ich zwar schon immer, aber ich scheiterte oft an den einfachsten Dingen, wie Zwischenmenschliches, unklaren Ansagen oder Ablaufunsicherheiten.

Auticon ist ein Betrieb, die Autisten „wegen“ ihrem Autismus einstellt und nicht „trotz“ und das ist für mich ein wichtiger Unterschied.
Dadurch macht es aber auch klar, dass Auticon mit Nichten ein rein sozial ausgerichteter Betrieb ist. Im Gegenteil. Sie sind genauso wirtschaftlich wie jede andere Firma und genau das ist es, was mich stolz auf mich sein lässt.
Ich werde für mein Können eingestellt und nicht nur, weil Auticon so sozial ist.
Hier wurde erkannt, dass Autisten bereichernd sein können und es entstand daraus gleichermaßen eine Chance für uns und dafür sind nichtmal so viele Umstellungen in einem Betrieb nötig.

Mehr Verständnis würde ich hier an oberster Stelle anführen. Verständnis gegenüber der Besonderheiten als auch der Schwierigkeiten. Aber auch das Wissen darum, dass im richtigen Umfeld manch Schwierigkeit auch zu einer Stärke werden kann.
Genauso, dass es höchst individuell sein kann und somit wichtig ist, jeden Autisten für sich anzuschauen, um die richtigen Hilfestellungen herauszufinden.
Dann aber hat man da einen sehr loyalen und durchaus fähigen Mitarbeiter.

Genau diese Fähigkeiten, die sich Auticon zu Nutze macht, können auch in anderen Branchen eingesetzt werden. So ist eine Mustererkennung nicht unbedingt nur in der IT Branche sinnvoll. So war diese Fähigkeit neben meinem logischen Verständnis und meiner extremen Geradlinigkeit ein langjähriger Begleiter im Finanzwesen, wo ich fachlich durchaus mithalten kann.

Die Fähigkeiten der Autisten sind so vielseitig wie der Autist selbst und so findet man in jedem ganz individuelle Möglichkeiten diese einzusetzen.
Dinge wie sprachliche Stärken, z.B. durch einen umfangreichen Wortschatz. Der Hang zur formalen Sprache und genauen Formulierungen, die schon bei autistischen Kinder auffällt, kann später im erwachsenen Alter durchaus vorteilhaft sein in Bereichen wie Journalismus oder beispielsweise auch als technischer Autor, der Technik verständlich erklärt, Handbücher schreibt oder Wartungsanleitungen.
Ich kenne durchaus Autisten, die sich auf den Bereich Kommunikation spezialisiert haben und zB Kommunikationswissenschaften studiert haben, Referate halten und Seminare geben. Und das richtig gut unter den richtigen Bedingungen.
Bestes Beispiel wäre hier Vera F. Birkenbihl.

Im Journalismus spielt auch die Recherche eine große Rolle. Manche Autisten graben sich extrem tief in Themen ein (Stichwort Spezialinteressen) und sind Meister im finden von Informationen. Zusammen mit hoher Merkfähigkeit und den Hang zu sortieren oder Ordnung herzustellen, die manch Autisten eigen ist, sind Berufe wie Bibliothekar oder allgemein Recherchejobs denkbar, z.B. als Zuarbeiter bei Gericht oder für Anwälte.

Gerade diese Genauigkeit und das immerwährende Sortieren, dass beispielsweise meinem mittleren Sohn eigen ist, kann richtig eingesetzt in der Logistik bereichernd sein. Zumindest in den Teilbereichen wo es um Qualität und nicht so sehr um Quantität geht.
Dadurch, dass es seinem Naturell entspricht, wäre es auch nicht anstrengend für ihn, stundenlang Listen zu vergleichen oder genausten Inhalte zu prüfen. Auch hier spielen, wie im IT Bereich, Fähigkeiten wie hoch fokussiertes Arbeiten und das Wahrnehmen von geringsten Abweichungen eine wichtige Rolle.

Genau dieses „kleinste Veränderungen erkennen“ wiederum lässt sich auch im Beurteilen von Verhalten einsetzen.
Mein ganzes Leben analysiere ich schon menschliches Verhalten und warum sollte es nicht möglich sein, Autisten die eben da ihre Stärke haben auch beispielsweise als psychologische Analysten einzusetzen oder in einem Sozial Media Team.
Ich kenne auch sehr viele Autisten, die im sozialen Bereichen arbeiten, sogar als Therapeuten. Das klingt im ersten Moment paradox, wenn man dem Klischee glauben mag, dass wir zu gar keinen sozialen Kontakten fähig wären.
Tatsächlich wissen wir nur oft nicht, wie wir mit Situationen umgehen sollen und so begeben wir uns lebenslang auf die Suche nach Mustern im Verhalten anderer Menschen, um manches besser zu verstehen oder vorhersagen zu können. So ist es wirklich so, dass Freunde mich zwar selten um Trost baten, aber in mir einen sehr guten Ratgeber sahen.

Detailliebe oder ein ganz besonderer Blickwinkel werden Autisten sehr oft nachgesagt. Unter diesem Aspekt können künstlerische Beiträge sehr wertvoll sein, insofern man entsprechendes Talent mitbringt. Fotographie wäre beispielsweise denkbar.
Ich kennen auch einige autistische Maler deren Bilder sehr aussagekräftig sind und einen mit in eine andere Welt, eine andere Perspektive mitnehmen können.

Autisten sind verschieden und individuell auch in ihren Fähigkeiten.

Ich sehe keinen Grund, warum Autisten nicht auch in anderen Branchen Fuß fassen könnten. Nötig wäre dafür nur ein bisschen Verständnis, die richtigen Rahmenbedingungen und die ein oder andere Hilfestellung, die nichtmal teuer sein muss.

Das Wichtigste dabei wäre aber, dass wir, potenzielle Arbeitgeber, Kunden und Autisten anfangen miteinander zu reden. Nur so wird es möglich sein Ängste abzubauen und durch Aufklärung schaffen wir mehr Verständnis und viel mehr Möglichkeiten.
Für alle Seiten.

Auticon hat es vorgemacht. Jetzt wäre es schön, wenn andere nachziehen würden.
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in dieser Reihe:

Zu Gast bei Auticon

Erprobungswoche Auticon: Tag 1

Erprobungswoche Auticon: Tag 2

Erprobungswoche Auticon: Tag 3

Erprobungswoche Auticon: Tag 4

Erprobungswoche Auticon: Tag 5

Ein Gespräch bei Auticon

Praktikum (erste Woche)

Praktikum (zweite Woche)

Praktikum (dritte Woche)

Praktikum (vierte Woche)

Praktikum (fünfte Woche)

Praktikum (sechste und siebte Woche)

Fachtag Autismus mit Prof. Doc. Theunissen

12 Dienstag Apr 2016

Posted by maedel in Projekte/Veranstaltungen

≈ 11 Kommentare

Schlagwörter

ABA, Asperger, Asperger Autismus, Asperger Syndrom, ASS, Autismus, Autismus-Spektrum-Störung, HFA, Hochfunktionaler Autist, PBS, Positive Verhaltensunterstützung, Prof. Doc. Theunissen, PVU, Weltautismustag

Nachdem ich letztes Jahr auf das Programm eines Regionalverbandes stieß, mit dem Titel „Traditionelle Vorstellungen über Autismus auf dem Prüfstand – ein Paradigmenwechsel bahnt sich an“ war mein Interesse geweckt. Das Motto „Autisten verstehen lernen“ und die grobe Übersicht der Programmpunkte machte mich neugierig.

So oft wünsche ich mir als Autistin Unterstützung in meinem Kampf um mehr Verständnis und vor allem darum, dass gerade auch Fachleute endlich auch unsere Innensicht als gleichwertig betrachten und aufhören uns nur von Außen zu bewerten. Auch in der Öffentlichkeit.
„Nicht über uns, ohne uns“ soll es sein. Leider bislang nur ein lang gehegter Traum.
Sollte es hier Wahrheit werden?
Das Programm versprach sehr viel und so meldete ich mich noch letztes Jahr mit Begleitung bei der Fachtagung an.

Samstag war es dann soweit und so betraten wir gespannt den Veranstaltungsort. Das erste was mir auffiel war ein Verkaufsstand oben am Eingang, auf dem auch 2 ABA-Bücher lagen. Erste Enttäuschung machte sich breit.
ABA hat für mich so gar nichts mit Inklusion zu tun und schon gar nicht mit einem angeblichen Paradigmenwechsel. Vielmehr gehört ABA eindeutig einer sehr veralteten Traditionen an. Aus einer Zeit, wo Autismus als Makel angesehen wurde und genau wie Homosexuelle geheilt gehören.
Auch wenn während der Veranstaltung von Prof. Dr. Theunissen gesagt wurde, dass dieser Vergleich hinkt, so ist es unumstritten, dass ABA aus der damaligen behavioristischen Bewegung entstand und zuerst entwickelt wurde, um Homo- und Transsexuelle umzupolen.

Ich konnte demnach nicht verstehen, was solche Bücher an einem Verkaufsstand der Veranstaltung zu suchen hätten, wo es darum geht, neue Wege zu beschreiten und auch das Motto „Autisten verstehen lernen“ passt da überhaupt nicht hin.
ABA versteht rein gar nichts. Diese Therapie zielt nur darauf ab, Autisten anzupassen und dafür die Persönlichkeit der Autisten schon in sehr jungen Jahren zu brechen.
So konnte ich nur hoffen, dass es nicht darauf hinweist, um was es in der Veranstaltung wirklich gehen sollte, und so erhielt das ganze gleich zu Anfang für mich einen gehörigen Dämpfer.

Nachdem die Vorsitzende des Regionalverbandes die Veranstaltung eröffnete und danach Frau Kaminski (Vorsitzende von Autismus Deutschland e.V.) es sich nicht nehmen ließ ebenfalls alle zu begrüßen (nur die Autisten selber ließ sie in ihrer Dankesrede natürlich wieder mal aus), ging es anschließend mit dem Vortrag des geladenen Referenten los.

Prof. Dr. Theunissen ist ein Rehabilitaionspädagoge (Heil- oder Sonderpädagoge) mit dem Lehrstuhl bei der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg für Geistigbehindertenpädagogik und Pädagogik bei Autismus.
Er ist ein Vertreter des Empowerment-Konzepts und außerdem ein Repräsentant der Positiven Verhaltensunterstützung (PVU), das ursprünglich aus den USA stammt und dort unter dem Namen Positiv Behavior Support (PBS) bekannt ist.

Entgegen meiner anfänglichen Befürchtung wegen der oben ausgelegten Bücher, ging es tatsächlich sehr gut los.
Noch nie habe ich solch einen guten Vortrag, der so nah an uns Autisten dran ist, gehört.

So klärte er uns zunächst über die Schwierigkeiten der genauen Abgrenzung bei Diagnosen auf und warum es in seinen Augen Autismus-Spektrum heißen sollte.
Weder sieht er Autismus als Krankheit, noch als Störung. Wenn man es müsste, dann würde er es als Behinderung bezeichnen. Leider hat der Begriff bis heute eine sehr negative Belastung und diese Ansicht des Professors entspricht ziemlich genau meiner eigenen Auffassung.
Danach brachte er seinem Publikum Autismus an sich näher und führte dazu veraltete Ansichten gegenüber neuen Erkenntnissen auf. Gut, für mich jetzt nichts Neues, aber es tat in vielerlei Hinsicht gut, es aus dem Munde eines Fachmanns zu hören. Das war definitiv etwas Neues in einem Land, welches Autismus immer noch vor allem fachlich rein auf der defizitären Seite betrachtet und so auch mehr als einmal sehr deutlich machte, das Autisten selbst dazu nicht ernst genommen werden.

Es fielen Sätze wie „autistische Verhaltensweisen sind zweckmäßig, dass müssen wir lernen“ und auch, dass viel mehr Fachleute die Innensichten in Form von Autobiographien heranziehen sollten.
Leider gibt es viel zu wenig Autisten in Deutschland, die Bücher veröffentlichen. Immer mehr von uns trauen sich, und so langsam sind die Verlage im Zuge der wachsenden Bekanntheit von Autismus eher gewillt, Bücher dieses Themenschwerpunktes zu veröffentlichen. Das war leider nicht immer so und immer noch sind es viel zu wenige Buchverleger, meiner Ansicht nach.
Daher ist es auch schade, dass er in diesem Zuge die Blogs nicht erwähnt, wo Autisten inzwischen sehr stark vertreten sind. Allerdings hat er positiv bewertet, dass sich eine autistische Community auf den Sozialen Netzwerken und Foren entwickelt hat und dort auch sehr aktiv versucht, am allgemeinem Meinungsbild von Autisten zu arbeiten.
Wichtig war, dass er immer wieder im gesamten Vortrag erwähnte, der von morgens um 8 bis Nachmittags 17 Uhr ging, dass man mehr auf die Betroffenen hören sollte.

Das einzige, was ich schon an dieser Stelle zu vermissen begann, war in vielen Fällen seine persönlichen Standpunkte. Bis dato war es mehr ein Sammelsurium aus verschiedenen Ansichten und Perspektiven zu Autismus. Seine persönliche Meinung blitzte nur ab und an heraus.
Aber vielleicht kam das ja noch, und so lauschte ich weiter gespannt seinem Vortrag, als er als nächstes auf die neuronalen Besonderheiten einging und von dort zum Thema Lernverhalten und -Methoden bei Autisten schwenkte.

Dort führte er Dinge auf, wie: „Interessen haben eine hervorragende Brückenfunktion…Autisten lernen von sich aus“, „Stimmings sind sinnvoll“, „viele motorischen Probleme sind eigentlich sensorisch zu sehen“ um einige zu nennen.
Selten habe ich so viel Zugeständnisse zu uns Autisten und unserer Art zu Sein gehört. Ich muss zugeben, ich war zunehmend beeindruckt.

Schon immer bin ich nie davon ausgegangen, dass Nichtautisten uns wirklich je verstehen könnten und auch bei Theunissen waren nicht alle Aussagen immer genau da, wie ich es sehe. Aber er war näher dran, als viele andere und auch wenn Kaminski der Meinung war, dass er ja niemanden als persönlichen Bezug habe, teile ich nicht ihre Ansicht, dass „nur“ Eltern an der Stelle es immer besser wissen. Ganz zu schweigen, dass sie hier wiederum die Autisten mit keinem Wort erwähnte.
In dem Moment fand ich mich tatsächlich von Theunissen wesentlich besser verstanden und bestätigt wurde es,  als der Professor auf das Thema Therapien einschwenkte und dazu folgendes Beispiel aufzeigte:

Zitat Prof. Dr. Theunissen: “ Seit meinem zweiten Lebensjahr bestand ich darauf, rote Hosen zu tragen. Im Alter von 4 Jahren diskutierte ich das mit einer Verkäuferin aus, bis diese völlig entnervt nachgab und eine rote Mädchenhose rausrückte.“

und Frau Kaminski just in dem Moment einfach nach vorne lief und mitten im Vortrag ohne Aufforderung folgendes ins Mikro rief:

„Autisten müssen therapiert werden, wenn sie Mädchenhosen tragen“ sagte die Vorsitzende von Autismus Deutschland ins Mikrofon und löste damit einiges an Tumult aus.

Nach der Veranstaltung sprach sie mich noch an, weil ich ihr hinterherrief, dass sie dann eben keine Hosen mehr tragen dürfe“, weil sie dachte, ich hätte sie falsch verstanden. So meinte sie doch, dass autistische Kinder sich so dem Spott der Gesellschaft aussetzen würden.
Ich hatte sie jedoch schon ganz richtig verstanden.
Zum einem ist es für mich ein Problem der gesellschaftlichen Toleranz, an der gearbeitet werden müsste und vor allem an der Toleranz gegenüber Behinderten.
Immer noch ist es für mich nicht verständlich, wo genau da das Problem sein sollte.
Wenn nichtautistische Kinder sich rebellisch verhalten und sich anders kleiden als andere, dann weist man sie darauf hin. Erklärt ihnen, dass sie hier auf Gegenwehr und Spott stoßen können und sollten sie dennoch dabei bleiben, dann versucht man ihnen den Rücken zu stärken und so ein gesundes Selbstvertrauen mitzugeben.
Mit ihrer Aussage, dass autistische Kinder in solchen Fällen „therapiert“ gehören, ging sie viel zu weit. Zumindest insofern gab sie mir dann Recht. Es wäre unglücklich gewählt gewesen.
Allerdings hatte sie mir diese Zugeständnis nur persönlich gegeben und ihre Aussage nicht im Plenum revidiert.

So waren wir dann letztendlich beim Thema Therapie angekommen und wie Prof.Dr. Theunissen mir in der Mittagspause versprach, sollte er auch auf ABA eingehen.

Bei all seinen Ausführungen im Vorfeld war es mir klar, dass ABA damit nicht vereinbar ist mit seiner Sicht auf Autismus und das machte er auf sehr drastische Weise in seinem Vortrag deutlich. „Unter dem Label ABA sind 20% Bestrafung Elektroschocks“, sagte Theunissen und mir ist noch nicht ganz klar, warum er ABA so dramatisch ausdrückt. Entsteht doch so wieder nur ein falsches Bild. Es gibt zwar vereinzelt noch solche Fälle, sie sind aber verschwindend gering und heutzutage werden andere Mittel eingesetzt um ungewolltes Handeln abzumahnen.
Auf diese Weise macht er es ABA, dass nicht mit solchen drastischen Mitteln arbeitet wieder leichter.
Er erklärte dann zwar noch den Aufbau und Grundgedanken von ABA, dies ging aber meines Erachtens auf Grund des Schockmoments ein wenig unter.

Wieder präsentierte er auch zu diesem Thema mehrere Sichtweisen und Perspektiven verschiedenster Gruppierungen. Auch andere Ansätze wurden vorgestellt. Darunter die Positive Verhaltensunterstützung.

Ich habe mich nach der Fachtagung ein wenig in das Thema eingelesen und halte die Therapie selber in mancherlei Hinsicht für gefährlich. Manche Ansätze mögen gut sein. So orientiert sich diese Form der Therapie eben auch am Umfeld und berücksichtigt Stärken als auch die Stimme der Autisten selber.
Im Grunde all das, was wir uns unter einer unterstützenden Therapie wünschen.
Aber sie birgt auch große Gefahren des Missbrauchs, denn auch sie beinhaltet Verhaltensmodifikation, auch wenn sie sich dabei mehr als Unterstützer ansieht.

Mir ist auch nach dem Vortrag nicht ganz klar, wo Theunissen sich da genau positioniert. Vom Vortrag her kann es durchaus sein, dass er näher an uns dran ist, als viele andere seiner Position.

Fast bis zum Schluss wartete ich geduldig, das er endlich eindeutig Position bezieht, nachdem er anfangs ja auch deutlich verkündete, dass eine solche Positionierung dringend notwendig ist.
Soll Autismus eher behandelt werden, irgendwo Verhaltensweisen gelöscht, oder soll vielmehr unterstützend gearbeitet werden.
Erst nachdem ich ihm praktisch nach meinem Statement irgendwo die Pistole an die Brust setzte, sagte er klar ein “Nein” zur Verhaltensmodifikation, vor allem durch aversive Mittel. Nur in Fällen wie selbstverletzendem oder sehr störendem Verhalten, würde er so eingreifen und auch erst, wenn alle äußeren Ursachen nicht ausgeschaltet werden könnten.

 

Aber wo zieht er da die Grenze im Detail?

Wer entscheidet das. Theunissen verweist darauf, dass im Idealfall Autisten selber bestimmen sollten. Sollte das auf Grund des Alters nicht gehen, dann stünden da die Eltern in der Pflicht.
Ich mache den Eltern an der Stelle nicht einen Vorwurf. Meist kennen Sie es nicht besser und es ist schwer für sie zu greifen, was an der Tatsache toll sein soll, dass man stundenlang vor der Waschmaschine sitzen kann und beim Waschen zusieht.
Auch Theunissen hatte das anhand eines Beispiels angeführt, indem einen autistischen Jungen beschrieb, der als Kind stundenlang Schattenbilder an der Wand beobachtet hatte. Erst viel später stellte sich heraus, dass der Junge da schon begonnen hatte, das Verhalten der Schatten zu analysieren und soweit ich es noch recht in Erinnerung habe, später sogar einen Beruf in dieser Richtung ergriff.
Aber es ist wie gesagt sehr schwer zu greifen und manche Eltern werden hier, auch wenn sie es irgendwo aus ihrer Sicht gut meinen, versuchen, ihr Kind in „angepasstere“ Verhaltensweisen zu drücken, ohne zu wissen, was sie dem Autisten damit eigentlich antun.

Sie wissen es oftmals wirklich nicht besser und da sie genauso irgendwo als Co-Therapeuten auftreten, ist die Gefahr sehr groß, dass sie es zu Hause nach gut Dünken auch in anderen Bereichen einsetzen. Dann wären wir wieder ganz schnell im Bereich ABA.
Denn entgegen der Meinung vieler, geht es mir bei ABA bereits um den Hintergedanken. Den Gedanken der Umprogrammierung oder Modifikation. Und selbst wenn es ohne Bestrafung angewendet wird.
Hier verbirgt sich auch die Gefahr, das ABA Anbieter sich begrifflich an die Positive Verhaltensunterstützung anhängen und so hat PVU bzw. PBS für mich den Beigeschmack des „leichten ABA’s“ dass ich für genauso falsch halte.
Nehmen wir als Beispiel AVT. Es soll ein modifiziertes ABA sein, dass im Grunde Elemente von ABA als auch PVU enthält und es wird jetzt als nicht so schlimm verkauft, da sie ja ohne schwere Bestrafung auskommen würden. Sie arbeiten nur noch mit positiven Verstärkern ihrer Angabe nach, und entziehen diese halt wieder, bis Gewünschtes ausgeführt wurde.
Und doch geht es deutlich auf ihrer Seite herauszulesen darum, autistisch ungewolltes Verhalten zu löschen um gewolltes sozial verträglicheres anzutrainieren.
Hier überschreiten sie deutlich genau jene Grenze, wo es für mich schon ABA ist, egal wie ausgeführt.

Aber ich will nicht immer von vornherein als absolut gegen alles dastehen und das war auch nie meine Absicht.
Ich bin sehr wohl für rein unterstützende Therapie und auch bei Fällen von schwerer Kindesgefährdung bin ich für eine Umleitung.
So hat es auch der Professor ausgedrückt.

Auch wenn sein Vortrag bislang für mich der beste war, den ich je von einem Fachmann zum Thema Autismus gehört habe, so bleibt beim Punkt Positive Verhaltensunterstützung ein kleiner Zweifel.
Denn ich gehe wie gesagt nicht davon aus, dass Nichtautisten gänzlich verstehen können. Das fällt sogar mir als Autistin in manchen Situationen sehr schwer, weil diese oft hochkomplex sind und jeder Autist eben individuell auf seine Art einzigartig ist.

Ich halte diesen Punkt daher für so wichtig, weil auch bei dieser Methode so früh als möglich mit einer Therapie begonnen werden soll. Vor allem, weil es in meinen Augen in dem Alter schwer vorauszusagen ist, wohin sich das Kind in diesem Alter entwickelt.

So fand ich auf einer Seite dieses Beispiel von Theunissen, indem es um ein 2,5 jähriges Mädchen geht, dass mit selbstverletzendem Verhalten reagiert, sobald es von seiner Mutter abgesetzt wird.

Die direkte Verhaltensbeobachtung ergab, dass dieses Mädchen in ihrer sprachlichen und kommunikativen Ausdrucksformen als auch im Spielverhalten erheblich eingeschränkt war. Ihr auffälliges Verhalten wurde als Aufmerksamkeitshascherei eingestuft.

Hier würde ich gerne vom Professor wissen, wie er die Situation denn unter dem Aspekt neu bewerten würde, wenn er wüsste, dass dieses Mädchen einfach nur furchtbare Angst hat.
Angst davor, dass ihre Mutter weggeht, wenn sie nicht auf dem Arm ist.

Ich durfte mich bei meinem Sohn sehr lange nicht aus seiner Sichtweite begeben. Ich hab das damals einmal gemacht und sofort gesehen, dass er Angst bekam. Ab dem Zeitpunkt hatte ich ihn mitgenommen, egal wohin. Auch bei den Hausarbeiten.
Aber er hatte auch das Grundvertrauen nicht in mich verloren und auf den Arm mochte er eh nicht so gern.
Ich kann mir gut vorstellen, dass die Mutter öfter das Zimmer verlassen hat, in Unwissenheit. Ohne es böse zu meinen. Das Kind mal hingesetzt hatte, und wenn es sich gerade so schön beschäftigt nur mal schnell um die Ecke gegangen ist.
Ohne zu wissen, dass dies dem Mädchen immens Angst bereitet.
Manchmal ist es so, dass dieser Entwicklungsschritt, dass Kinder wissen „das jemand nicht ganz weg ist nur weil man ihn nicht mehr sieht“, bei Autisten verspätet sein kann. Viel später wie im Falle meines Sohnes.

Das kann sich mit der Zeit manifestiert haben und so sehr, dass nur noch ständiger Körperkontakt zur Mutter Sicherheit gab. “Denn wenn ich mich nicht beschäftige, dann kann ich es nicht verpassen und wenn ich immer auf dem Arm bin, kann sie mich gar nicht erst ablegen”.

Dann wäre es aber pure Verlustangst die zu Grunde liegt und keine Aufmerksamkeitshascherei.

Solch schwere Verhaltensweisen haben immer einen Hintergrund und viel öfter ist es Angst oder Verzweiflung, die Autisten in diese Richtung drängen.
Würde er mit diesem Hintergrund genauso verfahren, wie im obigen aufgeführten Beispiel, dass dieses Kind zukünftig erst „Mama, Bitte“ sagen soll, bevor es auf dem Arm genommen wird und sollte es zu schreien anfangen mit einem Time Out (rausgehen und ignorieren) zu reagieren?

Wäre pure Verlustangst der Hintergrund, ist diese Art der Reaktion genau die falsche Maßnahme und das Kind würde dann nichts anderes lernen, als das es Verlust zu ertragen hat oder sich dem Willen der Mutter unterwerfen muss, um seine Sicherheit zu bekommen, die es so dringend benötigt.

Wie würden sie unter diesem Aspekt entscheiden, Prof.Dr. Theunissen und sehen sie an der Stelle auch dieselbe Gefahr, auf die ich hinzuweisen versuche.

Wo ist da ihre Grenze?

Praktikum bei Auticon (sechste und siebte Woche)

03 Sonntag Apr 2016

Posted by maedel in Projekte/Veranstaltungen

≈ 13 Kommentare

Schlagwörter

Asperger, Asperger Autismus, Asperger Syndrom, ASS, Auticon, Autismus, Autismus-Spektrum-Störung, HFA, Hochfunktionaler Autist, Praktikum, Wörtliches Verstehen

Tja, wenn das mit der Wörtlichkeit nicht wäre. Aber dann hätte ich auch nicht wirklich was zu berichten über die letzten 2 Wochen. Aber dazu später.

Wie ich euch ja schon beim letzten Bericht verraten hatte, sollte es zum Anfang der nächsten Woche gerade so weiter gehen.
Ich wusste nicht so recht, wie ich weiter machen sollte. Zwar war die Aufgabenstellung klar, aber um die richtig durchführen zu können, fehlten zumindest bei mir noch die wichtigsten Fixings. Vielleicht war es auch das Problem, dass ich immer noch innerlich an der alten Aufgabenstellung festhielt, die bis Freitag noch galt. Erst die Desktoptest, dann Handys und danach Tablets. Ich brauchte eine Weile, um zu verinnerlichen, das Tablettests erstmal hinten anstünden und so war ich montags etwas planlos unterwegs, was sich aber bereits dienstags wieder gelegt hatte.
Ab da lief es für mich eigentlich wieder sehr gut und ich konnte tatsächlich vieles abarbeiten. Mein Ziel für die Woche (hatte ja auch mittwochs frei) war dann klar und das habe ich auch hinbekommen.
So langsam scheine ich da angekommen zu sein.

Eigentlich wäre jetzt mein Praktikum schon vorbei, aber wegen der Reha, die ich im April antreten werde, wurde sie nun verlängert.
Sorge bereitet mir im dem Zuge das Lernen für die Prüfung, die bis jetzt ehrlich gesagt vollständig brach liegt.
Meistens bin ich völlig erledigt, wenn ich nach Hause komme. Eigentlich nur körperlich anwesend. Manchmal leicht am lallen und immer mit den Gedanken, sofort ins Bett fallen zu wollen.
Es ist halt doch etwas viel und ich brauche die Abende und vor allem auch die Wochenenden, um zu regenerieren.
Gerade an den Wochenenden merke ich es besonders. Wie sooft ist es so, dass Reaktionen bei mir erst dann kommen, wenn ich zur Ruhe komme und so haut es mich momentan gerade dann richtig um.

Momentan beschäftigt es mich sehr, dass ich immer noch keinerlei Reaktion vom Arbeitsamt habe in Bezug auf die Reha. Ich frage mich schon die ganze Zeit, ob sie mein Schreiben überhaupt erhalten haben. So langsam wird es wirklich eng, da damit ja auch Folgeanträge zusammenhängen und die Fristen dazu langsam ablaufen.
Aufklärung würde da nur ein Telefonat verschaffen, aber ich sehe mich dazu derzeit nicht in der Lage.
Es ist ja schon schwierig genug für mich, überhaupt da anzurufen. Aber zumindest wusste ich da immer sehr genau, was ich sagen muss.
„Name, Kundennummer und das mein Berater zurückrufen soll“.
Mehr war da eigentlich nie nötig und hatte ich mich sowieso darauf eingestellt, dass besagte Person anruft, dann geht es einigermaßen, da ich meist vorher genau festlegen konnte, was ich sagen muss.
Auch wenn ich dazu erwähnen muss, dass durchaus auch mal Monate vergehen können, bevor ich mich dazu überreden kann, dort überhaupt anzurufen.

In diesem Falle müsste ich mich aber erst herumtelefonieren, um an die richtige Stelle zu kommen und es würde hier auch nicht reichen, einfach nur ein paar feste Daten durchzugeben. Vielmehr müsste ich die Situation vermutlich mehrfach schildern und das schreckt mich enorm ab.
Ich weiß, es ist immens wichtig, aber ich bekomme es einfach nicht hin und wenn ich das nicht bald mache, stehe ich unter Umständen ohne Geld da. Denn dafür bräuchte ich dringend die schriftliche Aussage des Arbeitsamtes.

Momentan sehe ich da noch keine Lösung und daher kreisen da mal wieder die Gedanken und machen mir den Start in die nächste Woche unnötig schwer.

Aber ich wollte euch ja noch erzählen, wie das so mit der Wörtlichkeit so ist.
Zur Vorgeschichte hatte ich einen Defect geschrieben, indem ich ein gewisses Fehlverhalten beschrieb woraufhin ich eine sehr detailliere Antwort bekam, wie sich diese Komponente in welchem Falle verhält. Inklusive der Anweisung, das ganze nochmal unter diesem Aspekt zu prüfen.
Ich mich also im Internet auf die Suche nach einem Programm gemacht, dass eben genau solch ein Verhalten simulieren kann und wäre ich nicht je damit gestoppt worden, dass ich eben keine Downloads durchführen kann, hätte ich vermutlich auch den Test genauso durchgeführt, um meine Aussagen verifizieren zu können.
Bis dahin hatte ich zum Vorgehen rein gar nichts in Frage gestellt und kam daher auch nur deswegen auf die Idee mal bei den Anprechpartnern zu fragen, weil ich eben an der Stelle nicht weiterkam.
Man, wäre das peinlich geworden, so im Nachhinein betrachtet, wenn ich denen tatsächlich genauste Ergebnisse geliefert hätte, denn anscheinend war die Auflistung des genauen Verhaltens eher so gemeint, dass es nicht zu testen ist.
Ich habe mir das ganze immer wieder durchgelesen und ich sehe einfach nichts, woran ich das hätte erkennen können.
Irgendwie kann ich dann ja noch froh sein, dass ich nicht zur Ausführung kam.

Das war dann noch die Geschichte, die ich euch erzählen wollte ;).
Nächste Woche beginnt meine letze Woche als Praktikant bei Auticon und damit wird dann auch der nächste Bericht aus meiner Reihe zum Bewerbungsverfahren bei Auticon eher ein Abschlussresume sein.
Ausser, es ereignet sich noch irgendwas, dass ich euch umbedingt erzählen möchte, was ich aber nicht glaube.

Im diesen Sinne, bis die Tage.

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in dieser Reihe:

Zu Gast bei Auticon

Erprobungswoche Auticon: Tag 1

Erprobungswoche Auticon: Tag 2

Erprobungswoche Auticon: Tag 3

Erprobungswoche Auticon: Tag 4

Erprobungswoche Auticon: Tag 5

Ein Gespräch bei Auticon

Praktikum (erste Woche)

Praktikum (zweite Woche)

Praktikum (dritte Woche)

Praktikum (vierte Woche)

Praktikum (fünfte Woche)

Praktikum (achte Woche)

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"Autismus ist nichts Erstrebenswertes, nicht heilbar und es ist ein Leben, das mich jeden Tag aufs neue fordert, in einer Gesellschaft zu bestehen, die nicht autistengerecht ist. Es ist mein Leben und nicht nur eine Diagnose." (Zitat Mädel)
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  • @hippocampus137 das hat sie bei einer Veranstaltung gesagt, wo ich mal war. ist schon eine weile her. und ja, sie m… twitter.com/i/web/status/1… 3 years ago
  • und jetzt der gau! ich bin so wütend und hilflos. 3 years ago
  • @andersbunt ich wüsste momentan nichtmal wo anfangen :( 3 years ago
  • @andersbunt das haben mich viele gefragt. das einzige was ich erhalten habe, war noch mehr dass ich schaffen muss 3 years ago
  • @Niesel_Priem das ist bei mir kaum trennbar 3 years ago
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