Schlagwörter
Arbeitswelt, Asperger, Asperger Syndrom, ASS, Autismus, Autismus-Spektrum-Störung, HFA, Hochfunktionaler Autist, Overload
Schnell muss ich sein. Viel in kurzer Zeit lernen und dann hyperfunktionieren. Kaum Zeit mich zu regenerieren. Ich fahre los. Habe noch einen wichtigen Termin heute. Wie so oft. Bis zur letzten Sekunde habe ich gearbeitet. Zeitdruck nennen sie das. Ich nenne es mal wieder ein viel zu langer Tag, nach viel zu vielen langen Tagen.
Wie jeden Tag checke ich kurz vor Abfahrt per App die Straßenlage. Für die Autobahn ist ein Stau von mittlerweile 24 min angesagt. Ich folge dem Navi raus aus München, die Autobahn vermeidend, da so spät dort kein Durchkommen ist.
Ich komme ganz gut an den Brennpunkten durch. Mein Termin ist zu schaffen und so bin ich zwar sehr geschafft von den langen Tagen, aber zumindest werde ich meinen Termin heute einhalten können.
Ich möchte ihn nicht noch einmal verpassen. Nicht nochmal hilflos vor ihnen stehen und irgendwie erklären müssen, warum ich nicht da war.
Die Ungerechtigkeit ertragen müssen, dass der Termin verfällt. Eine Tatsache, die mich fast platzen lässt, weil es ihnen gänzlich egal ist, ob ich nun was dafür kann oder nicht. So sitzt mir jedesmal auf’s Neue die Angst im Nacken.
Schaffe ich es heute? Werde ich rechtzeitig da sein.
Früher hätte ich zwei Termine am Tag vermieden aus eben solchen Gründen. Ich verpacke sowas sehr schlecht. Seit ich wieder arbeite, weiß ich aber nicht, wie ich es anders legen soll und dann machen sie einem auch noch ein schlechtes Gewissen, weil man so früh gehen muss.
Zumindest ist das nur aus ihrer Sicht so. Immerhin habe ich einen 6 Stunden-Vertrag und heute waren es tatsächlich 9 Stunden. Und dann noch dieser Termin.
Immer noch in Gedanken bei „haben sie es gut…, nein, schon gut,… bis morgen“ (was soll mir das jetzt sagen) fahre ich weiter.
War es jetzt nicht ok, dass ich nach 9 Stunden heimgefahren bin? Ich halte sowas auf Dauer sowieso nicht aus. Nicht ohne Grund habe ich einen 30 Stunden Vertrag.
Ein paar Tage geht das gut, aber irgendwann breche ich zusammen.
Ich überlege, ob ich meiner JobcoachIn was sagen soll. Aber da kommt dann wieder mein Perfektionismus durch.
Ich möchte meine Arbeit gut machen und niemanden enttäuschen. Auch wenn es nicht meine Schuld ist, dass der Kunde viel zu wenig Zeit für viel zu viel Arbeit angesetzt hat.
Zumindest sind meine Kinder momentan nicht da, sodass ich abends etwas mehr Erholung habe als sonst. Wie lange ich wohl durchgehalten hätte, wenn sie da gewesen wären? Wer weiß das schon.
Wenigstens werde ich es heute schaffen und so wie es aussieht, geht es mir noch gut genug, dass ich zwar etwas erschöpft und verpeilt, aber *sicher* ankommen werde.
Nach 34 min bin ich am Stau vorbeigefahren. Nun also auf die Autobahn. Das spart Zeit. Wie immer stockt es zwar an der Stelle, wenn ich auffahre, aber das verliert sich schnell, sobald alle auf und abgefahren sind. Diesmal schneller als gewöhnlich.
Meine Gedanken kreisen um die Aussage, dass wir die nächste Woche „ranklotzen“ müssen.
Freudig registriere ich die Anzeige das 100 erlaubt sind. Hui, dass hatte ich auf der Strecke schon lange nicht mehr. Nicht an der Dauerbaustelle.
Innerlich fange ich zu feiern an. Die Baustelle ist ja weg. Cool. Das muss ich gleich Mitbewohner erzählen, wenn ich dann heim komme.
Das ist ja toll.
Vorbei wären die Zeiten, wo ich fast die Hälfte länger (manchmal wesentlich mehr) brauche, als so schon.
Boah, jetzt sind es sogar 120 und die „armen Schweine“ auf der anderen Seite. Die stehen komplett im Stau. Aber verständlich. Hatten ja eben noch einen Unfall auf der Strecke angesagt.
Befreit von der Sorge, es nicht mehr rechtzeitig zu schaffen, rausche ich auf der Autobahn dahin. Stelle mir Mitbewohners Gesicht vor. Wie er es wohl auffassen wird, dass die Dauerbaustelle weg ist?
Je werde ich in meinen Gedanken unterbrochen, als mein Navi brüllt, dass ich an der nächsten Ausfahrt abfahren soll um zu wenden, 9 km vor München.
Ach du sch….
Da habe ich in 19 min alles zunichte gemacht. Bin nun wieder fast da, wo ich die Fahrt „gestartet!“ hatte. Das schaffe ich nie!
PS: Ich kann mir immer noch nicht erklären, wie ich falsch auf die Autobahn auffahren konnte. Vor allem auf einer Strecke, die ich mittlerweile sehr gut kenne, da ich sie täglich fahre. Egal wie oft ich mir gerade die Bilder anschaue, ich kann es nicht verstehen, was da passiert ist.
Ich kann verstehen, was da passiert ist. Die Arbeit überlastet dich und irgendwann kommt es deswegen zu Ausfällen.
Die Jobcoachin ist dafür da, dass du dich nicht vom Kunden ausbeuten lässt. Wenn du für 6 Stunden eingestellt bist, sollte spätestens nach 7 Stunden Feierabend sein. An deiner Stelle würde ich mich sofort an deine Jobcoachin wenden und Alarm schlagen. Spätestens morgen früh.
Wenn du dich nicht bei deiner Jobcoachin meldest und dann irgendwann die Belastung nicht mehr aushältst, wird sie dir vorhalten, dass du deine Überforderung nicht rechtzeitig und klar kommuniziert hast… War / ist zumindest bei mir so.
Ja, das kann gut sein und ich bin mir sicher, dass du mit der Jobcoachin recht hast. Sie würde schimpfen. Ändert aber nichts daran, dass ich immer versuche alles möglichst perfekt zu machen und dieses Gefühl, niemanden entäuschen zu wollen, ist sehr groß.
Zitat: „Immerhin habe ich einen 6 Stunden-Vertrag und heute waren es tatsächlich 9 Stunden. “ / „War es jetzt nicht ok, dass ich nach 9 Stunden heimgefahren bin? “
Mich irritiert nun deine Frage.
Hast du nun an diesem Tag 3 Stunden mehr gearbeitet., als es im Vertrag steht?
Oder hast du 9 Stunden geschrieben aber 6 Stunden gemeint?
Wenn du 3 Stunden (50% mehr als vereinbart) gearbeitet hast ist es dein Recht …. nein deine PFLICHT (dir gegenüber) die Arbeit an diesem Tag zu beenden.
Glaub mir: Die Arbeit geht nie aus. Und es gibt immer wieder etwas was mehr/besser getan werden könnte.
Nur muss ausrechend gut => Gut genug sein.
Vor allem bei Perfektionisten.
Sonst frisst einem die Arbeit die Lebensresourcen einfach weg …
Gruss Geralt
Es waren gestern tatsächlich 9 Stunden. Also 3 Stunden mehr als meine vertraglich geregelte tägliche Arbeitszeit
Mir passiert so etwas, wenn ich vollkommen erschöpft bin. Dann fahre ich wie in einem Tunnel.
Die Gedanken rasen wie verrückt, machen sich selbstständig; und fressen sämtliche Konzentrationsfähigkeiten auf.
Sprich mit Deinem Jobcoach, dass er schaut, dass es mehr Tage mit Deinen vertragl. 6 h gibt, anstatt solcher horrend langen Tage.
Mit Kindern und Schulalltag wird das nicht funktionieren. Da geb ich Dir Brief und Siegel drauf (RW).
Und Du brauchst da kein schlechtes Gewissen zu haben. Du hast die Stelle mit Grund auf 30h beschränkt.