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Ich komme in letzter Zeit nur selten zum Schreiben. Was sehr schade ist, denn eigentlich passiert momentan so viel und schreiben war immer schon meine Art Dinge zu ordnen oder für mich zu verarbeiten.
Oft ist es dann so, dass so viele Dinge aufeinander folgen, sodass ich eigentlich schon das nächste schreiben müsste. Das davor ist aber genauso wichtig und dann hemmt mich das, überhaupt anzufangen. Chronologisch wäre es dann ja nicht mehr.

Daher habe ich mich entschieden ein Update zu schreiben. Ganz weglassen finde ich einfach nicht richtig. So mag ich euch als erstes von meinem Dreh(tagen) berichten.

 

Drehtag, oder wie Mädel im Fernsehen landet

Vor den großen Ferien trat man an mich heran für ein Interview, indem es grob darum gehen sollte mich als Autistin in meiner Arbeitswelt darzustellen. Dazu gab es verschiedene Blickwinkel.
Kunden, Jobcoaches, Chef und eben meine Wenigkeit. Da ich sowas in der Form noch nie gemacht hatte, war ich doch recht nervös. Aber auch, weil ich mich schon aus anderen (zugegeben ungezwungeneren und ich meine jetzt nicht damit, dass ich gezwungen wurde) Interviews her kenne.
Normalerweise halte ich zum Thema aus dem Stehgreif regelrechte Monologe und insofern ich mich schon mit dem Thema beschäftigt habe, stellt es für mich auch kein Problem dar, sehr lange Texte dazu zu verfassen und zu erklären. Sobald aber gezielte Fragen gestellt werden und dann auch noch verbal, habe ich enorme Schwierigkeiten aus der Vielzahl aus Informationen auf den Punkt zu kommen.

Wenn man mich nur vom Schreiben her kennt, dann kann man sich das vermutlich schwer vorstellen. Zumindest bekomme ich häufig die Rückmeldung, ich würde es hier immer so schön auf den Punkt bringen.
Um mehr Sicherheit zu bekommen bat ich um ein Vorgespräch, auch wenn es allgemein nicht üblich ist laut der Journalistin. Mitunter, um mich auf die Person besser einstellen zu können. Die Fragen wurden mir kulanter Weise schon vorab geschickt und so ging ich diese immer wieder im Geiste durch.

Leider hatte es nicht ganz wie geplant funktioniert. Ein genauer Ablaufplan war nicht zu kriegen „Im Groben halten wir uns an den Ablauf und an die Fragen, aber manchmal verläuft es anders oder es erfordert andere Fragen“ hieß es und „generell bereite ich mich ungern zu genau vor, weil ich die Sicht der unwissenden Zuschauer einnehmen möchte.“
Zumindest wollte ich sie auf das ein oder andere einschwören. Zum einem, dass sie Autismus auf gar keinen Fall als Krankheit benennen soll und ich so auch nicht dargestellt werden möchte, zum anderen will ich auf keinen Fall Dose als fachlichen Gegenpart haben. Dies hatte ich sehr deutlich kommuniziert.
Umso ärgerlicher war es, als ich nach dem ersten sehr anstrengenden Drehtag erfahren musste, dass genau dieser als Fachmann eingeladen wurde.

Der Drehtag selber hatte teilweise sogar Spaß gemacht. Zumindest konnten wir Akteure über die Tatsache lachen, dass wir manche Szenen immer und immer wieder aus verschiedenen Perspektiven drehen mussten. Gerade die Szene, wie wir durch die Drehtür kamen spielten wir insgesamt 9 mal durch. Dafür, dass sie dann nicht im Beitrag zu sehen ist, doch erstaunlich.

Überhaupt ist es ein Erlebnis zu sehen, wie Stunden über Stunden an Drehmaterial gebraucht werden, um einen gerade mal 3-4 minütigen Beitrag zu füllen. Aber nun gut.
Der Drehtag selber war sehr anstrengend. In den weitesten Fällen ist sie tatsächlich bei den Fragen geblieben. Die groben Abläufe waren identisch wie im Vorgespräch besprochen. Lediglich die zeitlichen Abfolge wurde eher flexibel gestaltet.

Da ich aber stetig meine Jobcoachin an meiner Seite hatte, fühlte ich mich insofern sicher genug. Verwirrend fand ich jedoch, dass immer wieder das Interview unterbrochen wurde: „Das ist zu lang, lassen sie das weg, kürzen sie das, das würden die Zuschauer so nicht verstehen, das ist zu tief in der Materie“.

Am Ende war ich so verwirrt, was ich denn nun antworten soll, dass ich stellenweise nur sehr kurz und knapp auf die Fragen einging und dann immer wieder verwirrt inne hielt. War das jetzt zu viel? Soll ich noch mehr sagen?

Ein paar Mal schien sie auf mehr zu warten. Zumindest nehme ich das an, weil sie weiter mit der Kamera auf mich hielt. Aber es kamen keine weiteren Fragen und mehr sollte ich ja nicht sagen. Dadurch ergab sich, dass ich sehr unzufrieden mit vielen meinen Antworten war. Das kann ich eigentlich besser erklären.

Was ich nicht wusste. Etliche Male hielt sie die Kamera auf mich, ohne es vorher mit mir abzusprechen und so kam auch der Part mit dem Navigationssystem zustande, den sie, trotz meiner Forderung, diesen nicht zu zeigen, mit in den Beitrag aufnahm.

Irgendwie hatte ich das Gefühl, dieser Teil wäre genau das reißerische Bild, dass sie gern von Autisten in Medien zeigen und genau das wollte ich ja eigentlich nicht.
Insgesamt war ich doch sehr enttäuscht. Dinge, die ich im Vorfeld klar kommuniziert hatte, wie *Dose nicht* oder das mit dem *Navi raus*, wurden einfach übergangen.

Aber auch enttäuscht von mir. Ich fand mich furchtbar schlecht. Lustigerweise fanden das andere wiederum weniger, die den Beitrag gesehen hatte und so nehme ich an, dass etwas Wahres daran zu sein scheint.

Dass man sich selbst immer als den schlechtesten sieht, am kritischsten und Dinge an sich selbst bemängelt, die anderen wahrscheinlich gar nicht auffallen.
Rein aus Neugier, ob sich an dieser Stelle meine Vermutung bewahrheitet, stellte ich den Beitrag auf FB zur Verfügung ohne dabei zu erwähnen, dass es dort um mich ging. Allerdings verplapperte sich recht am Anfang schon jemand, aber tatsächlich kam der Beitrag wider Erwarten recht gut an.

Als souverän und selbstbewusst wurde ich beschrieben. Ich war teilweise schockiert. Hat man mir meine Unsicherheit wirklich so gar nicht angesehen?
Eine Stelle wurde angesprochen, an der ich mit meiner Jobcoachin im Hintergrund lache (und ja, Autisten können lachen).

Mich verwundert, habt ihr denn gerade in der Szene nicht auf meine Haltung und Hände geachtet?
Das Stimming war eigentlich deutlich zu sehen. Deutlicher als mir lieb war. Dabei hatte ich mich während der Interviews so sehr versucht unter Kontrolle zu halten. Aber sei es drum.

Die Drehtage waren rum, der Beitrag ausgestrahlt und so geht es weiter im Text.

 

Urlaub, dass haben wir uns verdient, oder doch nicht?

Denn nun mag ich euch noch von meinem Urlaub erzählen, bzw. vom jähen Ende, der vermutlich alles an Erholung auf einen Schlag nieder machte.
Ich hatte mich so sehr gefreut. Entgegen der Planung sprang tatsächlich doch noch ein Familienurlaub für mich raus. Wenn wir auch nur eine Woche zur Verfügung hatten, um wegzufahren, wollten wir das ausnutzen.

Da es so nicht geplant war, hatten wir nicht genug Zeit zur Verfügung, um alle auf den neuen Ort vorzubereiten und gerade mein Mittlerer braucht dazu etwas mehr Vorlauf. So starteten wir alle sehr aufgeregt in eine Woche Kroatien.
Es war insgesamt wirklich sehr schön und ich könnte mir vorstellen da nochmal hinzufahren. Auch den Kindern hat es gefallen und da Mitbewohner und ich schon ein recht gut eingespieltes Team waren, lief alles auch recht gut. Wir hatten uns diverse Sehenswürdigkeiten angeschaut, aber die meiste Zeit verbrachten wir am Meer. Und so machten wir uns erholt nach einer Woche wieder auf, nach Hause zu fahren.

Um dem Stau zu umgehen, fuhren wir erst nachmittags los und unsere Strategie schien aufzugehen. Als wir uns dann in Österreich befanden, sah es so aus, als würden wir gut durchfahren können und so würden wir in gut 3-4 Stunden zu Hause sein.

Plötzlich fing das Auto an zu fiepen und verlangte dringend nach Kraftstoff.
Das verwunderte uns sehr. Immerhin hatten wir kurz vor Fahrtantritt erst getankt und die vorherige Tankfüllung hatte für die ganze Fahrt nach Kroatien plus dem Herumgefahre dort gereicht.

Nun meckerte der Wagen nach einem Viertel der Strecke im Vergleich nach Diesel und schien völlig leer zu sein.
Wir fuhren raus um zu tanken, nur um danach wiederum der Tankanzeige praktisch im Eiltempo zuzusehen, wie sie Richtung leer sauste.

Wir also bei der nächsten Gelegenheit wieder runter von der Autobahn und nun ja, da standen wir dann.
Mitten in der Nacht, am Wochenende, inklusive 5 Autisten und keine Ahnung wie es weiter gehen sollte.
Das Auto am qualmen, alles inklusive Anhänger und Fahrräder von einem feinen Film Diesel überzogen. So hatten wir gut 50 l Diesel als Spur hinter uns hergezogen, als uns die Benzinleitung zerriss, sodass auch die Strassenwacht ausrücken musste.

Die Schwierigkeit war. Weder der ADAC noch VW waren für den Anhänger zuständig. Der war unser Problem und mehr als ihn mit abschleppen war nicht drin. Die Sicherung des Inhalts war dann rein unser Problem und so erschienen wir erst sehr spät im Hotel. 2 Zimmer für 6 Personen ohne jede Rückzugsmöglichkeit.

Twitter war ja praktisch live dabei und hatte prompt auf unsere Hilferufe gehört und ich bin immer noch sehr dankbar und überrascht, wie viele uns helfen wollten und Anteil nahmen.
Im Hotel angekommen war ich fix und fertig und leider hatten das mein Umfeld auch zu spüren zu bekommen.

Vor allem aber diese Kellnerin am nächsten Morgen beim Frühstückbüffet.

„Hol dir doch einen Kaffee,“ sagte Mitbewohner und es war ja nicht so, als hätte ich es nicht schon versucht, aber da waren diese beiden überaus zuvorkommenden und damit aufdringlichen Kellner.

Ich war aber zu dem Zeitpunkt schon lange nicht mehr in der Lage irgendwas zu erklären und so trabte ich nochmal hin. Immerhin wollte ich ja auch einen Kaffee und um Hilfe bitten konnte ich nicht mehr.

Ich also nochmal an das Büffet. Und ja, ich muss etwas ratlos gewirkt haben, als ich vor der Maschine stand. Aber so bin ich nunmal mit neuen Dingen. Ich beobachte und analysiere sie zuerst.

Selten, dass ich einfach hingehe und auf irgendwelche Knöpfe drücke und normal ist es auch nie so, dass ich keine Zeit dazu habe. Auch wenn viele häufig nicht verstehen, dass mir sowas schwer fällt und das obwohl ich ein sehr gutes Verständnis für Technik habe.
So also stehe ich wieder davor, mit einer Tasse in der Hand und schaue mir alles genau an und wieder stehen prompt zwei Kellner hinter mir und fragen mich, ob sie helfen können.

„Nein,“ sage ich und bleibe vor der Kaffeemaschine stehen. Die Kellner flankieren mich und fragen abermals, ob sie mir nicht doch helfen sollen.

„Nein,“ schon etwas lauter. Mir war nach weggehen, aber die Kellner standen mir im Weg.

Vermutlich meinte es die Kellnerin nur gut, vermutlich erkannte sie auch meine Verzweiflung und interpretierte sie in die falsche Richtung und fing mich an am Oberarm zu tätscheln und mir beruhigend zuzureden, dass sie mir gerne helfen würden.

„NEIN, NEIN, NEIN“ brüllte ich, schmiss die Tasse zurück an seinen Platz, drängte mich grob an ihnen vorbei und flüchtete.
Es reicht

Ich wollte nur noch eins, nach Hause. Auch wenn ich es hasse mit mir fremden Autos zu fahren und auch obwohl mir bewusst war, dass die Strecke weit über dem sein würde, was ich mir normalerweise allein zutraue. Es musste sein. Ich konnte einfach nicht mehr.

Das Hotel war alles andere als autistenfreundlich und das kann man ja auch nicht verlangen.
Außerdem sollte bereits am Dienstag die Schule beginnen und da es die Einschulung meiner Tochter war, musste noch viel vorbereitet werden.

So war ich trotz meiner Ängste heilfroh, als mein Mitbewohner noch einen Wagen auftreiben konnte und ich mit den Kindern nachmittags endlich die Heimfahrt antritt.
Ohne Mitbewohner zwar, denn er musste beim Auto bleiben und die Reparatur abwarten, damit er dann diesen und den Anhänger mit heim bringen konnte. Ungewiss, ob er rechtzeitig zur Einschulung zurück sein sollte.

Ich hätte nicht allein mit den Kindern zum versprochenem Essen fahren können und so wartete ich bange auf eine gute Nachricht.

Meine Tochter wäre tottraurig gewesen, wenn wir ihre Schuleinführungsfeier hätten verschieben müssen und da sonst keiner kommen würde, brauchte ich Mitbewohner dringend.
Es ging letztendlich gut. Auch wenn ich immer noch ein wenig an den letzten Tagen knabbere.  Mitbewohner kam einen Tag später zurück und Tochter feierte ihre Schuleinführung.

Aber lieber ADAC. Das mit der Rechnung, das müssen wir noch klären.