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Ich bin derzeit sehr nachdenklich. Frage mich, ob ich mit meinen Ansichten wirklich so allein dastehe, wie es oft den Anschein hat.
Wie ich Gerechtigkeit für mich definiere hatte ich hier schonmal versucht zu beschreiben, aber es ist nicht nur das.

Es ist meine Art, gewisse Dinge anzugehen. Ich habe jahrelang ehrenamtlich gearbeitet und auch wenn ich nie der große Teamplayer war, so hat sich eins bei mir immer wieder bewährt: meine Hartnäckigkeit.
So kann ich mich sehr lange in ein Projekt verbeißen und selbst wenn es nur kleinste Schritte sind, so habe ich oftmals die Erfahrung gemacht, dass diese vielen kleinen Schritte sich irgendwann zu was Großem mausern können.
Ja, es erfordert viel Mühe, viel Kraft, viel Diskutiererei, immer wieder irgendwo vermeintlich das Gleiche. Aber irgendwann kommt der Punkt, da scheint der Knoten zu platzen.

Es ist wie wenn sich die Waage, die vorher im negativen Sinne im Ungleichgewicht war, ganz langsam in die Waagerechte gerät, fast unmerklich und plötzlich kommt der Punkt an der sie umschwingt und sich ins Positive neigt. Je nach Gewichten kann sich dieser Prozess ewig hinziehen oder auch mal schnell gehen. Es kann auch mal ein neues Gewicht hinzukommen und erneut ein Gegengewicht erzeugen, das es zunächst auszugleichen gilt, bevor man wieder weiter ins Positive gehen kann.
Wenig bis gar nichts wird man erreichen, wenn man, um das Ganze zu beschleunigen, einfach mehr Steine auf die Seite wirft, die man selber vertritt. Die andere Seite wird dies dann genauso tun und so verkeilt sich nur das, was eigentlich in Bewegung sein sollte.
Nur wenn man langsam aber sicher die gegnerischen Steinen immer mehr auf seine Seite zieht, kann man wirklich auf Dauer was erreichen. Überzeugen, statt überrollen, kann man es auch nennen.
Denn sonst reicht nur ein Funken Zweifel auf der anderen Seite und alles ist wieder da, wo es vorher war.

Nehmen wir zum Beispiel das Thema ABA und Autismus Deutschland. Meint ihr wirklich, die lassen sich von uns sagen, dass sie diese Therapieform nicht mehr unterstützen und anbieten dürfen?
Sie werden sich immer weiter darauf berufen, dass es doch von Eltern und Verbänden so gewollt ist. Es steckt ja auch viel Geld hinter dieser Maschinerie und ABA ist bislang als Alternativlos gehandelt, was den Markt der Frühförderung angeht.
Wer würde da schon Gelder versacken lassen, uns zuliebe?
Oder nehmt meinethalben auch Aktion Mensch.

Denkt ihr wirklich, dass eine ABA Industrie sich das von ein paar Autisten so einfach nehmen lässt? Nur weil wir sagen, dass sie es lassen sollen?

Wie bei allem im Leben geht es hier um Macht und Information kann auch Macht sein.
Autismus Deutschland wird ABA anbieten und auch Aktion Mensch wird es weiter fördern, solange hier die Grundlagen so vorherrschen, das es auch genutzt und vermarktet wird.
Strategisch wäre es hier klüger, wenn auch der schwerere Weg, ABA den Grundstock zu ziehen.
Im Falle von Autismus Deutschland würde das bedeuten, einem Regionalverband nach dem anderen mitsamt ihrer Eltern davon zu überzeugen, dass sie nicht ABA nutzen sollen. Gibt es keine Anfrage mehr und keine Gelder, gibt es zuviel Gegenwehr aus den eigenen Reihen, dann wäre Autismus Deutschland irgendwann gezwungen, ABA herauszunehmen.

Ja, da ist sehr viel an Aufklärungsarbeit nötig und immer wieder werden neue alte Faktoren mit in die Waagschale geworfen, so das man vermeintlich ewig an selber Stelle zu stehen scheint und ja, es frustriert und raubt die Kraft. Aber auf lange Sicht hin, ist dies der bessere Weg.

Aktion Mensch zum Beispiel. Was bringt in dem Falle ein Spruch wie „ich werde nie wieder ein Los von euch kaufen und rede mit euch kein Wort mehr“. Das mag ein Zeichen setzen, aber hat allein viel zu wenig Gewicht. Das sitzt man aus und bald werden neue Dinge im Fokus stehen und dann kann es wieder so laufen wie bisher.
Wenn man nicht gleichzeitig bereit ist miteinander ins Gespräch zu kommen und aufzuklären, dann verhärten sich nur die Fronten und redet man nicht mehr miteinander, dann kann man auch nicht überzeugen. Dann kommt es darauf an welche Seite mehr Macht besitzt und glaubt mir, das sind nicht wir Autisten.

Auch hier sind es wieder die kleinen Schritte, die zum Erfolg führen können. Aleksander hat da einen eindrucksvollen strategischen Weg gezeichnet und ich werde ihn dabei aus vollsten Kräften unterstützen.

Ja, ich gehe diesen Weg mit dir!

Aber nicht nur diesen.

Ich hatte da mal einen Traum. Ein Miteinander reden sollte es sein. Auf gleicher Augenhöhe. Ein Ort, wo Autisten, Fachleute, Angehörige und Interessierte sich auf sachlicher Ebene austauschen können.
Fragen stellen dürfen, auch mal voll daneben argumentieren.

Aufklären. Denn immer noch bin ich der Meinung, dass nur eine breite Aufklärung wirklich auf Dauer etwas bewirken kann.
Aus diesem Grunde gründeten wir damals eine Gruppe in Facebook, die rein dem sachlichen Austausch dienen sollte.

Ich wollte was bewirken. Viel zu oft wird immer noch ein völlig falsches Bild von Autismus gezeichnet. Sei es in oder durch Medien. Sei es durch falschen Gebrauch des Wortes Autismus als Synonym für schlechte Eigenschaften oder auch das Bild, dass viele Menschen von Autismus haben. Eine Krankheit, arme Betroffene, Menschen zweiter Klasse, denen man mit Hilfe zur Anpassung ein einigermaßen lebenswertes Leben gewähren kann.
Dieses Bild herrscht vielerorts nach wie vor und wird auch so unter Fachleuten gelehrt. Ja wirklich, Therapeuten, die frisch von den Schulen kommen oder frisch gebackene Psychiater haben, insofern sie überhaupt Berührungspunkte mit Autismus hatten, meist nur veraltete Ansichten gelernt. Für sie sind wir bestenfalls Klienten, die ihre Hilfe brauchen.
Inzwischen sind nun manche schon so weit und informieren sich immer mehr aus diesem Pool heraus, kommen in solche Gruppen wie die meine, sagen ein falsches Wort und werden sinnbildlich niedergemetzelt.

Natürlich ist es falsch und auch mich wurmt es, wenn ein Therapeut reinkommt und gleich davon anfängt wie sehr wir doch als Autisten leiden müssen. Aber das wurde Ihnen so beigebracht, gelehrt, impliziert aus den verschiedensten Kanälen. Kein Mensch kommt auf die Welt und weiß sofort, dass Autisten furchtbar leiden müssen. Das wird gemacht.

Aber indem wir uns dann wie Furien und Hyänen auf eben diese Menschen stürzen, verfestigen wir doch nur das Bild. Erreichen lediglich nur damit, dass diese ganz schnell wieder gehen und nie wieder mit Erwachsenen Autisten reden wollen. Wenn wir Glück haben. Schlimmstenfalls erreichen wir damit, das sie sich eventuell denken “ ach herrje, das sind erwachsene Autisten, die hatten nie eine Therapie. Lieber ganz früh den Kindern helfen, dass sie so nicht werden..“ z.b.
Und schon sind wir da wieder in einer Spirale, aus genau der wir doch die ganze Zeit versuchen herauszubrechen, aber solange wir uns teilweise so benehmen, werden wir niemanden finden, der uns wirklich zuhören wird.

Wäre es nicht viel sinnvoller, gerade die an die Hand zu nehmen, die tatsächlich Interesse an ein mit uns zeigen, logisch und sachlich aufzuzeigen warum wir diese Form der Bezeichnung nicht mögen. Warum man uns nicht umerziehen soll. Warum wir sind, wie wir sind und wo wir wirklich gemeinsam einen Weg finden könnten.
Wenn wir diese Menschen unser Leben zeigen könnten, versuchen zu erklären, Begriffe gemeinsam auseinandernehmen in einer sachlichen Art und Weise, dann kann es passieren, das diese dies mit nach draußen tragen und irgendwann in ein paar Jahren ihrerseits als Dozenten vor einer Klasse stehen und eine neue Generation von Therapeuten entstehen kann, die vielleicht schon ein wesentlich besseres Bild von uns und Autismus haben.
Ja, es ist der längere und beschwerlichere Weg, aber der sinnvollere und man kann nicht einfach erwarten, das sich Ansichten, die seit Jahren gewachsen sind einfach von heute auf morgen ändern.

Es sind ja nicht nur die Therapeuten. Gerade in meiner Gruppe, aber auch in vielen anderen Bereichen, wie Foren oder Twitter beobachte ich dieses Treiben schon eine Weile.
Da kommen Leute, frisch von der Diagnosestelle mit ihrem Kind, mit gerade mal oberflächlichem Wissen über Autismus und suchen Rat. Es ist nunmal den meisten Eltern eigen, vermeintlich das Beste für ihre Kinder zu wollen und zusammen mit der Annahme, dass doch nur das allbekannte angepasste Leben ein lebenswertes ist, nach Wegen zu suchen, ihrem Kind die bestmögliche Förderung angedeihen zu lassen.
Die Zeiten, wo man sein Kind so lassen kann wie es eben ist, sind gesellschaftlich schon lange vorbei, so wird es immerzu impliziert und nun ist es an uns diesen Eltern zu erklären, dass diese Gesellschaft eben nicht das Maß aller Dinge ist.
Macht es da Sinn, jede Diskussion über ABA und MMS, über Darmsanierungen und was weiß ich für einen Humbug, sofort im Keim zu ersticken? Oder sollte man lieber den Eltern nicht sachlich und logisch aufzeigen, was solche Dinge mit ihren Kindern anrichten könnten?
Wenn Sie bei uns nicht fragen dürfen, dann gehen sie dahin, wo sie es dürfen und womöglich dann die Antworten erhalten, die sie dazu bewegen, tatsächlich damit anzufangen.
Ist es das was ihr wollt?

Und ja, es ist nervenaufreibend. Auch für mich. Auch ich bin nur ein Mensch und emotional und auch ich reagiere manchmal über. Auch ich stehe viel zu oft da und brülle in die Landschaft „nicht schon wieder die Scheiss Darmsanierung“, aber dennoch versuche ich immer wieder mich zur Ruhe zu ermahnen. Weiter sachlich zu bleiben und gegenzulenken, in der Hoffnung, dass doch irgendwas von dem ankommt, was wir versuchen zu erklären.
Es klappt auch oft genug.

Es ist auch nicht richtig eine Gruppe dazu zu missbrauchen, dass einem genügend gehuldigt wird. Für mich ist es eine Gruppe, die ich aus einer gewissen Zielsetzung heraus gegründet hatte, deren Admin ich bin. Es ist aber nicht „meine“ und darin sind nicht meine „Anhänger“, die alle gefälligst meiner Meinung sein müssen. Wenn das wirklich so gewollt ist, dann muss ich für mich meine Konsequenzen ziehen, denn eine solche Gruppe will ich nicht.
Wenn ein wirklicher Austausch nicht möglich ist und ich niemanden finden kann, der mit mir diesen Weg weiter beschreiten möchte, dann will ich diese Gruppe nicht mehr machen.
Dann suche ich fortan andere Wege.

Nur welche?

Anderer Fall in einem Forum. Da kommt Denise Linke und fragt nach Meinungen, Vorschlägen und eventuell Ideen und wird buchstäblich auseinandergerissen für eine Aussage, die sie mal irgendwo getroffen hat. Sachlich betrachtet, hätte dazu ein kurzes Hin und Her gereicht und dann wäre gut gewesen. Soweit ich mitbekommen habe, hatte man dem Thema dann sogar mehrere Threads gewidmet. Und vermutlich diskutieren Sie immer noch, warum oder ob und wie und was und weshalb und wieso, anstatt sich viel lieber dem zu widmen, was wirklich wichtig wäre. Da wird Ihnen schonmal eine Möglichkeit geboten mitzuwirken an dem Magazin Nummer und dann hat man nichts besseres zu tun, als das Autisten sich wegen irgendwelchen Aussagen gegenseitig an die Gurgel gehen.

Es muss nicht immer Hau Drauf oder Bann Hammer sein. Es geht hier nicht darum ein gewisses Klientel zu schützen. Nicht, wenn man wirklich Austausch betreiben und aufklären will. Denn dann muss man aus einem geschützten Bereich heraustreten und auch bereit sein, sich notfalls auch auf andere Meinungen und Ansichten insofern einlassen können, dass man vernünftig darüber diskutieren kann. Das heißt nicht, dass man es gutheißen muss, das mit Nichten, aber indem man nur den Hammer schwingt, ändert man keine Meinung.
Auch hier verhärten sich so nur die Fronten.

Stehe ich wirklich so allein damit da?

Es muss doch auch andere Wege geben, als immer nur Hau Drauf.

Update:
Manche Reaktionen von gestern sind für mich wenig nachvollziehbar.
Wo steht, das man sich als Autist alles gefallen lassen muss und ja, es gibt Menschen, wo es nichts bringt.
Die kommen aber auch nicht, um mit uns zu reden. Sie haben kein wirkliches Interesse daran. Vielmehr wollen sie verkaufen, überzeugen.

Diese stehen auch nicht auf Augenhöhe mit uns, sind nicht bereit zuzuhören. Sie stehen vermeintlich über uns.
Solche Menschen haben auch bei mir keine Chance. Denn so kann kein wirklicher Austausch stattfinden.

Auch ich habe da eine Grenze. Ich werde niemals einem ABA Vertreter eine wirkliche Plattform bieten, z.B.
Hier gilt es vielmehr die zu überzeugen, die denen diese Plattform bieten. Teils aus Unwissenheit.

Mir geht es auch um die, die wirklich wollen, die meist ein etwas falsches Bild von Autismus haben, aber selbst gemerkt haben, das da was nicht stimmt. Die Zweifler, an dem was sie tun.
Ja, selbst unter ABA kann es Zweifler geben, wenn sie nur genug von uns gelesen haben.

Nirgends stand, das man nicht nein oder Stopp sagen darf. Oder das ist giftig u.s.w.
Es geht um die Fragenden, nicht um jene, die das schon lange aus Überzeugung tun.

Es geht darum, das in letzter Zeit, auch aus Frust, viele einfach nur noch beim kleinsten Piep angegriffen wurden. Ein falsches Wort, eine falsche Frage und man sollte sich am besten sein virtuelles Grab schaufeln.
Was hat das für einen Sinn?