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AS, Asperger Autismus, Asperger Syndrom, Autismus, Autismus-Spektrum-Störung, Hochfunktionaler Autist
ich komme auf dieses Thema, weil sich momentan die Diskussion um verschiedene Therapieformen und speziell um ABA derzeit sehr häufen und ich auch an solch einer Diskussion beteiligt war.
Ich schreibe hier meine persönliche Meinung. Das möchte ich an der Stelle erwähnen, es kann in diesem Falle keine Allgemeingültigkeit haben.
ABA (Applied Behavior Analysis bzw. Angewandte Verhaltensanalyse) ist eine Therapieform zur Behandlung autistischer Störungen, die momentan immer mehr Anklang aber auch genauso viele Gegner hervorruft.
Der Grundsatz der Therapieform ist nichtmal durchweg schlecht. Nur die Umsetzung ist in manchen Bereichen mehr als fragwürdig.
So arbeitet das Programm nach dem Belohnungsprinzip oder ABA-spezifisch ausgedrückt mit Verstärkern, was sicher viele Eltern anwenden oder in einer Form erzieherisch umsetzten.
So kennt jeder mal die Situation, wenn es darum geht, etwas Unangenehmes für das Kind einzufordern, weil es eben nicht anders geht, das man dafür eine Belohnung verspricht.
Beispielsweise eine Impfung, die ansteht oder eine Blutabnahme. Diese ist unangenehm. Das wissen beide Seiten.
Mein Sohn darf sich danach meist was Süßes raussuchen, einfach weil er so tapfer war und das mitgemacht hat. Tapfer heißt für mich dann nicht, dass er keinen Mucks von sich geben darf.
Schreien, fluchen, weinen, Angst haben etc. ist alles erlaubt. Nur ruhig soll er halten, damit er dabei nicht verletzt wird.
Hier sollte man sich immer fragen, was ist notwendig und was nicht.
Was MUSS wirklich sein.
Was ich in den letzten Tagen durch eine entbrannte Diskussion über dieses Thema gesehen und gelesen habe, geht mir doch entschieden zu weit.
So wird das Kind nicht nur mit seinem Verstärker belohnt. Es wird dem Kind auch weggenommen, wenn es sich nicht so verhält, wie es von ihm gewünscht ist.
Teilweise für Dinge, die sich absolut meinem Verständnis entziehen.
Ich frage mich wirklich, wo der Sinn hinter der Übung steht, wenn dem Kind das Lieblingsspielzeug in Sichtweite platziert wird, es damit aber nur spielen darf, wenn es einen Schluck Wasser trinkt. Außer vielleicht, um dem Kind zu beizubringen, das es sich dem Willen der erwachsenen Person zu unterwerfen hat.
Außerdem wird teilweise stundenlang mit dem Kind trainiert. Dieses „Training“ auch zu Hause stetig fortgeführt.
Noch fragwürdiger wird es, wenn von dem Kind Blickkontakt und/oder Körperkontakt erzwungen wird. Etwas, was vielen Autisten sehr unangenehm ist.
Das sieht man auch deutlich, wenn man sich entsprechende Videos im Netz anschaut zu diesem Thema.
Diese Videos haben alle eigentlich eines gemeinsam. Man kann schön den Zeitpunkt sehen, an dem der Willen des Kindes gebrochen wird. Teilweise hört man sogar deutlich Lautierungen, wie man sie von gequälten Tieren kennt.
Allein schon die Tatsache, dass meistens die Abfolge viel zu schnell geht, so das sie gar nicht begreifen können was man da eigentlich von ihnen will, so wird den autistischen Kindern gar nicht erklärt warum sie das machen sollen, sondern sie sollen einfach tun, was von ihnen verlangt wird.
Dazu noch oftmals eben die Stressfaktoren Blickkontakt und erzwungener Körperkontakt.
Stellt euch doch mal Folgendes vor.
Nehmt irgendeine Person, die ihr meinetwegen nicht leiden könnt. Diese Person hat sich ein paar Tage nicht gewaschen und riecht demzufolge unangenehm. Die Person hat vielleicht noch Kleidung an, die mit Schlamm bedeckt ist oder mit irgendwas Fettigem oder Ekligem. Es sieht schon von Weitem unangenehm aus.
Jetzt stellt ihr euch vor, dass eure Lieblingsbeschäftigung, das Buch das ihr gerne haben wollt, das leckere Getränk oder dieses leckere Essen oder der Kuchen, irgendwas in der Art vor euch hingestellt wird und euch gesagt wird, dass ihr das nur haben dürft, wenn ihr euch zu dieser Person auf den Schoß setzt und euch in dessen Umarmung begebt. Ich möchte dann mal sehen, wie ihr reagiert.
Zusätzlich stellt euch dann noch vor ihr werdet von einer Autoritätsperson dazu gezwungen zu gehorchen, noch dazu einer Person, der ihr vertraut und das wiederholt…ich lass das mal so stehen.
Sicher, man könnte jetzt sagen, das sind dann doch die Eltern, das könne man nicht vergleichen. Aber man muss sich dann vor Augen halten, das vielen Autisten Blickkontakt und Körperkontakt unangenehm ist. Unter vertrauten Personen manchmal eher möglich, aber selbst da gibt es Tage, vor allem in Stresssituationen, wo es sich kaum ertragen lässt und teilweise ein Körperkontakt sogar körperliche Schmerzen bedeutet.
Ganz zu schweigen davon, dass man hier den Willen eines Kindes bricht.
Kein Kind sollte lernen, ob nun autistisch oder nicht, das es Körperkontakt zulassen muss, nur weil der Erwachsene oder die Autoritätsperson das so will.
Was mich in der Diskussion allerdings weit mehr gestört hat als die Vorgehensweise an sich schon, war die Einstellung mancher Personen, die diese Form der Therapie anwenden.
Da wird erwartet, das ihr Kind von Autismus „geheilt“ werden kann. Das ihre Kinder „normal“ werden, nicht mehr autistisch.
Wenn Sätze fallen wie „…wenn mein Kind das alles mal kann und dann sogar ohne Rückzugsverhalten… wäre das nicht ein TRAUM“ dann sieht man deutlich, wie wenig sie eigentlich verstanden haben.
Ich will nicht bezweifeln das ABA kleine Erfolge bringt und das sogar recht schnell.
Das „richtige“ Verhalten wird recht schnell antrainiert. Aber dadurch geht das Autistische nicht weg, geschweige denn hat das autistische Kind dann auch wirklich begriffen, um was es genau eigentlich geht. Es lernt so nur zu funktionieren. Sich anzupassen und das kostet immens Kraft.
Gerade das Rückzugsverhalten ist wichtig um Kraft zu tanken.
Auch lassen sich gewisse Eigenschaften nicht wegtrainieren, höchstens überspielen. Die Überreizung durch die Umgebung bleibt auch bestehen.
Auch ich wurde als Kind und Jugendliche stetig trainiert. Ich habe schnell gelernt zu funktionieren. Andernfalls gab es Sanktionen oder Prügel. Beschimpfungen und Drohungen.
Ich habe gelernt eine „Rolle“ zu spielen. Ich habe gelernt das ich falsch bin so wie ich nunmal bin und das ich nicht verstanden werde. Das ich so zu sein habe, wie mich andere wünschen.
Dies ist nicht gerade förderlich für eine gute Entwicklung des Selbstwertgefühls.
Umso mehr ich unter Stress war, umso mehr war es mir nicht möglich, mich anzupassen. Dazu kam, dass ich es oftmals gar nicht schaffte, den Erwartungen zu entsprechen. Egal, wie ich mich anstrengte. Denn gerade die Missverständnisse in der Kommunikation blieben bestehen.
Selbst jetzt im Erwachsenenalter werden oft Dinge und Verhaltensweisen von mir erwartet, die ich in dem Maße oder so wie es erwartet wird, nicht erfüllen kann.
Gerade dieser Erwartungsdruck ist mir neben manch anderer Dinge am stärksten in Erinnerung geblieben und ich reagiere heute noch allergisch auf Erwartungen, vor allem dann, wenn ich sie gar nicht erfüllen kann.
Ich werde manche Dinge nie ändern können. Ich konnte und kann sie überspielen (viele davon) aber nicht dauerhaft und es strengt an.
Viele Autisten leiden an Komorbiditäten wie Depressionen, Burn-out, Angststörungen etc.
Ich lebe auch stetig an meiner Belastungsgrenze und das war auch der Grund, warum ich vor 2 1/2 Jahren zusammenbrach und momentan vor einem Scherbenhaufen von Leben stehe. Ist es das Leben, das ihr euch für eure Kinder wünscht?
Autisten lernen von sich aus je nach ihren Möglichkeiten, um in einer neurotypischen Welt bestehen zu können. Erklärt ihnen viel. Vertraut doch euren autistischen Kindern, dass sie das können. Es dauert vielleicht länger und ist für Eltern anstrengender. Aber wenn sie es selber lernen dürfen und vor allem auch verstehen. Dann lernen sie das nach ihrem Maß einzustellen. Ihre Kraft einzuteilen. Es ist auch keine Schande für die Bereiche Hilfe anzunehmen, die sie eben nicht allein bewältigen können.
Überlegt euch auch genau, was ihr da den Autisten alles abverlangt.
Wir sollen kommunizieren wie die Nichtautisten (NA), reagieren wie die Nichtautisten, uns verhalten wie die Nichtautisten, am besten noch das Leben leben, das Nichtautisten für uns am besten ansehen. Vielleicht auch denken wie Nichtautisten?
Wir sind aber keine NA´s. Dennoch machen wir vieles davon, sogar freiwillig. Damit wir zurechtkommen. Aber wir brauchen auch Momente, wo wir sein können, wie wir sind und nicht wie man uns haben will.
DAS WÄRE EIN TRAUM
Ein Traum wäre, wenn Nichtautisten sich auch mal die Mühe machen zu kommunizieren wie wir, sich zu verhalten, wie wir es brauchen, uns leben lassen, wie es uns gut tut, und ab und an sich die Mühe machen zumindest zu erahnen, wie wir denken…es ist schon anstrengend genug!
Wäre das nicht eine wichtige Aufgabe für den Ort, der der sicherste sein soll für einen Menschen: Sein Elternhaus?
Ich weiß, das es zu diesem Thema viele unterschiedliche Meinungen gibt und gerade die Eltern, die erste Erfolge mit dieser Form der Therapie gemacht haben, wird es schwer sein umzustimmen.
Ja, Autisten müssen auch lernen, nach ihren Möglichkeiten in der Welt da draußen zurechtzukommen. Aber denkt darüber nach, ob es auch in allen Bereichen sein muss und ob vielleicht der Preis dafür nicht doch zu hoch ist.
Anita sagte:
Ich kann Eltern nur einen Rat geben. Lasst Euch von erwachsenen Autisten die Welt Eurer Kinder erklären und versucht zu verstehen.
Je größer das Verständnis wird
und umso größer die „Nicht“-Erwartung wird
=> um so mehr werdet Ihr belohnt werden.
Anita
(Mutter von 4 Kindern, davon 2 Asperger Autisten)
Christa Banze sagte:
Bravo! Ich bin absolut begeistert von diesem Artikel. Ich hoffe, das geschriebene erreicht viele Eltern autistischer Kinder. Denn vielen Eltern fehlt das nötige Verständnis für ihre autistischen Kinder. Als Mutter eines Asperger schließe ich mich keineswegs davon aus, weil es verdammt schwer ist, sich in sein Kind „einzufühlen“ und nachzuvollziehen, wie er/sie empfindet. Deswegen habt auch ein wenig Verständnis für die nicht autistischen Eltern. Diese haben es auch nicht leicht. Der Umgang mit ihren autistischen Kindern ist eine stetige Gratwanderung.
Claudia sagte:
Selbst für autistische Eltern ist es schwer sich in die ebenfalls autistischen Kinder immer wieder einzufühlen. Es gibt ja nicht „den“ Autisten mit Checkliste „der ist dann und dann so und so und denkt/fühlt dann dieses oder jenes“.
Wenn der Erwartungsdruck der Gesellschaft nachlassen würde, kämen sehr viele Menschen bedeutend besser zurecht. Nach meiner Meinung muß dieser Prozess in den Familien beginnen.
Wer von einem Turnierpferd verlangt ohne Pause immer und immer wieder über immer höhere Hindernisse zu springen, wird es bald zu schanden geritten haben. Warum sollte es unseren Kindern besser ergehen, wenn sie in einem fort zu Höchstleistungen gepusht werden, statt sie einfach Kind sein zu lassen und sie so in ihren Möglichkeiten und Beschränkungen anzunehmen, wie sie eben sind…?
maedel sagte:
Dem kann ich nur zustimmen. Auch wenn ich vielleicht vieles besser nachvollziehen kann als nichtautistische Eltern, so bin ich auch nicht frei von Fehlern. Ich bin auch nur ein Mensch.
Gerade weil ich weiß wie es ist und was möglich ist, muss ich mich immer wieder bremsen und mir in Erinnerung rufen, das mein Sohn noch nicht so weit ist.
Jeder Autist ist anders. Was bei mir funktioniert hat setzt nicht zwingend voraus, das es auch bei meinem Sohn funktioniert.
Ich fand damals gerade das Elterntraining interessant, bei dem ich durch einen Zufall teilnahm. Viele Angehörige machen sich sehr viel Gedanken über ihre autistischen Kinder und manches ihrer Fragen habe ich hier in Form von Artikeln beantwortet.
Ich lese auch sehr gern in Foren und schnappe dort oft das ein oder andere Thema auf. Mache mir da so meine Gedanken.
Dorofee sagte:
Du sprichst mir aus der Seele
michaeleriksson sagte:
Wenn ich auf meine eigene Erfahrungen/Entwicklung schaue, ist ein Hauptproblem eben gewesen, dass ich durch mangelnde „Theoriekenntnisse“ zurückgehalten wurde—bis ich sicher mehr als 30 war. (Vielleicht auch heute, mit 38, wenn auch auf weniger gravierend.) Was kann ich für Reaktion erwarten, wenn ich X mache? Was sind die Beweggründe wenn jemand sonst Y macht? Wie soll dieses-und-jenes Verhalten interpretiert werden? …
Wenn solche Themen mir vernünftig erklärt worden sind, vielleicht als Teil der Schulunterricht, hätte dies viel anders macht. Verständnisloses Nachaffen, dagegen, hilft nur soweit.
(Wenn ich auch mit der Zeit den Verdacht entwickelt habe, dass ein nicht unbedeutender Unterschied in der Verhaltensentwicklung zwischen mir und anderen eben das Nachaffen gewesen ist: Andere waren erheblich geneigter zu „monkey see, monkey do“ als ich, mit Folge, dass diese einige Verhaltensweise erworben haben, die ich nicht habe, sowie entsprechend in ihrer Verhaltensweise sich mehr angeglichen haben.)
Dario sagte:
Ich habe selbst keine Erfahrungen mit ABA und kenne auch niemanden, der danach behandelt wurde aber was man darüber zu lesen bekommt, bricht mir auch jedes Mal das Herz, weil es so kaltherzig und so grausam ist, wie dort mit Kindern umgegangen wird.
Da ich zu ABA nichts beitragen kann, möchte ich etwas von meinem persönlichen Erfahrungen erzählen, die mich geprägt haben, denn der entscheidende Punkt ist immer der gleiche: Autistische Menschen können vieles erreichen, was Nicht-Autisten auch können – sie brauchen dazu nur mehr Zeit und Geduld als andere Menschen. Wer einem Autisten bestimmte Lernerfolge mit Gewalt aufzuzwingen versucht, der erreicht am Ende das Gegenteil. Für mich selbst kann ich sagen, dass die erzwungene Anpassung an die „Normalität“ immer dann gescheitert ist, wenn man mir bestimmte Schritte außen aufgezwungen hat, ohne mein inneres Entwicklungstempo zu berücksichtigen.
So glaubte man, ich müsste als kleines Kind unbedingt einen Kindergarten besuchen – aus dem einzigen Grund, dass eben alle Kinder in dem Alter in den Kindergarten gehen. Dass mich das Zusammensein mit anderen Kindern in einer völlig fremden Umgebung massiv überfordert, hat niemand berücksichtigt. Hier wäre allenfalls ein Kindergarten mit spezieller sonderpädagogischer Förderung angezeigt gewesen, aber so etwas gab es zu meiner Zeit noch nicht. Später musste ich auf eine „normale“ Grundschule gehen. Auch dort bin ich auf ganzer Linie gescheitert, weil man dort ebenfalls nicht auf die Problematik autistischer Kinder eingestellt war. Noch im Erwachsenenalter bekam ich diesen brutalen Anpassungsdruck zu spüren. Im Alter von 18 Jahren sollte ich unbedingt eine Berufsausbildung machen, weil das alle jungen Menschen in dem Alter so machen. Auch hier hat niemand erkannt, dass ich von meiner inneren Entwicklung her noch gar nicht so weit war. Stattdessen wäre eine beschützte Werkstatt sinnvoll gewesen, in der ich meine Belastbarkeit in ganz kleinen Schritten hätte steigern können.
Die größten Fortschritte habe ich überall dort gemacht, wo ich über die anstehenden Schritte selbst entscheiden konnte. Und so kam es, das mit Ende zwanzig doch noch so weit war, dass ich eine Berufsausbildung (in einem geschützten Rahmen) durchhalten und erfolgreich abschließen konnte. Heute arbeite ich als Technischer Zeichner auf dem ersten Arbeitsmarkt, so dass sich mein Leben äußerlich kaum noch von dem eines Nicht-Autisten unterscheidet. Ich hab dazu nur mehr Zeit gebraucht als andere Menschen und konnte viele erst auf Umwegen lernen.
Deshalb meine eindringliche Bitte an alle Eltern: Gebt autistischen Kinder und Jugendlichen die Zeit, die sie brauchen, um sich in ihrem ganz eigenen Tempo zu entwickeln. Zwingt sie nicht in die üblichen Konzepte von „Normalität“, denn damit überfordert ihr sie. Gebt uns Autisten die Zeit, die wir brauchen ‒ und messt uns nicht ständig an der vermeintlichen Norm, denn wir haben in vielen Dingen unseren eigenen Maßstäbe, nach denen wir funktionieren. Ist es wirklich so schlimm, wenn ein autistischer Mensch erst mit Mitte dreißig einer Arbeit nachgehen und alleine für sich sorgen kann? Warum immer dieser gnadenlose Anpassungsdruck, an dem so viele von uns schon zerbrochen sind?
Bei mir hätte bis vor zehn Jahren auch keiner geglaubt, dass ich jemals eine Berufsausbildung durchhalte, mich auf dem ersten Arbeitsmarkt behaupten und meinen eigenen Haushalt führen kann. Und dennoch habe ich diese Schritte geschafft, obwohl man mich auch in der Fachwelt schon mehrfach als „hoffnungslosen Fall“ abgetan hatte. Dabei war und bin ich alles andere als ein „hoffnungsloser Fall“, sondern ein Mensch mit Asperger-Autismus, der mit besonderen Schwierigkeiten zu kämpfen hat und für viele Entwicklungsschritte mehr Zeit braucht als andere Menschen seines Alters. Immer nur an dem gemessen, was Andere in meinem Alter erreicht habe, tat weh und tut bis heute weh.
Es mag für Eltern sehr schmerzlich sein, wenn sie akzeptieren müssen, dass ihr Kind für viele Entwicklungsschritte mehr Zeit braucht wird als andere Kinder. Man sieht aber an den Lebensläufen erwachsener Autisten, wohin es führen kann, wenn man autistischen Kindern die „Normalität“ schon im Kleinkindalter aufzwingt, denn damit erreicht man im schlimmsten Fall das Gegenteil, nämlich die völlige Überforderung bis zum hin psychischen Zusammenbruch.
Liebe Eltern, Therapeuten und Lehrer: Bitte zwingt autistische Kinder nicht in gnadenlose Konzepte von „Normalität“, in denen sie an den Maßstäben nicht-autistischer Menschen gemessen werden. Gebt ihnen die Zeit, die sie brauchen, um sich in ihrem eigenen Tempo zu entwickeln. Nehmt eure Kinder so an, wie sie sind und setzt sie nicht unnötig unter Druck. Dann werden viele von ihnen als Erwachsene ganz von selbst ihren Weg in die nicht-autistische Welt finden, davon bin ich fest überzeugt. Es mag länger dauern als bei nicht-autistischen Kindern, aber bitte hört niemals auf, an eure Kinder zu glauben. Alles, was ich in mittlerweile 40 Jahren geworden bin, habe ich ganz ohne ABA geschafft. Eure Kinder brauchen ABA genauso wenig, wie ich es brauchte, davon bin ich fest überzeugt.
Sabine sagte:
vielen dank , dario, ich seh es ganz genauso wie du.
und dies gilt sogar auch für alle kinder, die langsamer,genauer, eigenwegiger oder mit anderen denkstrukturen… etc sind.
dieses schnell hoch weiter..und alle über eine kamm… ist m.e. niemals gut und
gesund.
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Sabine sagte:
klasse artikel, danke…*
„Wir sollen kommunizieren wie die Nichtautisten (NA), reagieren wie die Nichtautisten, uns verhalten wie die Nichtautisten, am besten noch das Leben leben, das Nichtautisten für uns am besten ansehen. Vielleicht auch denken wie Nichtautisten?
Wir sind aber keine NA´s. Dennoch machen wir vieles davon, sogar freiwillig. Damit wir zurechtkommen. Aber wir brauchen auch Momente, wo wir sein können, wie wir sind und nicht wie man uns haben will.
DAS WÄRE EIN TRAUM
Ein Traum wäre, wenn Nichtautisten sich auch mal die Mühe machen zu kommunizieren wie wir, sich zu verhalten, wie wir es brauchen, uns leben lassen, wie es uns gut tut, und ab und an sich die Mühe machen zumindest zu erahnen, wie wir denken…es ist schon anstrengend genug!
Wäre das nicht eine wichtige Aufgabe für…““ …..
…………….jeden*…..ergänze ich mal.
wirkliche mit-mensch-lichkeit umfasst so viel mehr, als manche denken, es sei der richtige weg. dieses umkrempeln, extreme anpassen wollen…furchtbar.
eingriffe. übergriffe. einbeulen.
ein tiger wird doch nicht zum affen,
und wenn man ihn noch so umdressiert.
die frage ist mir auch..was treibt menschen dazu? angst? eigenes vorangegangenes aufgeben der besonderen persönlichkeit?
ver~rückt..der mensch.
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Eluchil sagte:
Mhh, ich überlege grade ob das sprechtraining für hörgeschädigte Kinder unbewusst auch ABA-Element hatte. Am Tisch gearbeitet wurd mit mir auch, ok es muss anstrengend gewesen sein. Aber so habe halbwegs problemlos ich die Zeit überlebt, bis die Hilfsangebote für Behinderte etwas besser waren. Mangels Alternativen hätte es sonst Heim geheissen. Also meine schwerhörigen-Therpeuten war immer sehr geduldig und nett. Ok, als Schwerhöriger kannst du auf den Mund ausweichen. Hatte so ein Lippenabsehprogramm mit dem habe ich ein bisschen Minik und Gestik gelernt.
In die Pferdewelt übertragen, könnte man sagen Horsemanship ist Mist, bloss weiles einige brutale Trainer gibt. Eine Mthode ist nur son gut wie ihr Anwender und muss fein abgestimmt werden. Das hat wohl in bestimmten Fällen nicht geklappt.
Habe verständnis für die NT-Eltern, es ist sehr anstrengend mit Autisten. Manche mögen sehr verzweifelt gewesen sein und eben alles ausprobiert haben.
Ob nun ABA dabei war oder nicht, ich bin meinen Eltern jedenfalls dankbar, dass sie meine Sprache und Fertigkeiten die in der Welt da draussen benötigt werden gefördert haben. Wenn ich mir Schwerhörigenschulabsolventen so angucke die ohne Dolmetscher aufgeschmissen sind, freu ich mich relativ selbständig meine Dinge erledigen zu können.
Meine eltern waren sehr bemüht mich zu schützen, manches lief schief, da ist ihnen kein Vorwurf zu machen, sie waren Menschen nicht 100% perfekt.
Nach der Diagnosen haben sie sich für Fehler entschuldigt.
Ich habe das Unrecht verziehen, es weiter mit mir rumschleppen bringt doch nix.
Es ist schon schön z.B. sein Brötchen selber bestellen zu können bzw. nicht für alles eine Hilfe zu brauchen.
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