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AS, Asperger Autismus, Asperger Syndrom, Autismus, Autismus-Spektrum-Störung, Behinderung, Hochfunktionaler Autist
Mir wurde bei der Diagnostik Folgendes gesagt … Autisten haben einige sehr gute Eigenschaften aber eben auch einige schlechte und das ist nunmal so, das werde ich nie ändern können. Mit keiner Therapie der Welt. Das „nicht Können“ ist aber genau das, was viele nicht verstehen. Es ist nicht ein nicht wollen, sondern ein nicht können.
Wie soll das aber auch verständlich sein für Menschen, die gelernt haben, etwas nur arg genug zu wollen um es hinzubekommen. Dass man alles auf dieser Welt lernen kann.
Wie sollen sie verstehen, dass logisches Denken mein Leben beherrscht. Menschen denken nunmal auf der emotionalen Ebene. Da treffen Welten aufeinander.
Wie soll man das denen begreiflich machen? Selbst die, die sich damit auseinandersetzten aber es selber nicht kennen, selbst die können es anhand von Beispielen doch nur erahnen. Aber wirklich verstehen? Das bezweifle ich.
Wenn man gereizt ist und ab und an ausrastet, nun dann macht man eine Verhaltenstherapie. Wenn man erschöpft ist, dann erholt man sich, oder es wird zu einer Depression ernannt. Sie kennen die Auswirkungen,jeder für sich kennt mal die ein oder andere Situation.
Ich muss mir sehr oft anhören, das kenn ich aber auch.
Natürlich …aber nicht in dem Ausmaß, nicht in der Intensität und nicht aus dem Grund. Und das unsere Gründe eben nicht wegzutherapieren sind. Aber wie soll man das alles auch verstehen, wenn man es selber nur erahnen kann.
In einer Welt, in der die der Schein des perfekten Menschen wichtiger geworden ist als der Mensch selber.
Bin ich behindert? Oder ist mein Kind behindert?
Diese Diskussion kommt immer wieder auf, vor allem wenn Kinder involviert sind. Manche Autisten sehen sich als behindert, andere weisen dies weit von sich.
Ich empfinde es selber nicht als schlimm. Aber vielleicht liegt es auch daran, dass ich Behinderung für mich anders definiere. Ich bin allerdings auch älter und mein Sohn wird mir diese Frage in naher Zukunft auch stellen.
Das Problem ist eben das Bild, das die meisten von „Behinderung“ haben. Eine Behinderung zu haben heißt doch in meinen Augen, dass man lediglich in manchen Situationen gehindert ist. Das setzt aber nicht die häufige Assoziation „Behinderung = bescheuert“ voraus.
Menschen neigen dazu immer das schlechteste Bild vorauszusetzen. So ist der Autist oft der in seine Welt versunkene, nicht-sprechende, oft schreiend und um sich schlagende inselbegabte Savant ala Rainman. Der Behinderte ist der vor sich hinsabbernde, entrückte, stark intelligenzgeminderte Mensch, der zu einer Teilnahme am allgemeinem Leben nicht fähig ist. Oder sind nur die Menschen behindert, die offensichtlich ein körperliches Gebrechen haben?
Was ist denn Behinderung
betrachtet man die Definition aus dem Sozialgesetzbuch
§ 2 Behinderung
(1) Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Sie sind von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist.
(2) Menschen sind im Sinne des Teils 2 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 73 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.
Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen behinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 73 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).
gelten nicht nur Menschen mit körperlichen Gebrechen als behindert, sondern eben auch Menschen die aus den verschiedensten Gründen an einer Teilhabe in den verschiedensten Lebensbereichen „gehindert“ sind.
Ich finde zwar die Bezeichnung „seelische“ Behinderung etwas unglücklich gewählt, aber ich persönlich fühle mich auch derzeit gehindert oder sagen wir…ich merke momentan genau, wo meine Defizite liegen, da mir momentan nach und nach sämtliche Routinen und Sicherheiten abhanden gehen.
Generell sehe ich manche meiner sogenannten Defizite sogar als gute Eigenschaft…auch wenn das nach außen nicht immer so gesehen wird. Es macht mich zu dem wer ich bin und der Mensch der ohne Fehler ist, der muss sich mir erstmal vorstellen.
Den perfekten Menschen gibt es nicht in meinen Augen. Dennoch finde ich es falsch, Autismus zu bagatellisieren. Oder zu behaupten, das wäre keine Behinderung oder „nur“ eine andere Art zu sein. Ich bezeichne mich auch als anders, so ist es nicht…aber ich weiß das es Bereiche gibt wo ich Hilfe brauche und die würde ich nicht bekommen wenn es „nur“ eine andere Art des seins wäre. Für mich gibt es auch nicht den milden oder leichten Autismus. In meinen Augen ist ein Autist ein Autist.
Nach außen betrachtet werden gerade Autisten, die sich gut anpassen können und daher nicht so stark auffallen, falsch beurteilt. Da ist sogar gerade im erwachsenen Alter oft die Rede vom „geheilten“ Autismus. Ist denn ein erwachsener Mensch, der das Glück, hatte sein Umfeld so zu gestalten, das er sich ganz gut anpassen kann, weniger autistisch als der andere, der dieses Glück eben nicht hatte.
Ich habe eine recht hohe Anpassungsfähigkeit und man sagt ich habe eine recht gute Innensicht. Nach außen mag das stimmen. Aber man sieht nicht wie viele Gedanken ich mir mache, bevor zum Beispiel ein solcher Artikel entsteht. Man sieht nicht wie viel Kraft es mich kostet mich derart anzupassen, dass ich z.B. 2 Stunden Erholung brauche nach einem Einkauf, da ich völlig erschöpft bin.
Allein schon die Vorbereitung für einen Einkauf, die Durchführung und wehe es geht was schief.
„So kann es mich durcheinanderbringen, wenn man den Einkaufszettel kurzfristig ändert. Wenn ich einen Einkaufszettel schreibe, dann gehe ich im Kopf immer den Laden durch. Das bestimmt dann auch die Reihenfolge, in der die Besorgungen aufgeschrieben werden. Wenn nun was geändert wird. Dann steht es nicht mehr in der richtigen Reihenfolge und ich muss meinen Rundgang im Kopf von vorn beginnen. Das kann durchaus eine Weile dauern.
Werde ich unplanmäßig in einen Laden geschickt, den ich nicht kenne. Zum Beispiel, weil ich etwas in einem Laden holen soll, der auf meinen Weg liegt. Dann macht es mich unsicher und sehr nervös, weil ich dann möglichst genau wissen will, wo ich was finde, wie es genau bezeichnet wird und am besten noch die richtige Reihenfolge.
Noch komplizierter wird es, wenn ein bekannter Laden umgebaut wurde, oder, wenn das, was ich normal immer einkaufe, nicht an seinem Platz steht. Das kann mich dann ganz schnell überfordern. Vor allem auch deswegen, weil in Situationen wie diesen zusätzlich sehr viele Sinneseindrücke auf mich einströmen.“
(Auszug aus meinem Artikel „Man hört nicht auf Autist zu sein, nur weil man erwachsen geworden ist“ )
Dann kommt noch dazu, dass sich manchmal Lebenssituationen ändern können.
Was ist, wenn sich das ganze Leben plötzlich ändert oder der Stress zunimmt. Wenn 24 Stunden Tag nicht mehr ausreichen, um genug Ruhephasen einzubauen. Dann brechen auf einmal die Strukturen ein und übrig bleibt das autistische Sein.
Plötzlich brauche ich Hilfe, dass was vorher noch gut funktionierte, bekomme ich nicht mehr alleine hin. Weil meine Sicherheiten wegbrechen, meine Abläufe verändert werden und meine Routinen wegfallen.
Aber was viel wichtiger ist, weil mir Personen wegbrechen, die bis dahin meine Defizite ausgeglichen haben. Personen, die mir Ämtergänge abgenommen haben, Anrufe, mich bei wichtigen Arztbesuchen begleitet haben, für mich einkaufen waren, etc.
Jetzt denken manche, mach einfach eine Therapie, oder stell dich nicht so an, reiß dich mal zusammen. Ich bekomme tolle Ratschläge, was ich alles machen sollte. Aber hat mal jemand daran gedacht, dass ich das allein nicht hinbekomme? Ich brauche tatsächlich Hilfe um Hilfe zu beantragen.
Insgesamt muss jeder für sich selber entscheiden, wie er seinen Autismus für sich sieht. Ich finde es falsch Autismus zu bagatellisieren oder wie manche es auch gerne tun, Autismus als was besonderes und erstrebenswertes zu sehen. Eine besondere Art zu sein. Da gibt es teilweise Bewegungen in diese Richtung, die ich mit Sorge betrachte.
Ich für mich sehe meinen Autismus als das, was es ist. Das bin ich. Aber ich bin mir bewusst, dass ich nicht immer ohne Hilfe auskomme.
Dass Situationen entstehen können und das manchmal recht schnell, in denen ich hilflos bin. Das ist nichts Schlimmes und auch nur menschlich.
Ich habe da immer einen Spruch, den ich mal vor Jahren geschrieben habe und immer noch sehr gerne in Foren in meine Signatur aufnehme:
Stark sein ist leicht, keine Kunst. Aber Schwächen zugeben zeugt von wahrer Stärke und vermag nicht jeder
Zur damaligen Zeit als dieser Spruch entstand wusste ich noch nichts von Autismus. Aber ich wusste, dass ich Schwächen habe und das hat sich bis heute nicht geändert.
Laut der Definition im Sozialgesetzbuch bin ich behindert. Aber deswegen nicht weniger Mensch.
Mein Rat an die Eltern oder auch an selbst Betroffene und Angehörige. Prüft immer genau was das beste für die Person ist und verweigert ihnen nicht die Hilfen, die ihnen von Gesetz her zustehen.
Autisten müssen in meinen Augen nicht auf „Biegen und Brechen“ angepasst sein und es ist durchaus legitim ihre Defizite anzuerkennen und sie da zu unterstützen. Aber auch sie in ihren Stärken zu fördern.
Aber auch ein Wort an die Stellen, die uns diese Hilfe oft verweigern oder es sehr schwer machen diese zu beantragen. Es ist unser gutes Recht!
Ehrlich gesagt mache ich mir derzeit sehr viele Gedanken darüber, ob Autismus eine Behinderung ist oder nicht. Natürlich ist es zum Einen so, dass es als Behinderung gilt, wenn bestimmte alltägliche Normalitäten und insbesondere die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nicht eigenständig erfüllt werden können, doch dazu müsste erst einmal klassifiziert werden, welche Teilhabe am Leben in der Gesellschaft denn gemeint sei.
Das fängt schon bei meiner mir selbst diagnostizierten sozialen Phobie an, dass ich Plätze mit Menschenansammlungen, also Konzerte, Veranstaltungen aller Art und volle Wartezimmer unbedingt meide, weil ich mich dort der Unberechenbarkeit anderer Menschen ohne Rückzugsmöglichkeit ausgeliefert fühle. Das ist jetzt nicht so tragisch, ich gehe halt nicht hin. Aber gilt das schon deshalb als eine Behinderung, weil ich damit ja bereits an einem Teil des gesellschaftlichen Lebens nicht teilhaben kann? Und wenn ich aus irgendwelchen Gründen dann doch einmal in eine solche Menschenansammlung gerate und danach froh bin, die Situation hinter mich gebracht zu haben und mich daraufhin ein paar Stunden zurückziehe, erfülle ich dann die Kriterien einer Behinderung, die auch vom Sozialgesetzbuch so klassifiziert ist?
Denn wo ist hier der Unterschied zwischen einer Behinderung und einer persönlichen Eigenart, die von anderen manchmal als Marotte oder Spinnerei abgetan wird. Wo ist der Unterschied zwischen den dauerhaften Schwierigkeiten, eine Menschenansammlung (auch in Supermärkten, ich kaufe vorwiegend abends ein, wenn sich dann dort nicht mehr viele aufhalten) auszuhalten oder einen Einkauf störungsfrei logisch abwickeln zu müssen und bei unerwarteten Änderungen in Ablaufschwierigkeiten zu geraten. Sind das nicht vielmehr auch nur Eigenarten einer Persönlichkeit, die sich eben aus einer Gesamtverschiebung des eigenen Wahrnehmungsspektrums ergeben, mit allen Konsequenzen bezüglich der Schwierigkeiten des Zurechtfindens in der nichtautistischen Welt?
Des weiteren halte ich es für völlig verfehlt, in vielen Fällen des Autismus deshalb von geistiger – oder seelischer – Behinderung zu sprechen, weil es tatsächlich mit einer solchen Behinderung gar nichts zu tun hat. Manche der geistig Behinderten bspw. nämlich wissen nicht, wie sie einen Einkauf zu erledigen haben und können dies nur auf direkte Anweisung. Beim nächsten Mal wissen sie es jedoch wieder nicht und sind zumeist mit der Masse an den nötigen Normalitäten überfordert. Dies mag zwar bei manchen Autisten auch der Fall sein, doch viele der vor allem bloggenden Autisten wissen ziemlich genau, was sie tun müssten, um am „normalen “ Leben teilzunehmen, sie haben jedoch mit den nichtautistischen Abläufen durch andere Menschen entweder enorme Schwierigkeiten oder können es einfach aus anderen Gründen nicht, und genau das macht es dem „normalen“ Menschen so schwer, Autismus zu verstehen.
Ich glaube eher nicht, dass der Autismus grundsätzlich als Behinderung angesehen werden kann, auch wenn es durchaus behinderte Autisten gibt, die auf sich alleine gestellt nicht überlebensfähig sind. Für mich sind AutistInnen Menschen mit einem verschobenen Wahrnehmungsspektrum, und sie kämen wahrscheinlich bestens zurecht, wenn die Welt ebenso verschoben wäre. Wenn AutistInnen in der Mehrzahl wären, müsste man dann die jetzt „normalen“ Menschen als behindert bezeichnen, weil die sich in der autistischen Welt möglicherweise nicht zurechtfinden würden?
Hey, das wäre doch mal ein tolles Experiment! Baut mir eine autistische Welt und ich versuche mich darin zurecht zu finden 😉
Übrigens sehe ich es mit Unbehagen, dass sich AutistInnen als „nicht perfekt“ bezeichnen, auch wenn dies im Kern seiner Aktion sicher gut gemeint ist. Ich bin nämlich seinerzeit mit Contergan-geschädigten Kindern aufgewachsen, und ich wäre nie auf die Idee gekommen, eines dieser mir bekannten Mädchen als nicht perfekt zu bezeichnen. Warum also sollte man das überhaupt bei Behinderten oder Autisten tun?
Wichtige Anmerkung zum Schluss: Ich hoffe, Du verstehst mich jetzt nicht falsch. Es geht mir nicht darum, mit meiner sozialen Mini-Phobie Deine im Autismus begründeten Schwierigkeiten zu relativieren, sondern aufzuzeigen, dass das Wort „Behinderung“ auch in Gesetzestexten stets unscharf bleibt und genaue Definitionen ziemlich schwer sind – und ich eben der Ansicht bin, dass eine ganze Gruppe von AutistInnen zu unrecht als behindert bezeichnet werden.
…eigentlich könnte ich aus dem Kommentar einen Blogartikel machen 😉 Sag mir, ob ich die Behindertenthematik falsch sehe.
Ich kann deinen Einwand grundsätzlich verstehen und verstehe auch die vielen Diskussionen über dieses Thema.
Rein vom grundsätzlichen gesehen, kann selbst eine Soziale Phobie (insofern sich schwer genug ist) oder eine schwere Depression nach derzeitiger Gesetzeslage als seelische Behinderung angesehen werden, wenn sie dich länger als 6 Monate begleitet und dich an der Teilhabe an der Gesellschaft hindert. Wieviel Prozente du dafür kriegen würdest und ob es dann eine wirkliche Relevanz hätte, naja.
Aber ich hoffe du verstehst was ich meine.
Bei Autismus ist es oft so, das die derzeitige Situation entscheidend ist. Zumindest bei mir ist das so. Ich hatte als Kind gewisse Schwierigkeiten, aber mehr im Kommunikationsbereich und in der Wahrnehmung. Ich habe da seither viel dazugelernt und kann vieles einige Zeit ganz gut kompensieren. Ich hab jetzt knapp 10 Jahre mit dem drum herum gut leben können, hatte dafür eher interne Probleme (was meinen Beziehung betraf) aber grundsätzlich war es OK.
Momentan ändert sich bei mir sehr viel und ich bin ehrlich gesagt recht hilflos. Da stellt sich natürlich die Frage, warum brauchen sie jetzt Hilfe und nicht die 10 Jahre zuvor. Da stellt sich ein Anruf plötzlich als riesen Problem dar, oder der Antrag der gestellt werden will. Ich habe da vorher immer Hilfe bei gehabt und wenn es, wie in meinem Fall, der Partner oder als Kind die Eltern waren.
Ich denke auch, das ich mit der Zeit wieder lernen kann alleine zurecht zu kommen. Aber bis dahin brauche ich Hilfe. Vielleicht brauche ich aber auch in manchen Bereichen immer Hilfe. Wer weiß das schon?
Solche Situationen können auch bei Autisten entstehen, die eigentlich sehr selbstständig sind. Eben wenn der Stresspegel derart ansteigt, das sie keine Kraft mehr haben um adäquat zu kompensieren.
Ich fände es falsch dann zu sagen…jetzt bin ich behindert, vorher war ich es nicht und danach bin ich es auch nicht.
Behinderung ist in meine Augen die Frage, wann brauche ich eine Hilfestellung von außen. Das ist dahingestellt durch wen. Wenn man das Glück hat, dann kann dies das private Umfeld leisten.
Ich stell mich dadurch weniger als behindert hin oder als nicht perfekt…sondern ich bin einfach nur ehrlich zu mir selbst.
Ich werte damit niemanden ab, am wenigsten mich selber. Es ist einfach die Feststellung, das ich in manchen Lebensbereichen ohne Hilfe von außen nicht zurecht komme.
Davon ausgehend, würde man nun insgesamt der Bewegung zustimmen, das Autismus gar nicht als Behinderung klassifiziert werden sollte. Dann wäre es auch nicht mehr möglich entsprechende Hilfestellungen zu beantragen. Das darf man da nicht vergessen. Man sollte auch nie allein von sich ausgehen und sagen, nur weil ich keine Hilfe brauche oder ein gutes Netzwerk habe, das andere diese Hilfestellungen nicht vielleicht doch brauchen.
Noch eine Frage, was genau stört dich an dem Wort Behinderung? Ist es wirklich nur der Begriff und was Behinderung an sich bedeutet…nämlich eben das gehindert sein in gewissen Lebensbereichen an einer Gesellschaft teilzunehmen, also Hilfe von außen zu benötigen. Oder ist es vielleicht doch das abwertende Bild, dass Behinderung oft mit sich bringt.
Ich würde insgesamt nicht sagen, das du die Behindertenthematik falsch siehst. Ich verfolge die Diskussionen, ob nun behindert oder nicht schon recht lange und ich für mich habe die Entscheidung getroffen. Ja, bin ich.
Das muss nicht für alle gelten und steht so auch nirgends in meinem Artikel.
Aber selbst wenn ich für mich entscheiden würde, bin ich nicht. Dann würde ich niemals sagen, dass Autismus nicht als Behinderung klassifiziert werden sollte.
Streng genommen ist Autismus eine tiefgreifende Entwicklungsstörung. Sie ist keine Krankheit, allenfalls eine Behinderung, da Autismus nicht heilbar ist.
Und ja, die Gesellschaft mit ihren Normen ist die, die mir Probleme bereitet. Aber es wäre utopisch anzunehmen, das sich dies von heute auf morgen ändert. Fakt ist aber…die Probleme sind da. Der eine kann sie besser kompensieren, der andere weniger. Anpassung kostet sehr viel Kraft.
Für mich stellt sich hier nicht die Frage ob Autismus eine Behinderung ist. Sie wird als solche klassifiziert und diese Klassifizierung gibt uns das Recht gewisse Hilfestellungen in Anspruch zu nehmen. Insofern sie benötigt wird.
Was mir allerdings wichtig ist, ist eben aufzuzeigen, das es nicht was schlimmes ist, wenn solche Hilfen benötigt werden. Viele Eltern tun sich schwer, ihren Kindern zu erklären, warum diese einen Schwerbehindertenausweis bekommen. Oder warum diese nicht auf die Regelschule können etc.
Erst einmal: es ist kein Einwand in dem Sinne, sondern der Versuch, den Autismus in meinem Kopf einzuordnen, auch über das Hilfsmittel eigener Unzulänglichkeiten, die in meinem Falle natürlich überhaupt nichts mit Autismus zu tun haben. Es ging hierbei nur um die Überlegung, ob man die Schwierigkeiten, bestimmte nötige Dinge zu tun, als Behinderung bezeichnet werden können.
Insofern hast du deshalb hilfreiche Antworten gegeben, in dem Du auch dargelegt hast, dass diese Hinderungen nicht durchgängig vorhanden sein müssen, sondern situationsbedingt durch verschiedenen Begebenheiten im Umfeld sich verändern können und somit verschiedene Behinderungen eintreten können, an denen Du Hilfe benötigst. Das ist ein wichtiger Punkt für mich und ein Schritt in die Richtung, Autismus zu verstehen bzw. auch die für den Nichtautisten zumeist unverständlichen Wechsel in den Agitationsmöglichkeiten der AutistInnen nachvollziehen zu können.
Mich stört das Wort „Behinderung“ ansich nicht, sondern die Frage war, ob bestimmte Formen des Autismus denn tatsächlich als solche gesehen werden sollte. Die Frage hast Du beantwortet und ich die Antwort auch verstanden. Im Prinzip richtest Du die Klassifizierung der Behinderung recht eindeutig danach aus, ob Du Hilfe von außen benötigst (unabhängig davon, ob Du sie zeitweise oder auf Dauer brauchst).
In dem Zuge war für mich auch ein wenig die philosophische Frage wichtig, was eine Behinderung denn überhaupt ist. insofern brachte ich das Beispiel davon, ob ich als behindert gelte, wenn ich mich in einer autistischen Welt nicht zurecht finden würde. Aber das ist nur nebensächlich.
Mich würden jetzt mal diese Normen interessieren, die Du ansprichst und die Dir und anderen AutistInnen Schwierigkeiten bereiten. Kannst Du das an Beispielen konkretisieren (wenn Du Lust dazu hast). Ich möchte mehr über den Autismus erfahren.
Dass jemand Hilfe braucht empfinde ich jetzt grundsätzlich ja mal nicht als was schlimmes und ich wundere mich jetzt auch ein wenig darüber, dass Du das ansprichst. Sieht das Dein Umfeld anders?
Das mit den Normen ist solch ein breites Feld. Ich habe immer mal wieder verschiedene Situationen in meinen Artikeln angedeutet oder beschrieben. Das auf einen Nenner runterzubrechen wird sehr schwer. Aber ich versuche mir mal Gedanken darüber zu machen. Vielleicht helfen mir da auch ein paar autistischen Freunde dabei.
Was die Hilfen angeht, so ist es tatsächlich sehr mau, was im Erwachsenalter angeboten wird. Dazu kommt, das sich meine Problematiken für viele nicht als solche erschließen.
Z.B. wollte ich aufgrund meiner derzeitigen Situation um Hilfe in der Diakonie bitten. Dort fand ich aber nur eine zentrale Telefonnummer und auf Email reagierte keiner. Bis ich mich da jetzt durchtelefoniert hätte um an die zuständige Person zu geraten wäre ich völlig fertig gewesen. Ich hätte dann sicher mein Problem gar nicht mehr vortragen können. Solche Dinge können viele nicht nachvollziehen, da ich ja grundsätzlich mit ein paar wenigen telefonieren kann. Aber diese Personen kenne ich gut und ich weiß was mich am anderen Ende erwartet. Nicht so bei der beschriebenen Situation. Generell schiebe ich solche Telefonate vor mir her bis es gar nicht mehr geht. Je nachdem wie belastend das für mich ist und wenn es sogar noch so ist das ich mich gar nicht darauf vorbereiten kann, weil es beispielsweise schnell gehen muss, dann kann es passieren das ich mich übergeben muss.
Über eine Beschreibung der Schwierigkeiten mit den Normen würde ich mich sehr freuen, lass Dir jedoch Zeit dazu, kein Stress!
Dass für erwachsene Autisten die Hilfen ziemlich mau sind habe ich nun schon öfter gelesen und finde das ein bisschen merkwürdig. In den Universitäten gibt es ja noch diverse Unterstützungen für Studierende, aber danach wird es dann wirklich dünn. Es ist doch bekannt, dass autistische Kinder nicht mit dem Erwachsenenalter aufhören, autistisch zu sein. Und dass die meisten die Probleme nicht nachvollziehen können, verstehe ich nun auch irgendwie nicht.
1. ist eine sozale phobie erworben und nicht angeboren, 2. therapierbar und zur autistischen welt: es gibt in vielen städten autisten die sich treffen, frag doch mal, ob man dich an so einem treffen teilnehmen ließe (damit hättest du nicht die kompletten umweltbedingungen, aber zumindest schon mal die erfahrung der kommunikation)
Fakt ist: Autismus ist nicht heilbar. Nicht durch Medikamente zu behandeln. Daher als Behinderung klassifiziert. Es ist keine Krankheit, nicht therapierbar. Keine Eigenart. Autismus ist viel mehr als das.
@melli
Es ging nicht um meine soziale Phobie, die ist selbst für mich unwichtig. Es ging nur um die Klassifizierung. Allerdings stimmt das nicht so ganz, dass diese nur erworben ist. Es gibt inzwischen Studien darüber, dass bestimmte soziale Verhaltensweisen, vor allem bei bestimmten Ängsten oder Depressionen vererbbar sind. Das ist noch sehr vage aber bereits signifikant. Und nicht alles davon ist therapierbar.
Leider gibt es hier in der näheren Umgebung keine AutistInnen oder gar Treffen, ich habe schon Ärzte und Apotheker gefragt. Deshalb versuche ich die Thematik hier über Blogs kennen zu lernen.
Ich muss mich jetzt doch dazu äußern.
Ich persönlich vertrete die Auffassung das Autismus eine Behinderung ist und allen betroffenen die Möglichkeit geben sollte sich Hilfe holen zu können.
Das geht am besten wenn ein Grad der Behinderung festgestellt und eingetragen ist.
Mein Kind hat diesen Ausweis und ich bin wirklich froh einen Schulbegleiter zu haben! Welche Chance hätte dieses Kind in dem Haifischbecken Regelschule ohne diese Hilfe?
Wer das als Erwachsener ablehnt, kann sich glücklich schätzen es allein hin zu bekommen.Und ob man als volljähriger Autist diesen Ausweis oder diese Diagnose nutzt, ist auch jedem selbst überlassen.
Ein Kind kann es nicht! Es muss in dieser Tretmühle bestehen oder daran zugrunde gehen.
Deswegen, denkt bitte an alle die eine Diagnose haben und Hilfe brauchen, nicht nur einfach hinstellen und sagen: Ich bin doch nicht behindert nur weil ich Autist bin!
Das ist gesamtheitlich betrachtet kontraproduktiv und extrem egoistisch!
@ Mädel: Toller Text. Bitte weiter so 😀
Also nicht falsch verstehen, ich möchte hier niemanden über die Frage, ob Autismus eine Behinderung ist, die Hilfe wegnehmen, ganz im Gegenteil. Mir ging es nicht um das Formale, sondern mir geht es um das tiefere Verständnis des Autismus. Und mir geht es auch darum, gerade für vermehrte Hilfe zu plädieren. Ich hatte auch hier schon einmal was dazu geschrieben:
http://nesselsetzer.wordpress.com/2013/04/02/autismus-die-welt-braucht-alle-arten-zu-denken/
Ein Nebenthema:
„Da treffen Welten aufeinander.
Wie soll man das denen begreiflich machen? Selbst die, die sich damit auseinandersetzten aber es selber nicht kennen, selbst die können es anhand von Beispielen doch nur erahnen. Aber wirklich verstehen? Das bezweifle ich.“
Ich bitte beide Seiten, Autisten und Nichtautisten, es trotzdem immer neu und mit aller Geduld zu versuchen. Also miteinander im Austausch zu bleiben, zu fragen, zu erklären, zu korrigieren…
Ich meine, ich bin durch den intensiven Dialog mit einem autistischen Menschen zu einem gewissen Grad an Verständnis gekommen, wobei ich mich nicht darüber streiten möchte, in wie weit es „Verstehen“ oder doch nur „Erahnen“ ist. Aber auf jeden Fall erlebe ich einen Zugewinn an Einsicht, der alle Mühe lohnt, und auch eine höhere Sensibilität für die andersartige Wahrnehmnung.
Bitte gebt nicht auf, nach Verständigung und Verständnis zu suchen!
Ich persönlich empfinde Autismus als Behinderung, wie weit ist mit Sicherheit bei jedem Autisten anders.
Meine eigentliche Frage hierzu lautet: Warum ist das Wort Behinderung so negativ besetzt ?!
Ich bin seit 24 Jahren schwerbehindert und ich empfinde dieses Wort nur als Sammelbegriff für meine gesundheitlichen Einschränkungen. Zwar bin ich kein Autist, ich habe einen autistischen Sohn, aber dennoch bin ich auchbehindert, nur durch andere Krankheiten.
Diese ganze Diskusion dreht sich mehr oder weniger um diesen Begriff. Es gibt viele Menschen mit Behinderungen was nur bedeutet das sie bei bestimmten Dingen Hilfe brauchen.
Für mich und meine Familie ist die Anerkennung unserer Behinderungen nur von Vorteil. Nur dadurch können wir bestimmte Therapien, Hilfsmittel usw. kostenlos in Anspruch nehmen. Dadurch haben wir im Arbeitsleben/ Schule Rechte, die uns die Teilnahme wesentlich erleichtern und durchaus auch Druck von uns nimmt.
Ich bin nicht gesund, mein Sohn ist es auch nicht und von daher ist es uns nicht möglich die selben Leistungen zu erbringen wie gesunde Menschen.
…“. Man sieht nicht wie viel Kraft es mich kostet mich derart anzupassen,“… und genau das ist der Grund, warum viele „Normalos“ den Grad der Schwierigkeiten nicht anerkennen, ja sogar als „So schlimm kann’s ja nicht sein“ abtun! Das ist vielleicht auch der Grund, warum Erwachsenen so oft Hilfe verweigert, oder einfach nicht mehr angeboten wird! Sie haben gelern, sich anzupassen…
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Zitat: Das “nicht Können” ist aber genau das, was viele nicht verstehen. Es ist nicht ein nicht wollen, sondern ein nicht können.
Und es der Satz, der immer und immer wieder fällt!
Und der zusätzlich behindert.
Dieser Satz, der zu endlosen Gedankenschleifen und Wut führt.
Anstatt es einfach anzunehmen, dass es ist wie es ist und über Erklärung etwas zu erreichen.
Erklärung aber bitte kurz und sachlich, als Reflektion. Ohne Diskussion. Einfach nur so.
Und wenn dann jemand über sich hinauswächst und was schafft, es nicht generell für die Zukunft erwarten. Dieser Erwartungsdruck behindert eben wieder.
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