Schlagwörter
AS, Asperger Autismus, Asperger Syndrom, ASS, Autismus, Autismus-Spektrum-Störung, HFA, Hochfunktionaler Autist
Ist Autismus eine „Krankheit“ oder „leidet man an seinem Autismus“? Was ist an diesen Aussagen falsch? Erst vor Kurzem gab es wieder eine Diskussion darüber, warum bei manchen Autisten die „Alarmglocken schrillen“ wenn sie solche Begriffe (gerade auch in Zeitungsartikeln) lesen. Selbst Autisten untereinander schlagen sich dazu sprichwörtlich „die Köpfe ein“ und die ein oder andere Argumentation brachte mich zum nachdenken.
Ich fühle, dass diese Aussagen falsch sind und ich suche nun nach dem Grund für das Gefühl.
„Ich leide unter meinem Autismus“
Ich mag mich so, wie ich bin, auch wenn ich diverse Probleme habe, an denen ich tatsächlich leide. Aber da ist meine Person nicht daran schuld und schon gar nicht meine Persönlichkeit und da gehört mein Autismus nunmal dazu.
Ich stehe mir manchmal oft selber im Weg und mache Fehler. Ich bin für meine Handlungen verantwortlich…und wenn ich Fehler mache, ist es mein Naturell darunter zu leiden, aber nicht daran, dass es mein Naturell ist…
Ich bin sehr viel am „grübeln“, aber selbst da ist es die Situation, der Umstand warum ich leide, nicht der Autismus selber.
Geht man von dem absoluten Nullpunkt aus. Wenn keine Termine anstehen, wenn man seinen Sicherheitsbereich nicht verlassen muss. Wenn alles gleich sein kein. Niemand und nichts die Routinen stört. Gehe ich von dem Idealfall aus, dann bin ich zwar immer noch Autistin, aber ich leide nicht unter dem Autismus.
Erst wenn sich etwas ändert, wenn ich raus muss in eine nichtautistische Welt, wenn mein Umfeld nicht mehr dem entspricht, wo ich mich sicher fühle, erst dann, ja dann gibt es Momente, wo ich wirklich leide.
Diese Überlegungen zugrunde habe ich für mich entschlossen, dass die Aussage „Ich leide an meinem Autismus“ nicht richtig ist. Ich leide nicht an dem Autismus sonder daran in einer nichtautistischen Welt zurechtzukommen. Ich leide an einem nicht für Autisten gerechten Umfeld.
Leiden kommt von der Erkenntnis, das was nicht passt. Das man sich einschränken muss. Anpassen. Zu sagen man leidet an seinem Autismus ist gleichbedeutend der Aussage man leide an sich selber.
Dabei leidet man doch eher an der Situation oder am Umfeld. Eben das es nicht so ist, wie es für einen gut wäre.
Wenn alles perfekt wäre, würde man dann wirklich leiden?
Geht mal nur für einen Moment davon aus das alles perfekt wäre. Leidet man dann wirklich am Autismus oder ist es doch nur der Umstand oder das nicht perfekte Umfeld? Sicher ist das Utopie, aber darum geht es mir ja. Mir geht es rein um die Begrifflichkeit.
Ich weiß. In manchen Dingen ist es vermutlich Wortklauberei. Aber so bin ich nunmal. Es ist für mich tatsächlich wichtig, wie es gesagt wird. Denn ich nehme es genauso auf. Wenn andere behaupten ich würde unter meinem Autismus leiden, dann kann ich nur darauf antworten, dass es schlichtweg nicht stimmt.
Ist Autismus eine „Krankheit“?
Schwieriger wird es da schon mit dem Begriff „Krankheit“, da vieles auch an der Definition hängt und daran wie jeder persönlich den Begriff Krankheit für sich definiert.
Krankheit wird oft im Gegensatz zur Gesundheit definiert. Dabei wird Gesundheit oft als idealer Zustand definiert und Krankheit demzufolge ist alles, was Unwohlsein auslöst. Das können Zustände sein wie ein banaler Schnupfen, also Einschränkungen des leiblichen oder eben auch dem seelischen Wohlbefinden.
Auzug aus Wikepedia
Krankheit im Sinne des Sozialversicherungsrechts ist eine Störung des körperlichen oder seelischen Wohlbefindens, somit eine Abweichung von der Norm „Gesundheit“. (vgl. § 120 Abs. 1 Z 1 ASVG, wonach Krankheit „ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand ist, der die Krankenbehandlung notwendig macht“.)
Der deutsche Bundesgerichtshof hat am 21. März 1958 juristisch definiert: „Krankheit ist jede Störung der normalen Beschaffenheit oder der normalen Tätigkeit des Körpers, die geheilt, d. h. beseitigt oder gelindert werden kann.
Das Argument, auch MS wäre beispielsweise ein angeborener Defekt, und dennoch als Krankheit definiert, ist gar nicht mal falsch, auch das andere Krankheiten oder Gendefekte nicht heilbar sind. Dennoch empfinde ich da ein „falsches“ Gefühl bei dem Gedanken, Autismus als Krankheit zu bezeichnen.
Was ist da jetzt der Unterschied zum Autismus.
Bleiben wir beim Beispiel MS.
MS schränkt körperlich ein und ist fortschreitend und degenerativ, Autismus ist angeboren und sozusagen die Grundausstattung. Kinder mit Downsyndrom sind beispielsweise auch nicht krank. Es hängt hier meiner Meinung nach wirklich an dem an Begriff krank, der fest besetzt ist.
Autismus ist nicht degenerativ oder fortschreitend, nicht heilbar oder tödlich. Es ist nicht medikamentös behandelbar, lässt sich nicht symptomatisch lindern.
Ja, Autismus schränkt manchmal und je nach Ausprägung körperlich und seelisch ein, ist aber dennoch keine Krankheit. Autismus ist eine andere Art zu sein, eine andere Art zu denken und wahrzunehmen.
Sie ist angeboren und nach heutigem Forschungsstand ein Ergebnis aus einem anders verdrahteten Gehirn, was einer genetischen Komponente zugesprochen wird.
„Es ist nicht krank anders zu sein.“ schreibt eine Autistin und genau das ist es, was ich fühle.
Autismus wird laut ICD10 als tiefgreifende Entwicklungstörung definiert und einer seelischen Behinderung zugeordnet.
Darüber ob ich mich nun als behindert sehe oder nicht oder wie ich für mich Behinderung definiere, hatte ich HIER schonmal beschrieben.
Viele Autisten sagen nicht „sie haben Autisten“, sondern sie „sind Autist“. Da ist was Wahres dran…
Ich für meinen Teil sehe meinen Autismus weder als krank an noch leide ich daran. Ich leide am Umfeld, daran, in einer nichtautistischen Welt zurechtkommen zu müssen.
Mein Autismus hindert mich manchmal an einer Teilhabe an der Gesellschaft und ich bin dadurch behindert oder besser gesagt, für mich definiert, gehindert an der Teilhabe an der Gesellschaft.
Laut § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, “wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Sie sind von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist” . Die zu erwartende seelische Behinderung muss nach entsprechender ärztlicher oder sonstiger fachlicher Erkenntnis mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 50% eingeschätzt werden (Lempp, 2004).
Viele Autisten erleben Mobbing, Ausgrenzung.
Ihnen ist ihr anders sein sehr bewusst.
Ich kann lernen mich einer nichtautistischen Welt weitgehend anzupassen und werde sie dennoch nie ganz begreifen.
Immer wieder gerate ich in Situationen, die mich ungeheuer belasten. Das geht manchmal bis zur Hilfslosigkeit.
Diese Anpassungen kosten Kraft und ich brauche Hilfe um manche zu lernen. Denn sie erschließen sich mir nicht intuitiv.
Manche Dinge werde ich wohl auch nie ganz hinbekommen, egal wie erwachsen ich auch bin.
Ich fühle mich anders, auch die Aussage ist richtig. Ich fühle mich nicht krank, nicht leidend an Autismus, nichtmal behindert.
Aber die Auswirkungen von Autismus in der Gesellschaft, die lassen mich leiden, an meinem Umfeld, den Umständen. Ich bin ich beeinträchtigt an der Teilhabe in der Gesellschaft und somit laut Definition behindert.
Ich brauche in manchen Bereichen Hilfe und ich sehe darin keinen Makel, dies zuzugeben.
Dafür gibt es andere Bereiche, die ich wiederum als schön empfinde oder als Stärke.
Es ist oft reine Definitionssache und oft nicht mit dem vereinbar, wie man sich fühlt.
Einfach nur anders.
Einfach nur ich, solange alles so ist, wie ich es brauche.
Um bei der Begrifflichkeit zu bleiben. Autismus ist eine tiefgreifende Entwicklungsstörung und wird als seelische Behinderung definiert, und wenn mich jemand fragt, dann werde ich genau das antworten.
Einfach weil es richtig ist 😉
Zur Info
Von meinem iPad gesendet
was deine Definition „leiden“ betrifft fällt mir nur ein Satz ein:Man ist nicht behindert,man wird behindert.Krankheit würde ich eher als Behandlungsbedürftigen Gesundheitszustand bezeichnen ,weil ich Normen nicht mag.Wer bestimmt denn die Norm?Müssen Menschen genormt werden?Mein Sohn gab mir im Alter von 5 Jahren einen Denkanstoss.Er fragte mich was behindert eigendlich heisst.Meine Antwort:Das man bestimmte Sachen nicht so gut kann.Meiner Meinung nach eine einfache kindgerechte Antwort.Er meinte daraufhin,wenn das so wäre,wären wir ja alle irgendwie behindert,denn es kann ja kein Mensch alles gut.Er hat recht!!!
behindert sein, sagen die Anderen, die sich mit einem, der anders denkt, anders fühlt, bzw. handelt in ihrem alltäglichen Ablauf behindert fühlen !
Nun stellt sich die Frage, wer oder was ist nun behindert ?
Sind wir nicht alle ein bisschen Bluna 😉
Schöner Artikel dem ich voll und ganz zustimme ;))
Das mit dem „unter Autismus leiden“ sehe ich differenziert. Insgesamt habe ich auch eher unter den Reaktionen der Mitmenschen gelitten als unter meiner inneren Konstitution. Es gibt aber auch Ausnahmen. Ab der Pubertät habe ich mich erstmals nach Freundschaften zu anderen Jugendlichen gesehnt, wusste aber beim besten Willen nicht, wie ich diesen Wunsch realisieren und umsetzen kann. Dafür kann man nicht pauschal das Umfeld verantwortlich machen, denn die wenigsten Gleichaltrigen hatten mir etwas getan. Sie „ticken“ nur anders in Bezug auf soziale Kontakte.
Anderes Bespiel: Ich habe auch darunter gelitten, dass ich psychisch kaum belastbar bin und nur wenig Sress vertragen kann. Aus diesem Grund musste ich das Gymnasium abbrechen, obwohl ich schon damals als überdurchschnittlich intelligent galt. Auch dafür kann man die Schuld nicht pauschal auf die Gesellschaft schieben, denn es ist ja klar, dass sich die Anforderungen einer Schule erstmal an der nicht-autistischen Mehrheit orientieren. Es ist einfach nur tragisch, wenn Autismus nicht als solcher erkannt wird und Kind oder ein Jugendlicher völlig falsch eingschätzt wird. Böswilligkeit oder Intoleranz will ich im Nachhinein aber den Wenigsten unterstellen.
Ich bin schon der Meinung und es ist auch meine perösnliche Erfahrung, dass Autismus immer mit Schwerigkeiten verbunden sein wird, die im Autmismus selbst begründet liegen. Auch ich habe viel Ausgrenzung, viel Intoleranz und Unverstädnis erfahren. Trotzdem hat es seine Berechtigung, dass Autismus als Behinderung giltt. Es ist ist mir zu einseitig, wenn man sagt, es ist immer nur das Umfeld schuld, wenn es einem Autisten schlecht geht. Die Wahrheit liegt meines Erachtens immer in der Mitte.
Ich halte auch nichts davon, wenn Autismus bagatellisiert wird. Auch wenn ich sage ich leide nicht direkt am Autismus an sich, dann doch daran, in einem nicht für Autisten gerechten Umfeld zurecht kommen zu müssen. Ich sage damit auch nicht generell, das nur die Gesellschaft Schuld ist. Unter Umfeld sind viele Dinge zusammengefasst. Es wäre auch utopisch zu sagen, das je eine nichtautistische Welt möglich wäre. Denn mal ehrlich, dazu müsste ich auf dieser Welt allein sein, nie arbeiten gehen müssen etc.
Selbst unter Autisten gäbe es immer wieder Probleme. Dazu sind Menschen einfach viel zu verschieden. Aber es würde manches vereinfachen.
Manchmal hätte ich gern etwas mehr Verständnis, wenigstens in meinem direkten Umfeld.
Gerade zur Zeit bricht mein ganzes Leben zusammen. Ich brauche Hilfe und ich bin wirklich sehr froh, das ich welche bekommen kann. Das ist nur möglich, weil Autismus eben als Behinderung eingestuft ist.
Mir ging es rein um die Begrifflichkeit „ich leide an Autismus“ und „Autismus ist eine Krankheit“, die sich falsch anfühlen.
Ich arbeite, als zum autistischen Spectrum zugehörig 😉 in der Kurzzeit-Betreuung
von ausländischen Kindern, Jugendlichen und Jungerwachsenen von zumeist wohlhabenden Eltern. Da ich eine sprachliche und soziale (Hoch-)Begabung habe,
fällt es mir nicht sonderlich schwer mein Umfeld zu verstehen;
ohne jemals werden zu wollen wie sie. Mittlerweile bin ich sehr stolz diese zu haben,
da ich mein Vater und meine Söhne (z.T- mit Aspie-Diagnose) sehr liebe und Ihnen
zeigen möchte, dass man auch als Autist und vielleicht gerade als dieser wunderbar leben kann. Dazu ist es nötig sich selbst zu lieben, sich zu akzeptieren und sich
so gut, wie möglich in den vorhandenen Stärken auszubauen. Mein Vater hat zeitlebens, trotz teilweisen grossen Erfolgen sehr gelitten, mich aber in meiner,
der unseren Welt immer unterstützt. Vielleicht habe ich deshalb diese Kraft immer und immer wieder, trotz des vielen Fallens aufzustehen. Meine Söhne kommen gut bis sehr gut mit ihrem Autismus klar und ich möchte sogar behaupten,
dass sie sich damit wohl fühlen.
Beide studieren, der eine Physik, der andere Gartenbau. Der Jüngere (20 J.), mathematisch naturwissenschaftlich hochbegabt wohnt seit 4 Jahren mit
einem Mädchen (Asiatin) in einer WG. Sie leben in einer harmonischen Beziehung, in der es genauso viele Höhen und Tiefen gibt, wie in jeder anderen Lebensgemeinschaften auch.
Da ich sehr viel mit Heranwachsenden aus der ganzen Welt zu tun habe,
möchte ich sogar behaupten, dass die Gesellschaft sich selbst in den letzten 15 Jahren in eine spezielle Form von Autismus hinein manövriert hat und leider immer noch weiter hinein entwickeln wird. Dieser unglaubliche Input, den der einzelne tagein tagaus bewältigen muss scheint dazu zu führen, dass man für vieles keinen Zugang mehr findet. Auch zwischenmenschliche Beziehungen leiden sehr darunter.
Aspie`s mit einer sozialen Begabung haben große Chancen, dort ohne weiteres mit zuhalten oder über diese hinauswachsen zu können 😀
Man sollte für Geschenke des Leben`s dankbar sein, denn es gibt wahrlich schlechteres, als ein Aspie zu sein …
Ich wünsche euch, denen, die sich all zu sehr plagen Familie und Freunde die euch akzeptieren, wie ihr seid und euch helfen euere Stärken auszubauen ! L.G.
Hat dies auf saturnus4456's Blog rebloggt und kommentierte:
Dies möchte ich meien vorhergehenden Reblog zum Thema: Autist-Sein heisst mangelndes MitSein-Können.
Ich habe zufällig im Netz Ihre Seite gefunden. Die großen Herausforderungen für Autisten kenne ich nicht aus eigener familiärer Erfahrung, aber aus meinem beruflichen Umfeld.
Viele von ihnen haben Hilfe, Verständnis und Unterstützung gefunden, als Tipp gebe ich diese Webseite an: http://www.autismus-medicus.de
Pingback: Pro-Life | Aspergiller – Aspergill & Asperger