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Man sagt Autisten Schwarz-Weiß-Denken nach.
Ich bin da nicht der Meinung. Nach außen hin mag vieles was ich tu oder entscheide nach Schwarz und Weiß aussehen, aber nur, weil man meinen Denkprozess nicht mitbekommt oder ich mich diesbezüglich nicht mitteile.

Beispielsweise sachlichen Entscheidungen

Ich ziehe wirklich alle Seiten in Betracht. Wäge ab und informiere mich.
Erst nach Prüfung aller möglichen Varianten kommt es zu einer Entscheidung.
Beispielsweise möchte ich einen Raum in Lila gestrichen haben. Alternativ sagt man mir, wenn Lila zu doll ist, kann man ja rötlicher werden.
Bekommt man nur Teilaspekte meines Entscheidungshergangs mit, dann sieht man, das ich beispielsweise sage „Rot ist nicht Lila“. Punkt.
Das ich im zweiten Schritt aber durchaus relativiere, da Rot und Blau eben Lila ergibt, das bekommt man nicht mit. Rötlicher kann jetzt einerseits bedeuten, das Lila dann farblich anders abzustufen, oder eben, das der Raum dann doch eher rötlich gehalten werden soll. Diese Gedankengänge teile ich nicht mit. Ich entscheide mich dafür, dass rötlich eher darauf bezogen ist, das man eben von der Farbe Lila als Ganzes weggeht. Daher lautet dann eben meine Entscheidung, Rot ist nicht Lila. Also nein.

Oft ist es einfach meine Denkweise oder wie ich Dinge wahrnehme oder verstehe

Gutes Beispiel ist Freundschaft oder wie ich Freundschaft definiere. Manche haben gesagt, ich definiere falsch oder sehr schwarz-weiß. Aber es hat eher was mit meinem Verständnis dafür zu tun und das ich eben Schwierigkeiten damit habe zu erkennen, ob es nun jemand gut mit mir meint oder nicht.
Oder damit, die Erwartungen der „Freunde“ richtig einzuschätzen.
Das hat viel mit meinen Schwierigkeiten zu tun, Nonverbales lesen zu können, aber auch mit der Tatsache, das sich mir viele soziale Konventionen nicht erschließen oder nur zum Teil.

Generell muss ich dazu auch sagen, das mir meine Freunde wichtig sind. Auch wenn ich es vielleicht nicht immer so zeige, oder mich nicht allzu oft melde. Ja, ich definiere Freundschaft anders, ich vermisse, denke ich, auch anders. Es ist auch lange nicht so, das ich mich nicht für meine Freunde interessiere. Im Gegenteil. Mir ist es immer wichtig, das es den Personen gut geht, die ich mag. Ich vergesse nur oft einfach, nachzufragen.

Freundschaft bedeutet für mich, das ich der Person vertraue. Das ich mit ihr, je nach Thema reden kann. Es gibt nicht viele Themen, die mich interessieren und von daher sind es oft nur wenige, die nicht schon nach kurzer Zeit meiner Themen überdrüssig sind.
So ist es aber auch meist so, das ich mich selten melde. Manchmal aber auch sehr häufig. Wenn es denn gerade ein Thema betrifft, über das ich mit dieser Person sprechen muss. Ansonsten gibt es ja kaum einen Grund mich da zu melden.
Man könnte das nun als schwarz-weiß bezeichnen, oder es ist eben einfach nur eine Frage der Definition.
Schwarz-Weiß-Denken in Bezug auf Freundschaft setzt den Gedankengang, bist du nicht das, dann bist du das, voraus. Also beispielsweise, bist du nicht mein Freund, dann bist du mein Feind. Oder, bist du nicht innerhalb meines Interessenfeldes, dann bist du nicht mein Freund, etc.
Aber genau so denke ich nicht. Ich habe bestimmte Kreise. Da gibt es den inneren Kreis. Menschen, die mir sehr wichtig sind, mit denen ich öfter Kontakt pflege und die irgendwo fest in meinem Tagesablauf oder in manch meiner Routinen verwoben sind. Oft auch emotional verbunden, in irgendeiner Form.
Sie sind sozusagen ständig oder oft präsent.
Wenn beispielsweise ein bestimmter Tag festgelegt ist, um gemeinsam zu kochen, so ist das innerhalb meiner festen Struktur.
So kommt es auch, das ich an diesem Tag die Freunde, die damit verwoben sind vermissen würde, da ohne sie mein gewohnter Ablauf nicht machbar wäre.

Dann gibt es die Personen, die sich außerhalb und manchmal auch innerhalb dieses inneren Kreises bewegen. Sie sind mal da und auch mal nicht. Je nach Themenschwerpunkt, Interessenfeldern oder so, kann mal eine Person eine Zeit lang sehr wichtig dafür sein.
Aber ansonsten haben wir wenig Berührungspunkte. Gibt es gerade zu diesem Thema nichts zu sagen, dann sind sie einfach nur außerhalb. Nicht da. Ich vergesse es schlichtweg mich zu melden, bis es irgendwann wieder zu einer Situation kommt, wo die Person wieder in mein Interessengebiet rutscht. Es kam schonmal vor, das mal Jahre dazwischen waren und ich mich dann dort meldete und einfach da anschloss, wo wir aufgehört hatten. Im Gegensatz zu dem wie es viele Neurotypische sehen, hört jemand nicht einfach auf, mein Freund zu sein. Immerhin hatte man ja mal gesagt, man sei befreundet, und solange nichts Gegenteiliges gesagt wird, bleibt das für mich auch so.
Nun, die Person, um die es sich da handelte, die empfand die jahrelange Pause wohl anders als ich 😉

Nicht zuletzt gibt es noch den Personenkreis, der sich nie innerhalb meines Kreises bewegt, oder es höchstens mal nur streift. Diese Personen decken sich meist nicht mit meinen Interessen. Aber es sind keine Feinde. Sie sind einfach nur eben nicht präsent für mich.
Wenn man nun diese Aufteilung sieht, und nachvollziehen kann, wie ich in Sachen Freundschaft denke, dann sieht man, wie komplex die grobe Einstufung ist und Schwarz-Weiß-Denken kann ich da nicht erkennen.
Wenn man natürlich nur mein Handeln sieht, dann sieht man, ist die Person nicht mein Freund und innerhalb meines Interesses, dann ist sie eben nicht mein Freund.
Der feine Unterschied besteht aber darin, das jemand dennoch nach meinem Verständnis mein Freund bleibt, aber ich mich eben nicht melde, solange sich dieser nicht innerhalb meines. Interesses befindet.
Dazu empfinde ich keinen Hass, zumindest nicht so leicht. Selbst wenn etwas auseinandergeht, weil die Art der Person einfach nicht gut für mich ist und die Basis nicht stimmt, dann würde ich die Person niemals als Feind ansehen.
Das ist oft gar nicht so gut, denn manchmal ist es so, das mir recht übel mitgespielt wird und ich dabei recht fair und unvoreingenommen bleibe. In solch einem Falle sehe ich in der Person kein Feindbild, nur weil sie sich mir gegenüber unfair verhält. Ich reagiere und denke selten emotional. Ich kann nicht wirklich sagen, das ich jemanden nicht mag, oder hasse. Jemandem etwas neide oder verachte. Wenn ich Kontakt vermeide, dann liegt es meisten anderen Gründen. Naives Verhalten würden manche sagen, andere nennen das grundpositives Denken.

Manchmal ist es auch einfach ein Festhalten an Prinzipien

Mir sind Regeln und Struktur sehr wichtig. Sie geben mir Sicherheit und deswegen nehme ich an, das es für andere genauso sein muss. Zumindest kommen die meisten mit klaren Strukturen wesentlich besser klar, als mit Chaos. Zumindest so mein Eindruck.
Ich habe gewisse Prinzipien, wonach ich entscheide und meist entstehen oder entstanden diese aus eigenem Empfinden und Erfahrungen.
Oder es steckt ein gewisses Gerechtigkeitsempfinden dahinter. Das, gepaart mit beispielsweise Gruppenregeln, kann auch mal recht hart klingen.
Wenn jemand in einer Gruppe ein Verhalten anderer verurteilt, für sich selber aber genau dieses Verhalten als rechtens ansieht, dann ist das unfair. Allein schon die Tatsache, das alle gleichwertig sind und auch gleich behandelt werden sollten. Dabei ist irrelevant, wie sehr man die Person schätzt oder mag. Sie verhält sich nicht regelkonform, noch dazu ungerecht. Ich diskutiere viel, erkläre meinen Standpunkt…erkläre auch gern mehrfach die Regel, aber irgendwann kommt der Punkt, an der keine Einsicht mehr zu erwarten ist. Ich kann von einer Person nicht ein Verhalten billigen, nur weil ich Verständnis für seine Situation haben soll oder rein aus der Tatsache, das wir befreundet sind. Dann kommt irgendwann der Punkt an denen ich eine Person verwarne und manchmal auch rauswerfe.
Oft wurde es missverstanden und ich würde danach beschimpft und bedroht. Oft wurden meine Entscheidungen infrage gestellt, nicht verstanden oder als starr oder sehr kompromisslos empfunden. Schwarz-Weiß eben.
Ich würde es aber eher prinzipiengetreu nennen und es ist eben auch ein gewisses konsequentes Verhalten.
Zumindest weiß man bei mir immer woran man ist. Wenn ich verwarne wegen einer Sachlage, dann habe ich mir im Vorfeld viele Gedanken darüber gemacht und auch hier abgewogen. Ich weiche dann so gut wie nie von meinem Standpunkt ab.
Ungerecht bleibt ungerecht, regelwidrig bleibt regelwidrig, egal von wem und hat meist wenig bis gar nichts damit zu tun, was ich von der Person halte.
Beeinflusst aber aus meiner Sicht in keinster Weise meine, sagen wir, Beziehung zu dieser Person. Leider sehen diese das wiederum häufig anders und beenden nach diesem Zwischenfall die Freundschaft.

Man sieht also, das es nicht so leicht ist, alle Abstufungen zu erklären und oft ist es gar nicht so schwarz-weiß, wie sie sich nach außen zunächst darstellt. Vieles hängt mit meiner Art der Empathie zusammen. Vieles mit meinem Empfinden, meiner Wahrnehmung, meinem Denken und wie ich mir Dinge erkläre und wie ich sie verstehe.
Vor allem aber damit, das ich meist meine Gedankengänge nicht mitteile. Lediglich meine Entscheidung, und genau diese wirkt oft schwarz-weiß ist aber für mich eigentlich eine Abwägung vieler logischer Gesichtspunkte.
Ich selbst bin autistisch und ich habe bisher mit vielen Autisten gesprochen. Jeder hat sein eigenes Gerechtigkeitsempfinden, seine eigenen Erfahrungen und Wahrnehmungen, so daß Entscheidungen anders ausfallen können. Aber ein Schwarz-Weiß-Denken konnte ich dabei nicht feststellen.

…aber vielleicht irre ich mich da auch.