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Anfang der Woche las ich auf Twitter den Hilferuf, denn als solchen hatte ich ihn verstanden, dass dringend Unterstützung auf der Veranstaltung von Autismus Mittelfranken kontra ABA benötigt wird.
Da Nürnberg sich innerhalb meines 2 Stunden Radius befindet und ich erst erfolgreich solch eine Reise, durch die Gespächsrunde in Rosenheim, gemeistert hatte, meldete ich mich kurzer Hand zur Unterstützug an.
Zugegeben, etwas impulsiv, was eigentlich gar nicht meiner Art entspricht und wie gesagt vermutlich der Euphorie von letzer Woche geschuldet war.

Relativ schnell kamen erste Zweifel. Zwar hatte ich auch die Diskussionen zu einem Sachverhalt in Facebook am Rande mitbekommen, und deswegen auch so meine Gedanken gehabt, da sich entsprechende Personen ebenfalls zu dieser Veranstaltung angekündigt hatten, aber viel mehr bereitete mir die Anfahrt immer mehr Sorge.
Diese aufkeimende Panik ist für sehr viele oft nicht begreiflich und wird häufig nur als „ach, das ist bei Frauen ja häufig so und das geht schon irgendwie“ abgetan.
Bei mir ist es eine regelrechte Panik, und noch während der Fahrt (eigentlich schon vor Antritt) fragte ich mich, was mich da eigentlich geritten hat, in eine fremde Großstadt mit eigenem Auto zu fahren, noch dazu mit unklarer Parksituation. Hilfe.

Aber ich hatte es versprochen, und wenn ich sage, dass ich komme, dann kann man sich da auch auf mich verlassen.
So saß ich dann im Auto, bis zu der Stelle, die ich gut kannte, recht enspannt und dann zunehmend immer aufgeregter hinterm Steuer und schrie öfter mal so vor mich hin. Stinksauer auf mein Naviprogramm auf dem Handy.
Zum einen, weil es mich an einer Stelle zum Geradeausfahren aufforderte und es dort aber zwei Möglichkeiten gab. Eine etwas nach rechts neigend, die andere etwas nach links.
Hatte ich mal erwähnt, dass ich es gar nicht leiden kann in Großstädten mit dem Auto zu fahren? Allein schon die Frage, welche Spur denn nun die richtige ist, stellt mich vor immensen Herausforderungen.
Zum anderen, weil die Musik, die mein Smartphone bis dahin im Hintergrund dudelte, zunehmend störend wurde, ich aber vor lauter Angst mal wieder nicht in der Lage war, daran was zu ändern. Ich fasse das Smartphone nach Fahrtantritt nicht mehr an, zumindest nicht an unbekannten Stellen. Ich könnte ja dann eine wichtige Ansage meiner Navigation verpassen.
Irgendwo anhalten oder geschwind auf einen Parkplatz fahren, von der Route abweichen, dass bekomme ich in solchen Situationen auch nicht hin.
So musste ich es ertragen und nachdem ich zum Glück tatsächlich den Parkplatz fand und nach kurzer Wartezeit sogar ein Parkplatz, kam ich in Nürnberg schon reichlich getresst und mit Kopfschmerzen an.

Nun erst stellte sich so langsam die Aufregung bezüglich der Veranstaltung ein und da ich nicht herausfinden konnte, wo ich eigentlich im Gebäude hin musste (es war ein großer Koplex und schwer einzusehen) machte ich mich vor dem Gebäude im leichtem Nieselregen an meine Notizen. Nebenbei wartete ich auf Quergedachtes (Aleksander Knauerhase), der mir per Twitter angekündigt hatte, auch bald zu erscheinen.

Ein bisschen aufgeregt war ich deswegen schon. So kannten wir uns durch unsere Blogs und Twitter schon recht lange und heute sollten wir uns das erste Mal persönlich kennen lernen. Irgendwie schien ich ihn verpasst zu haben, als ich draussen vor dem Gebäude an der Wand gedrückt stand und in meinen Notizen vertieft war.
Irgendwann schaute ich rein und zum Glück stand er in dem Moment so, dass man ihn von aussen sehen konnte. Sonst wäre ich vermutlich weiter draussen gestanden, und hätte darauf gewartet, dass mir irgendjemand sagen könnte, wo ich eigentlich hin muss.
Einfach ins Gebäude reingehen und nachfragen? Immerhin hatte ich dort Leute stehen sehen. Das konnte ich nicht. Das waren alles für mich fremde Menschen.

Lustig war es dann doch, weil ich mich einfach zu Aleksander hinstellte und abwartete. Ich fragte mich, ob ich nun was sagen soll oder nicht, aber offenkundig waren sie im Gespräch und da stört man ja nicht. Er stand bei zwei weiteren Personen, die sich später als Silke und Birke (Vorstand vom Regionalverband Autismus Mittelfranken) heraustellten und just in dem Moment als ich bei ihnen stand, begannen sie sich zu fragen, wo ich eigentlich stecke. Dadurch, dass keiner von ihnen je ein Bild von mir gesehen hatten, war das ja auch verständlich.
Jetzt war dann wohl der richtige Zeitpunkt mich bemerkbar zu machen, dachte ich mir.
Soviel zur Vorgeschichte.

Die Veranstaltung beginnt

Eröffnet wurde diese durch den Vorsitzenden des Regionalverbandes Autismus Mittelfranken von Stefan Bauerfeind.
Gleich danach sollte es dann mit dem großem Thema des Abends weitergehen „ Autismus-Therapie im Spannungsfeld zwischen Evidenzbasierung und Lebensqualität“ vorgetragen von Friedrich Nolte, Referent von Autismus Deutschland.

Dazu sollte man als Vorgeschichte noch wissen, dass vor einiger Zeit der Regionalverband Mittelfranken eine öffentliche Stellungnahme gegen ABA herausgebracht hatte und dafür von Autismus Deutschland schwer gerügt wurde.
Diese Podiumsdiskusion im Anschluss an Herrn Noltes Vortrages sollte mitunter dazu dienen, mit Autismus Deutschland zum Thema ABA ins Gespräch zu kommen.
Mittelfranken erhoffte sich hier von Autismus Deutschland, dass diese sich deutlich von ABA distanzieren und damit ihrer bis heute gültigen Stellungnahme entsprechen.
Allerdings habe ich keine eindeutige Aussage von Herrn Nolte hierzu erwartet und so kam es für mich auch nicht überraschend, dass er bei vielen Fragen am schwimmen war und oft Fragen nicht wirklich beantwortet hat.

Gestört hat mich eher die Tatsache, dass er unseren Standpunkt als Autisten entweder nicht verstanden, oder wissentlich ignoriert hat. Das lässt sich aus meiner Warte nicht genau beurteilen.

Dennoch fand ich die Veranstaltung nicht als umsonst, denn so bleiben wir mit ABA im Gespräch und nur so können wir immer wieder auf unsere Sichtweise hindeuten.
Irgendwann bleibt vielleicht doch was hängen und dann erlauben sich auch Referenten von Autismus Deutschland vielleicht nicht mehr den Fauxpas bei ABA gerade als Beispiel einer Therapiestunde anzupreisen, in der es darum ging, das Autist Blickkontakt halten soll, wenn der Würfel im Spiel an den nächsten Spieler weitergegeben werden soll.
Damit hatte er natürlich einiges an Unmut im Publikum ausgelöst.

Aufgefallen ist mir sein Bemühen, ABA als direkte Bezeichnung in seinem Vortrag weitest gehend rauszuhalten. So sprach er von multimodaler Autimus-Therapie, die nach seiner Aussage Autismus Deutschland voranbringen möchte. Gemeint ist damit, dass nicht nur ein Therapiekonzept allein stehen kann, sondern dass möglichst viele Bausteine ähnlich einem Baukastenprinzip Anwendung finden sollte.
Gut fand ich den Einwand einer Therapeutin, die meinte, dass ABA aber soviel Raum einnimmt, dass für nichts anderes Platz wäre.
Das ist aber nur ein Punkt, der mich an dieser Aussage stört.
Tatsächlich finde ich, dass der Gedanke einer multimodalen Therapie nicht rechtfertigt, Therapiebausteine einzubeziehen, die gegen Menschrechte und die Rechte des Kindes verstossen, wie es eben ABA allein schon mit seinem Therapieansatz tut.

Herr Nolte berichtete auch von einem Ansatz, dass Therapiezentren in Zukunft zertifiziert und auditiert werden sollen, wozu auch ein Leitfaden durch die Fachgruppe Therapie von Autismus Deutschland entwickelt wurde.
Auch sprach er hier von wissenschaftlicher Bewertung.
Hier stellten wir uns die Frage, wie denn hier die Zielsetzung einer Bewertung beurteilt wird. Gehen wir von einer evidezbasierten (augenscheinlichen) Beurteilung aus, so mag in manchen Bereichen ABA tatsächlich je nach Zielsetzung positiv bewertet werden. Zumindest wenn es darum geht, wie zufrieden die Eltern waren, weil Kind jetzt das tut was sie sagen oder das ausführt, was es sollte.
Wie es dem Kind dabei geht, welche Folgen entstehen können und wer überhaupt sich anmaßen darf solche Ziele festzulegen, ohne dabei Autisten selbst zu befragen, dass wurde nicht wirklich beantwortet.
Scheinbar ist die rein von aussen bewertete Sicht ausreichend. Immerhin behauptet Herr Nolte, dass ABA unbestritten die Therapie mit der höchsten Evidenzrate ist. *augenrollt*
Ausserdem soll Telefonieren eine Schlüsselkompetenz sein, laut Nolte, die es zu erlernen gilt.
Da gibt es noch viel zu tun.

Zumindest den Einwand, dass Autisten bei Autismus Deutschland involviert werden sollten, stößt bei Herrn Nolte auf gute Resonanz. Er ist laut persönlicher Meinung dafür, dass Autisten mehr einbezogen werden sollten. Leider wird er vermutlich da „noch“ recht allein damit stehen, solange der Vorstand von Autismus Deutschland, gerade in Persona von Frau Kaminski, alles dafür tun werden, um das zu verhindern.

Ingesamt gesehen war die Veranstaltung ok, aber den erhofften Erfolg hat sie nicht gebracht.
Denn ganz zum Schluss, als keine Diskussion mehr möglich war (klug plaziert), hat Herr Nolte doch noch eine Stellungsnahme zu ABA geäussert, die der von Autismus Deutschland entspricht.  Aber wie gesagt, ich hatte das auch nicht anders erwartet.

Wir waren aber im Gespräch, konnten unsere Sichtweise erklären und aufzeigen, wie wir zu ABA stehen und das Autismus Mittelfranken durchaus nicht allein mit ihrer Stellungsnahme dasteht.
Das war mir wichtig und somit war es für mich auch vertretbar, dass ich heute den Tag mit Kopfschmerzen verbringen werde und selbst beim Mittagessen, wegen der Lampen, Sonnenbrille tragen musste.

Ja es war anstrengend, aber die Fahrt hat sich für mich gelohnt. Ich habe ein paar Bekannte aus dem Internet persönlich kennen lernen dürfen, konnte Mittelfranken unterstützen und meine Sicht der Dinge einigermaßen darstellen.
Ich kann durchaus stolz auf mich sein und werde weiter machen.

In diesem Sinne, bis demnächst.