Schlagwörter
Asperger Autismus, Asperger Syndrom, ASS, Autismus, Autismus-Spektrum-Störung, Entwurf zum Teilhabegesetz 2016, HFA, Hochfunktionaler Autist, Teilhabegesetz
Ich habe lange überlegt ob ich darüber schreiben soll. Zwar ist einiges aus meinen bisherigen Erfahrungen begründet, manches bei mir hypothetisch und nur ein Ergebnis vieler Überlegungen, die ich zu diesem Thema hatte, aber es spukt mir zu sehr im Kopf herum.
Allerdings, auch wenn manches hypothetisch ist, so ist eines ganz klar:
Ich bin auf Hilfe angewiesen.
Weniger auf fachlicher Seite als vielmehr im alltäglichen Leben und auch wenn ich es momentan so händeln kann, dass ich privat mit Hilfe versorgt bin, ist es doch kein Dauerzustand.
Wie sehr ich auf Hilfe von außen angewiesen bin, weiß ich spätestens durch das dreiviertel Jahr, als ich allein ohne Hilfe dastand und mir jegliche Hilfestellungen aus der Familie und Freundeskreis nach meiner Trennung wegbrach.
Zu selbstverständlich nahm ich die Hilfe in meiner Ehe von meinem Partner an und bedachte nicht, dass dies in ein paar Jahren meine Beziehung vor ein Aus stellen würde. Gut, es waren auch andere Faktoren ausschlaggebend, aber es hatte auch keinen unerheblichen Anteil daran.
Stetige Hilfestellung geben zu müssen, in dem Ausmaß, wie ich es gebraucht hatte, kann eine Belastung sein. Sowohl für Familienangehörige, als auch für Freunde. Immerhin haben diese im Gegensatz zu professionellen Helfern eigene Jobs. Aber nicht nur das. Selbst für mich selbst stellt das eine Belastung dar. Denn so bin ich stetig dazu gezwungen andere um Hilfe anzubetteln.
Die wenigen Freunde, die ich mein eigen nennen kann und auf die ich hätte zählen können, zumindest in dem Maße wie es nötig gewesen wäre, waren viel zu weit weg oder hatten ein eigenes Leben. So beanspruchte ich für die Zeit, bis ich eine andere Lösung finden würde eine Hilfe in Form der ambulanten Betreuung und parallel Familienhilfe.
Das hat nur einen großen Nachteil
Ich musste peinlichst darauf achten, kein Privatvermögen über 2600 Euro anzuhäufen. Und dass obwohl ich schon eine Zuzahlung leisten musste, die mich an den Rand des Existenzminimums brachte. Keine Chance, irgendwas anzusparen und so waren die folgenden Monate für mich sehr schwer. Immerhin hatte ich 2 Umzüge zu stemmen und 3 Kinder zu versorgen und nebenbei die laufenden Kosten zu bedienen.
Und das alles ohne irgendwelche Rücklagen.
Das ging nicht nur auf meine Kosten, sondern auch auf die meiner Kinder.
So am Rande des Existenzminimums ohne Anspruch darauf Mittel anzusparen, gleichzeitig die Versicherungszahlungen im Januar und den nächsten Umzug im August in Blick, nebenbei die Kaution der Zwischenwohnung und das alles aus dem Nichts heraus.
Dadurch fiel Weihnachten fast aus. Das musste ich mir dann buchstäblich vom Mund wegsparen.
Es war eine sehr schwere Zeit.
Denn das Teihabegesetz zwang mich dazu, alles was ich über dem Existenzminimum besaß oder verdiente, für meine Behinderung einzusetzen.
Ohne Rücksicht auf meine Kinder und deren Bedürfnisse.
Natürlich hätte ich auf sie was ansparen können. Aber von was denn?
Durch das Teilhabegesetz war ich gezwungen, arm zu sein und zu bleiben, und auch wenn man sagen könnte, dass es ja in meinem Verantwortungsbereich liegen würde, was können denn die Kinder dafür.
Kann man bei denen auch sagen, dass die Liebe mehr ist, als das bisschen Geld und das es wichtigeres gibt? Will man mir wirklich versuchen hier weis zu machen, dass die ganze Familie und jede potenzielle Partnerschaft mitleiden muss dafür, dass ich behindert bin. Seit Geburt.
Für eine Partnerschaft würde es bedeuten, dass mir zwei Dinge zur Wahl stünden. Entweder ich mache die Beziehung kaputt, weil ich diesem all meine Unzulänglichkeiten aufbürde, oder weil ich ihn und die Seinen in Armut stürzen würde.
Denn auch hier wird eines nicht bedacht. Der Staat sagt, dass Liebe mehr ist als nur Geld und das sich der Partner das ganze so aussucht. Betrifft das denn auch seine Familie? Seine Kinder?
Jetzt könnte man noch einwerfen, dass Kinder ja berücksichtigt werden und so die Existenzgrenze angehoben wird
Die ist tatsächlich gesehen nicht viel höher als die eines Erwachsenen allein. Das reicht hinten und vorne nicht. Bei mir waren es damals 1600 Euro als Bemessungsgrenze.
Dabei zu beachten, dass man ohne Kinder 1100 als Eigenbedarf geltend machen kann, und so erscheinen 1600 als nicht wirklich viel, vor allem, weil es da völlig unerheblich ist, wie viele Kinder man hat.
Da wäre kein Urlaub drin, kein Auto, keine größeren Anschaffungen, außer vielleicht auf Rate. Wobei ich hier bezweifle, dass man überhaupt einen Ratenvertrag abschließen kann unter solchen Umständen und selbst wenn, wovon bedient man den denn?
Selbst Klassenfahrten wäre ein riesen Problem, und die kann man nun wirklich nicht mehr in reines privates Vergnügen einsiedeln. Hierbei entstünde sogar ein erheblicher Nachteil für das Kind. Es ist ja allgemein bekannt, dass diese Klassenfahrten dem Klassengefüge dienen soll und so sind Ausgrenzungen an der Tagesordnung.
Wofür geht man dann eigentlich arbeiten? Um alles wieder abzugeben, die eigenen Kinder nicht ausreichend versorgen zu können?
Man hat das ja nicht selbst verschuldet, noch hat man je die Chance da selbst aus eigener Kraft wieder herauszukommen.
Spinnen wir noch ein wenig weiter
Natürlich könnte man jetzt einwerfen, dass es mir ja frei steht Hilfeleistungen finanzieller Art zu beantragen. Aber steht mir das wirklich frei? Sind meine Kinder dann wirklich Harz4-Kindern gleichgestellt, sodass ich Extra-Ausgaben für sie beantragen kann? Ob man die jetzt bewilligt kriegen würde, steht auf einem anderen Blatt, aber hätte ich prinzipiell die Möglichkeit dazu?
Dazu konnte ich nirgends eine Regelung finden.
Nicht dazu, welche Rechte und Möglichkeiten ich als behindertes Elternteil mit persönlicher Assistenz hätte, noch wer entsprechende Ansprechpartner wären. Noch darüber, welche Folgen gewisse Beantragungen für meine Kinder hätten.
Damals musste ich für meine Kinder gleichzeitig Familienhilfe beantragen, damit ich jemanden habe, der mit ihnen auch mal ins Hallenbad oder ins Kino gehen kann. Denn meiner persönlichen Assistenz war es nicht gestattet, meine Unzulänglichkeiten auch bei meinen Kindern auszugleichen. Welche Nachteile durch solche eine Familienhilfe vom Jugendamt entstehen können, dürfte allgemein bekannt sein.
Noch ein Gedankengang dazu:
Wenn die Kinder den Harz4-Kindern angeglichen wären, unterstehen sie dann auch den gleichen negativen Folgen?
Denn entgegen der Gesetzgebung gelten Kinder hier nicht erst ab 18 als volljährig. Schon ab 16 muss für sie losgelöst von der Familie finanzielle Unterstützung beantragt werden und damit sind sie ab diesem Alter auch unter deren Einfluss. Jetzt kommt es auf den Bearbeiter an. Aber nicht selten wurden 16 jährige unter Druck gesetzt, die Schule abzubrechen und eine Ausbildung zu beginnen. Das Studium gar nicht erst in Aussicht gestellt.
Fazit:
Entweder könnte ich mir eine Zukunft für meine Kinder gar nicht leisten, oder ich darf Hilfen dazu beantragen. Nehme dafür jedoch in Kauf, insofern sie überhaupt zugesprochen werden, dass sie ebenfalls alle Nachteile tragen müssen.
Im Grunde ist es egal wie. Fair ist es nicht, meine Kinder zu bestrafen, nur weil ich behindert bin.
Jetzt könnte man fragen, warum ich als behinderte überhaupt Kinder in die Welt gesetzt habe. Dazu will ich etwas deutlich sagen.
Erstens ist der Großteil der Behinderten nicht von Geburt an behindert und deren Kinder und Familien werden genauso bestraft.
Zweitens erweckt es den Eindruck, dass Behinderte lieber gar nicht erst arbeiten, oder Kinder und Partner haben sollten und das sogar staatlich bestätigt.
Drittens, und hier vielleicht das wichtigste Argument, bin ich trotz meiner Behinderung, ein vollwertiges Mitglied dieser Gesellschaft. Bis auf die alltäglichen Schwierigkeiten einsatzfähig und eine Bereicherung für diese Gesellschaft. Ich bin eine gute Mutter und arbeite nebenher in einem tollen Beruf.
Ich habe es verdient, genau wie meine Kinder, auch als solcher Teil der Gesellschaft behandelt zu werden, ohne finanzielle Einschränkungen.
Ich sehe das tatsächlich als Beschneidung meiner Grundrechte.
Im Grundgesetz steht, dass mir durch meine Behinderung keine Nachteile in der Gesellschaft entstehen dürfen. Das schließt aber die finanzielle Seite ein, meines Erachtens.
Denn auch ich habe das Recht auf Familie, Freizeitgestaltung, auf das Sparen auf eine gute Zukunft meiner Kinder und das Recht ihnen das Leben zu bieten, dass ich erarbeiten kann.
Ich hatte so sehr gehofft, dass der neue Entwurf zum Teilhabegesetz mir die Möglichkeiten schafft ohne Einbußen ein selbstbestimmtes Leben zu leben, ohne dass ich andere damit belaste, dass ich bin wie ich bin.
So jedoch ist meine Teilhabe an der Gesellschaft durch solch ein Gesetz mehr gehindert als es enthindern würde und so bleibt mir fast keine Wahl, als weiterhin alles um mich herum damit zu belasten, für mich Dinge zu übernehmen, die ich allein nicht schaffen würde.
Meist sind es nicht viele, auf die ich mich berufen kann, da ich Schwierigkeiten damit habe, Freundschaften zu schließen. Noch dazu sie behinderungbedingt zu halten. Leichter wird es so ganz sicher nicht. Und so schrumpft mein Bekanntenkreis immer weiter und für mich wird es mit jeder Enttäuschung immer schwerer, damit umzugehen.
Dennoch habe ich hier wenigstens noch eine winzige Chance, irgendwie auch ohne die Hilfen (zumindest noch) über die Runden zu kommen.
Mein tiefstes Mitgefühl gilt jedoch all jenen, den kaum eine Wahl bleibt, als professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen und die eben all diese diskriminierenden Ungerechtigkeiten über sich ergehen lassen müssen.
Der Staat sollte sich eigentlich dafür schämen
So lernt man ja schon als Kind, dass jede Gruppe immer nach dem bemessen werden sollte, wie sie mit ihrem schwächsten Glied umgehen.
Deutschland schneidet da nicht sonderlich gut bei ab.
—————————————————————————
Vielleicht dazu auch interessant:
Stellungnahme des bbe e. V. zum Referentenentwurf des Bundesteilhabegesetzes
Faktencheck Bundesteilhabegesetz
Links zum Entwurf:
gedankenkarrussel sagte:
Hat dies auf Gedankenkarrussel rebloggt.
Pingback: Der Entwurf zum Teilhabegesetz mehr Behinderung als Enthinderung — innerwelt | Blogger ASpekte
Hesting sagte:
Da Du mir ja immer vorwirfst, ich sei zu sehr mit anderen Menschen unterwegs, muss ich an der Stelle sagen, dass diese Menschen der Rettungsanker sind, den ich brauche. Die mir mal zinslos kleine Geldbeträge leihen ohne Rückgabefrist oder sogar gar nicht zurückfordern. Die mir positive Rückmeldung geben, wenn ich sie brauche (und auch dann, wenn ich denke, dass ich sie nicht brauche ;-)). Die akzeptieren, dass ich mal Nähe brauche und mal nicht.
Ich muss allerdings auch zugeben: der große Teil wohnt nicht im Münchner Umland. Die meisten sind mir also nicht mehr so nah, dass wir uns auf den Geist gehen. Die guten Freunde im Ort kann ich an einer Hand abzählen, bei den auf ganz Deutschland verteilten ist es ähnlich. Und um einige Personen, deren Freundschaft bzw. deren fachliche Kompetenz mir wichtig ist, kämpfe ich noch.
Mein Freundes- und Bekanntenkreis ist deshalb so groß, weil es nicht gleichmäßig einfach oder schwer ist, mit anderen Leuten klarzukommen, ich habe das Gefühl, in der Anfangsphase ist es einfach, ab dann muss man arbeiten. Es funktioniert nicht immer gleich gut, nicht über lange Zeit. Manchmal ist es auch am Anfang schwer und wird dann leichter. Zu einer Person, die ich eigentlich als Freundin bezeichnet habe bislang, halte ich gerade eher Abstand, weil Unterhaltung schwierig ist, weil wir zu unterschiedlich sind.
Mein Vater ist mehr als einmal ganz und gar nicht begeistert gewesen über den Umfang der Unterstützung, den ich von Freunden eingefordert habe, als ich noch in Hessen wohnte. Bei ihm hat aber meine Mutter eine Menge abgefangen, glaube ich. Freunde haben beide nur aus der gemeinsamen Studienzeit und der Anfangszeit seiner Arbeit im „Westen“ Anfang der Neunziger. Meine Eltern waren damals etwa 40 Jahre alt.
Die Herzlichkeit gegenüber Mitarbeitern, die in den Neunzigern noch gang und gäbe war, hat es jetzt nicht mehr. Geld entwertet sich schneller. Auch für mich war das Beantragen des ALG2 im letzten Jahr so kompliziert wie noch nie. Und jetzt muss ich sogar 2000 Euro zurückzahlen. Plus ein vielfaches an Steuern. Ich kann also nicht behaupten, finanziell auf der Sonnenseite des Lebens zu hocken.
Aber gerade deswegen kriegen mich keine zehn Pferde dazu, nochmal irgendwo Unterstützung zu beantragen. Schließlich hat nicht „der Staat“ meinen chaotischen Umgang mit Finanzen zu verantworten.
Ich glaube, dass es in Zukunft noch schwerer mit staatlichen Hilfen wird, weil einfach zu viele Töpfe gefüllt werden wollen, nicht nur der Bereich Soziales und auch nicht nur in Deutschland.
maedel sagte:
ich habe dir nie vorgeworfen, du seist zuviel mit anderen Menschen unterwegs. Langsam solltest du überdenken, was du so behauptest.
Ich sagte damals nur, dass du die mit 3 Vereinen zuviel zumutest, meiner Ansicht nach. Danach sagte ich dir, wie ich es handhabe.
Pingback: Jahresrückblick 2016 | innerwelt