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~ Ich bin Asperger Autistin und hier sollen meine Gedanken Platz finden.

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Schlagwort-Archiv: Aktion Mensch

Weltautismustag – im Zeichen der Inklusion?

02 Samstag Apr 2016

Posted by maedel in Meine Gedanken über Autismus

≈ Ein Kommentar

Schlagwörter

ABA, Aktion Mensch, AS, Asperger Autismus, Asperger Syndrom, ASS, Autismus, Autismus-Spektrum-Störung, HFA, Hochfunktionaler Autist, Weltautismustag

Ein Kind geht in die Schule. Wie jeden Morgen steht es pünktlich auf dem Schulhof und wartet auf den Einlass. Es ist viel los und daher hat sich das kleine Mädchen in eine der ruhigeren Ecken verzogen, um dort auf den Startschuss zu warten.
Die ruhigeren Ecken gab es dort nicht immer, aber seit sie mehr Personal haben an den Schulen, können sie gewährleisten, dass jemand der Lehrer mit dort stehen kann, um darauf zu achten, dass es an den Stellen ruhiger zugeht. Kein Fangen, höchstens vielleicht was lesen oder einfach dem Treiben der anderen Kinder quer über dem Hof zuschauen. Das Kind wartet entspannt und als die Schulglocke ertönt, hüpft es freudig ins Schulgebäude.

Die Klassen sind nicht allzu groß und wenn es dem Mädchen doch mal zu viel werden sollte, kann es sich wie alle anderen Kinder auch jederzeit in einen der Ruheräume zurückziehen. Dort nehmen sie dann sonderpädagogisch geschulte Lehrkräfte in Empfang, die auch mal mit den Kindern nicht verstandene Inhalte durchgehen können. Gerade Kinder wie das kleine Mädchen, das eher visuell lernt, profitieren davon. Aber eben nicht nur sie. Die Räume werden sehr gern genutzt, von Behinderten, wie auch Nichtbehinderten gleichermaßen und so entsteht niemandem ein Nachteil oder eine Form der Ausgrenzung.

Denn hier ist es Normalität, dass nichtbehinderte und behinderte Kinder gemeinsam lernen, jeder nach seinen individuellen Möglichkeiten.

 

Utopie?

Gar nicht mal so sehr, wie es sich zu Anfang liest. Ich habe vor Jahren mal einen Bericht gesehen, wo es genau um solch eine inklusive Beschulung ging. In Ländern, die sogar wesentlich kleiner sind und weniger finanzielle Mittel zur Verfügung haben, wo aber Inklusion eben nicht nur ein Wort ist, sondern gelebt wird.
So liegt Island mit 96% Inklusionsrate auf dem Spitzenrang, gefolgt von Malta (94%), Litauen (90%), Portugal (87%) oder auch Norwegen (85%). Deutschland hingegen belegt nach wie vor einen der hintersten Ränge.

 

Das kann viele Gründe haben

Zum einem kann man das schön an den Prioritäten sehen, die unsere hiesige Politik setzt. So ist Deutschland seine Bildung gerade mal 4,55% wert. Im Vergleich dazu kann man Dänemark mit 7,75%, Island mit 7,57% oder auch Zypern mit 7,41% nenne.
Am 26. März 2009 trat in Deutschland die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen in Kraft, wo im Artikel 24 das Recht auf inklusive Bildung fixiert ist.

 

Nur, was hat sich denn seitdem in Deutschland getan?

Noch heute fehlt es massiv an räumlichen, sächlichen und personellen Ressourcen. Juristen des Deutschen Instituts für Menschenrechte haben ermittelt, dass keines der Bundesländer alle im Recht auf inklusive Bildung angelegten Kriterien erfüllt.
Das Bündnis für Inklusion hat ausgerechnet, dass allein in Hamburg 315 neue Lehrer eingestellt werden müssten, damit der Senat seine eigenen Fördervorgaben einhält.

Aber nicht nur das. Das deutsche Schulsystem ist in sich völlig veraltet. Alle Maßnahmen, die bisher ergriffen wurden, um Deutschland nach vorne zu bringen, haben es zum Teil nur schlimmer und unübersichtlicher gemacht.
Als Beispiel kann man hier die vereinfachte Schreibschrift nehmen, die durch ihre abgehackte Schreibweise Kindern mit feinmotorischen Problemen mehr Schwierigkeiten bereitet als sie vereinfacht.
Ebenso wie diese ist das neue Konzept, Schüler nach Hören schreiben zu lassen und erst dann zu berichtigen, wenn sich Lesen und Schreiben soweit verfestigt haben, völlig nach hinten los gegangen.
Noch nie gab es so viele Kinder mit Rechtschreibschwächen wie heute.

Kinder mit Sprachbehinderungen, Lernbehinderungen, auditiven Wahrnehmungsstörungen oder visuellen Einbußen sollen heute inklusiv in Regelschulen beschult werden, und das ist auch gut so. Aber bis heute hat es das Schulsystem mit seinen starren Lehrmethoden nicht geschafft, sich nur annähernd an alle Begebenheiten anzupassen.
Und es ist lange nicht so, dass diese Schwierigkeiten nur behinderte Kinder betreffen.
Die wenigsten Kinder lernen nach Schema F, aber an deutschen Schulen wird immer noch so unterrichtet.

 

Aber das ist meines Erachtens nur einer der vielen Gründe, warum Inklusion hier nicht funktionieren kann. Nicht in einem Land, in dem Behinderte immer noch als die sabbernden, in der Ecke sitzenden, schwer geistig behinderten Menschen gesehen werden, solange nicht einfach nur eine rein körperliche (sichtbare) Einschränkung vorliegt. Und selbst da gehen viele heute noch davon aus, dass körperliche mit geistigen Behinderungen einhergehen.

Solange Behinderung nur als rein defizitär angesehen wird, als Krankheit, die ausgemerzt werden soll, möglichst mit allen Mitteln geheilt gehört – solange wird es kein Miteinander geben, sondern immer eine Zweiklassengesellschaft, wo wir schon froh sein “sollen”, wenn man uns die Möglichkeit bietet, möglichst angepasst und unauffällig durch die Gesellschaft zu gehen.

Ich erinnere mich an eine Situation bei meinem Sohn, als dieser 5 Jahre alt war. Nie haben wir gegenüber ihm erwähnt, dass er behindert ist, und auch nicht den anderen Kindern gegenüber. Lediglich die Eltern hatten wir bei Bedarf aufgeklärt.
Kurz nach diesem Gespräch musste ich mit ansehen, wie mein Sohn von Kindern umringt “du bist ein Behindi, ein kleiner Behindi” umsungen wurde, und bis heute frage ich mich, woher sie das wohl hatten.

Kinder sind von Natur aus neugierig und unvoreingenommen. Sie fragen nach, wenn etwas anders ist, und legen es dann zu den Akten. Spielen mit einem, ohne es weiter zu hinterfragen. Oft sind es die Eltern, die erste Ängste schüren, wie es ihnen auch ihre Eltern schon beibrachten: “Du, die sind behindert, mit denen solltest du nicht spielen.”

Kinder betrachten bei Neuem immer erst die Reaktion der anderen und vor allem die der Eltern. Wenn diese negativ reagieren, dann ist es auch negativ.
In Ländern, in denen Behinderte völlig inkludiert mit nichtbehinderten Kinder aufwachsen, sieht man solche Berührungsängste gar nicht.
Und das tragen sie auch in die nächste Generation weiter.

In einer Gesellschaft, wo Nachteilsausgleiche immer noch als Übervorteilung wahrgenommen wird, Behinderte als Belastung im Klassengefüge, wo Eltern sich über ein behindertes Kind in der Klasse beschweren, weil dieses die Lernfortschritte ihres Kindes behindern könnte – in solch einer Gesellschaft, wo Anpassung das oberste Gebot ist, und nur angepasste Menschen das Recht haben, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben, sind wir weiter weg von Inklusion als vielleicht manche ahnen, und so wundern mich die oben angeführten Zahlen in keinster Weise.

Inklusion betrifft eben nicht nur die Schule

Es betrifft alle, ausnahmslos, und fängt schon beim eigenen Denken an.
Wenn ich dann lese, wie der heutige Weltautismustag im Zeichen der Inklusion stehen soll. Induziert von Vereinen wie Autismus Deutschland. Wo Organisationen wie Aktion Mensch groß verbreiten, dass Inklusion das Thema des Jahres sein soll, dann frage ich mich, wie sie eine Therapie wie ABA/ AVT gutheißen können, die meines Erachtens gegen Inklusion steht.

So geht es doch grundsätzlich bei dieser Therapieform darum, Autisten anzupassen und sie möglichst gesellschaftskonform zu machen.
Das ist nicht der Gedanke einer Inklusion. Das ist höchstens Integration, wenn man das überhaupt so nennen mag. Noch dazu, dass es menschenverachtend ist.

Nehmen wir mal Herrn Sascha Decker (Pressesprecher der Aktion Mensch), der mal in einem Interview verlauten ließ, dass die Zeiten, in denen Behinderte vor die Stadttore gesperrt wurden, lange vorbei wären.
Sind Sie sich da ganz sicher? Vielleicht nicht mehr vor die Stadtgrenzen, sicher. Aber wie würden Sie denn Einrichtungen wie Sonderschulen und Förderschulen aus diesem Blickwinkel sehen – und vor allem, wie bewerten Sie eine Therapie, die Menschen nur dann in die Stadt lässt, wenn sie sich möglichst gesellschaftskonform verhalten?

Natürlich müssen auch behinderte Menschen lernen, dass es gewisse Regeln gibt, sofern sie diese behinderungsbedingt einhalten können.
Es geht hier nicht um grundsätzliche Selbstverständlichkeiten wie nicht zu töten, nicht zu stehlen oder zu verletzen.

Bei ABA geht es auch mitnichten nur um basalste Fähigkeiten, wie Befürworter es gerne anführen, sondern um die möglichst beste Anpassung an das, was Nichtautistische als normal ansehen. Es geht es um Dinge wie beispielsweise Kommunikation, telefonieren können, Blickkontakt und Berührung aushalten können. Das Aushalten äußerer Reize im Allgemeinen.

Entspricht es den Gedanken einer Inklusion, wenn Menschen nur dann das Recht auf ein Miteinander haben, wenn sie möglichst so sind, dass sie gar nicht mehr inkludiert werden müssten? 

ABA ist nicht die Lösung für eine erfolgreiche Inklusion, sondern eher hinderlich.
Genau wie viele andere “gutgemeinte Hilfestellungen”, die bis heute nichts anderes bezwecken, als das Miteinander für Nichtbehinderte angenehmer zu machen.

Inklusion kann, wenn richtig durchgeführt, einer der Wege sein, Autisten oder Behinderte allgemein besser in die Gesellschaft zu inkludieren.
Inklusion ist demnach die Lösung für ein allgemeines gesellschaftliches Problem.

Solange ABA gefördert, propagiert oder angeboten wird, führt man aber den Gedanken an Inklusion an sich ad absurdum.
_____________________________________________________________________

Quellenangaben:

http://www.zeit.de/2015/04/inklusion-schule-behinderung-hamburg-wahlkampf/seite-6
http://inklusionsfakten.de/5-jahre-un-behindertenrechtskonvention-keine-eins-plus-fuer-die-bildungspolitik/

http://www.behindertenparkplatz.de/wie-ein-sprecher-der-aktion-mensch-behindertenfeindlichkeit-schuert/

Wichtige Links:

ABA und die Kritik daran – Eine Zusammenfassung.
#FragtWarum
Innenwelt: Bin ich behindert

Wir schweigen nicht!

03 Donnerstag Dez 2015

Posted by maedel in mein Autismus

≈ 5 Kommentare

Schlagwörter

ABA, Aktion Mensch, AS, Asperger Autismus, Asperger Syndrom, ASS, Autismus, Autismus-Spektrum-Störung, AVT, HFA, Hochfunktionaler Autist, Wir schweigen nicht

Der dritte Dezember ist der internationale Tag der Menschen mit Behinderung und pünktlich dazu, aber auch anhand der aktuellen Ereignisse bei Aktion Mensch oder rund um ABA, ruft Quergedachtes zu einer Aktion auf, an der ich mich beteiligen möchte.

Zur Zeit habe ich mal wieder eine stille Phase. Ich habe mich die letzten Wochen ausgepowert und brauche daher wieder einige Zeit, bis ich vollständig regenerieren kann.
An manchen Aktionen konnte ich mich daher nicht mitbeteiligen. Obwohl sie alle wichtig waren und ich gern gewollt hätte. Aber es fällt mir derzeit sehr schwer.
Das heisst aber nicht das ich still bleibe.

Vielmehr gehe ich eher ein paar Schritte zurück, aber nur um Anlauf zu nehmen.

Ja, ich werde laut sein. Ich werde nicht schweigen.

Ich setze mich schon sehr lange für die Aufklärung über Autismus ein.
Das hat verschiedene Gründe. Zum einem, weil ich selber oft mit meinem Umfeld zu kämpfen habe. Zum anderem bin ich Mutter und auch meine Kinder sind autistisch.
Ich setzte mich daher genauso für sie ein und für all die autistischen Kinder da draussen.
Da zwei meiner Kinder frühkindlich sind, kann ich die Sorgen manch Eltern verstehen und so macht es mich noch wütender als manch andere, dass solche Ängste und Nöte von Eltern unter dem Deckmantel des Gutwillens vermarktet werden.
Ich weiss, dass es auch ohne ABA/AVT, MMS, Diäten etc. geht.

Ich selber habe eine konditionierende Erziehung „genossen“ und auch wenn ich selten darüber schreibe, kann man hier die Folgen im Blog einer solchen Erziehung manches Mal herauslesen.
Das Leben unter ständiger Anpassung, das ewige spielen einer oder mehreren Rollen und das stetige Gefühl falsch zu sein, fordert seinen Preis.
Ich habe diesen Preis bezahlt und nun versuche ich mich wieder aufzurichten. Aber nicht ohne sicherzustellen, dass sowas unseren Kindern nicht passieren kann.
Ich habe daher vielleicht eine ganz besondere Perspektive und die will ich einbringen.

Ich bin alles andere als schwach, auch wenn es manchmal nach aussen so aussehen mag. Auch wenn ich öfters still bin.
Ich nehme nur Anlauf und ich werde immer wieder hinausschreien:

Indem ihr die Menschenrechte, Grundrechte und all unsere Werte missachtet, tretet ihr nach dem, was uns am wichtigsten sein sollte. Nach unseren Kindern, der nächsten Generation.

Da könnt ihr noch so sehr Gutwillen oder Wahlfreiheit vorschieben. Veranstaltungen abhalten, die zum Zweck haben uns dazu zu bringen, nicht mehr unsere Meinung laut auszusprechen.

Es ändert nichts an der Tatsache, dass wir ebenfalls eine Stimme haben und diese auch gebrauchen werden.
Und gerade die Tatsache, dass ihr Respekt vor unserer Stimme gezeigt habt, durch eure Aussagen beim Treffen der Aktion Mensch, zeigt mir, dass ihr uns begonnen habt zu hören.
Auch wenn ihr vom zuhören noch sehr weit entfernt seit.

Ich lasse mir keinen Maulkorb verpassen und meinen Kindern auch nicht.
Denn diese habe ich ganz ohne ABA und Konditionierung zu selbstständigen und eigenständigen Menschen erzogen und bei aller Naivität, die sie doch haben, wurde ihnen ganz ohne mein Zutun bei der Debatte um ABA und Co eines klar.
Schon in ihren jungen Jahren sagen sie klar nein zu Therapien oder Behandlungen, die sie verbiegen sollen.

Denn sie sind gut so wie sie sind!

Aktion:
Wir schweigen nicht!
#WirSchweigenNicht auf twitter

weitere Blog, die sich beteiligen:
Atari-Frosch schweigt auch nicht
butterblumenland genausowenig
Aspergiller schweigt nicht
Sabrina schweigt auch nicht
Mellis laute Stimme
Auch yowriterblog hat was zu sagen

zur Vorgeschichte bei Aktion Mensch:
Aktion Mensch fördert ABA
Treffen bei Aktion Mensch
Werden wir schweigen? Nein!

Treffen bei Aktion Mensch

22 Sonntag Nov 2015

Posted by maedel in Projekte/Veranstaltungen

≈ 93 Kommentare

Schlagwörter

ABA, Aktion Mensch, Aleksander Knauerhase, AS, Asperger Autismus, Asperger Syndrom, ASS, Autismus, Autismus-Spektrum-Störung, HFA, Hochfunktionaler Autist, Podiumsdiskussion

Es waren für mich 2 sehr anstrengende Tage und noch heute kämpfe ich mit den Nachwirkungen. Jedes Geräusch, das kleinste Licht ist viel zuviel.
Bei einer bekannten Friseurin, mussten sie heute sogar alles abdunkeln, sonst hätte ich es dort nicht ausgehalten und dabei ging es nur um den Haarschnitt der Jungs.
Ich habe mich völlig verausgabt und werde Tage brauchen, um das alles wieder einzuspielen.
Aber genau das scheine ich gebraucht zu haben. So erinnert mich dieser Zustand daran, was ich mitunter so falsch an diesen Programmen, diesen Therapieformen finde.
Sie machen den Autismus ja nicht weg. Man lernt nur zu funktionieren, solche Dinge auszuhalten, noch dazu möglichst unauffällig und Gesellschaftskonform.
Nur mit einem großen Unterschied. Ich habe dort geschaukelt und gezappelt was das Zeug hält, um es aushalten zu können.
Sonst wäre ich heute noch mehr ein Wrack, als ich es so schon bin und das wichtigste:

Ich hatte die Möglichkeit nach Hause zu kommen. Alles abzudunkeln, Ruhe herzustellen und mich in Sicherheit zu begeben, sodass ich regenerieren kann. Bei ABA/AVT hätte ich das nicht gedurft.
Da würde das Training nun weiter gehen.

Und genau da fängt für mich die Menschrechtsverletzung an und wenn Aktion Mensch noch so sehr davon spricht, dass ich oder wir hier sehr große Worte benutzen, zu große, um die Bitte im Schlusssatz von Herrn Lechmann besser zu verstehen:
Zitat: “Eine Bitte an die Blogschreiber (anwesende). Sie haben enormen Einfluß und wir bekommen das auch mit.“
Es ist aus ihrer Sicht Herr Lechmann auch verständlich, dass sie es nicht in Ordnung finden, dass ihnen von Lehrern der Handschlag verweigert wird, aber uns das allein in die Schuhe zu schieben mit der Aussage, dass sie nicht wissen möchten was diese Lehrer im Internet gelesen haben, naja.
Ihrer Wunsch an uns Blogger: „da verantwortlich und vielleicht verbal etwas abzurüsten“, werde ich insofern nicht nachkommen, dass ich mir meine Meinung und die Aussage derer in keinster Weise verbieten lasse und: „sie wissen gar nicht was für eine Macht sie haben, das ist wirklich sehr stark“ war mir tatsächlich nicht bewusst.
Danke, jetzt weiss ich es. Ich werde sie mit Bedacht einsetzen. Allerdings nicht so, wie sie es sich wahrscheinlich gewünscht hatten.

Ich finde es schlimm, wenn unter dem Deckmantel der angeblichen Wahlfreiheit ein Missbrauch an den Menschrechten der Kinder begangen wird.
Und bei dieser Meinung bleibe ich, auch nach dieser Veranstaltung. Vielmehr hat sie sich sogar verhärtet.
Wo ist denn die Wahlfreiheit der kleinen Autisten? Nur weil sie später sogar einfordern?
Sie alle fordern Altgewohnheiten auch immer wieder ein und sind Therapeuten ihre Bezugsperson (auch im häuslichen Sicherheitsbereiche) dann wundert es auch nicht.
Ein Raucher wird auch der alten Gewohnheit nach weiter rauchen, deswegen ist der Glimmstengel aber nichts gutes.
Gerade bei Autisten ist Altbekanntes oft sogar noch wesentlicher.
Die Kinder kennen es ja nicht anders und den Müttern wird mit haarsträubenden Zukunftsszenarien (Manipulation) kaum eine Wahl gelassen.

„Wollen sie denn nicht, das ihr Kind gefahrlos von a nach b kommen kann?“ Das nennt man Suggestivfrage. Genau die wurde mir am Donnerstag gestellt. Welche Mutter möchte das schon nicht und niemand würde diese mit *nein* beantworten.
Szenarien wie, ihr Kind wird ohne Behandlung im Erwachsenenalter noch Windeln tragend die Wände mit Kot beschmieren…auch dieser Satz fiehl und ist höchst manipulativ.

Wo ist da eine Wahlfreiheit. Das ist eher Masche, eine sehr alt bekannte und erschreckend für mich war, dass sie wirklich gut waren. Die Vetreter der ABA/AVT Fraktion. So gut, dass ich stellenweise sogar fast an meiner harten Gangart gezweifelt hätte. Teilweise sogar dachte, das AVT wirklich nicht mit ABA zu vergleichen ist.Zumindest so lange, bis ich heute morgen einen Text von Vera Bernard-Opitz laß, die ein Schriftstück herausbrachte, welches Unterschiedlichkeiten und Gemeinsamkeiten zwischen ABA und AVT näher beleuchten sollte. Nachzulesen auf der Hompage des Regionalverbands Karlruhe von Autismus Deutschland.

Zitat aus dem Schreiben: „ABA und AVT haben als Hauptziele den Abbau von Verhaltensproblemen, wie Zwängen oder Selbststimulation und den Aufbau oder die Erweiterung von angemessenen Fähigkeiten, wie die Erweiterung kommunikativer Funktionen oder angemessenem Sozialverhalten.“

Oder auch ein Zitat, das Herr Lechmann selbst zitiert hat, bei der Podiumsdiskusion bei Aktion Mensch in Bezug auf Stereotypien: „Nie was nehmen, ohne die Funktion durch was Anderes zu ersetzen“ und: „Erst dann kann etwas gegeben werden, dass funktionaler ist“.

Angemessen, funktionaler, soso. Wer bestimmt denn die Angemessenheit oder angemessene Funktionalität? Die Gesellschaft?
Laut der ABA/AVT Fraktion die Eltern. So räumt diese ein, dass *solche* Programme dazu missbraucht werden könnten, um eine möglichst große Anpassung zu erreichen. Wie jedes andere Programm auch.

Da bin ich anderer Meinung und wer da als *Referenz* auch noch eine Mutter einsetzt, die ihren autistischen Sohn per AVT behandeln lässt, weil sie unter anderem der Meinung ist, dass man sich mit einem Autisten, der sich nicht adäquat verhält, nicht in der Gesellschaft blicken lassen kann, dann kann das gar nicht so weit von ihren Ansichten als Therapeuten oder Anbieter entfernt sein. Die Verantwortung liegt da eindeutig auch bei den Therapeuten. Wenn man Eltern als Co-Therapeuten einsetzt und dazu anleitet, dann muss auch das Verhindern des Missbrauch dieser therapeutischen Werkzeuge sicher gestellt sein.
Noch dazu, wenn es sich um ein Werkzeug handelt, dass sich als Ziel setzt Autisten umzuprogrammieren, zu einem angemessenem Sozialverhalten.
Nichts anderes ist damit gemeint, wenn da steht, dass die Kinder gelerntes autistisches Verhalten vergessen und ein neues Verhalten erlernt werden soll. Nachzulesen aus einem Zitat auf der IFA Bremen Homepage.

Weiteres Zitat aus dem Schreiben „Beispiel: Geldverständnis nach verschiedenen Lernformaten:
braucht das Kind wiederholte Übungen, um Geldmünzen zu unterscheiden, oder muss es lernen, die Münzen schneller auszusuchen, um ungeduldig Wartende nicht zu frustrieren?“

Spätestens hier wurde mir deutlich, wie sehr sie verdreht haben, damit es weniger nach dem kritisiertem ABA klingt.
Geht es also doch darum, Autisten gesellschaftskonform zu machen. Und in dieser beschriebenen Situation ist auch nichts mehr davon zu lesen, dass es sich hier um basale Fertigkeiten handelt.

Das war übrigens etwas, was mir bei der Veranstaltung schon sehr negativ auffiehl.
Das stetige Springen von einer Variante des Autismus, die sie als die schlimmste und schwerste Form bezeichnen. Eben dem Autisten der gar nichts kann, nichtmal basalste Fertigkeiten, wie Anziehen, Essen, auf das Klo gehen etc. Dinge, die Eltern massiv Angst machen können, weil in dem Zuge ja auch nicht erwähnt wird, dass Autisten das sehr wohl mit der Zeit auch lernen können. Vielmehr implizieren sie so, dass diese ohne Behandlung ja immer die Windel tragenden Autisten bleiben werden, die Wände mit ihrem Kot beschmieren.
Bis eben zur Variante, dass Kinder die Eigenbestimmung lernen sollten, eigenständig und autonom zum Bäcker gehen zu können und das mit 6 Jahren. Eben eher die Hochfunktionale Variante.
Sprachen sie also von Erfolgen, dann ging es plötzlich weg von den schwersten, angstmachenden Zuständen der schwerstbehinderten Frühkindlichen hin zu den Hochfunktionalen, wo sie mit Behandlung dann wohl einzustufen wären.
Weit dem Voraus, was man als basale Fertigkeit verstehen würde.

Allein zum Bäcker gehen kann mein Kind übrigens auch. Allerdings erst mit 13. Aber man kann nicht sagen, dass er es nie geschaft hätte, da er ja frühkindlich ist und kein ABA oder AVT erhalten hat. Zumindest solange es sich in dem Rahmen bewegt, den er kennt und solange es ein guter Tag ist. Aber auch das hat er lernen dürfen. Gute Tage, schlechte Tage.

Autismus ist, wie bei der Gesprächrunde von einem Vater eines autistischen Sohnes erwähnt, eine tiefgreifende Entwicklungsstörung und er legte uns sehr nahe, dies nicht zu vergessen.
Den gleichen Rat gebe ich zurück. Denn Autismus bedeutet nicht Entwicklungsstillstand.

Autisten lernen aus dem Verstehen heraus. Meiner Erfahrung nach, am besten über das logische Verstehen, was auch Aleksander Knauerhase in der Diskussion anführte.
So mag es vielleicht länger dauern, aber auf diese Art kann man auch eher sicher stellen, dass Erlerntes zumindest bis zu einem gewissen Grad übertragbar in andere Situationen sein kann. Natürlich kann es auch dann zu Situationen kommen, an denen wir als Autisten alles abbrechen, da wir völlig überfordert sind, einfach weil es anders läuft als geplant.
Aber durch das Verstehen können wir uns wesentlich besser und facettenreicher auf solche Situationen vorbereiten.

An diesem, und nur an diesem Punkt gebe ich Frau Werner, die als BCBA- Therapeutin der ABA/AVT Fraktion anwesend war, durchaus Recht.
Sie können keine komplexen sozialen Regeln runterbrechen auf einen einzigen Skill und den dann unterrichten.
Aber genau das tun sie! Dadurch, dass Autisten nicht verstehen, geben sie einfach nur Werkzeuge an die Hand wie sie Situationen bewältigen können, ohne die Chance sie aus dem Verstehen heraus *selbst* zu entwickeln.

Als ich jung war, erklärte mir meine Mutter, dass ich jedem Hallo zu sagen habe. Das hat ne Weile gedauert, bis ich das auch umsetzte, aber irgendwann sagte ich immer brav Hallo.
Als ich dann älter wurde und in die Pubertät kam, wurde mir genau das aber wieder zum Vorwurf gemacht, indem sie mir sagte, dass ich doch nicht jedem fremden Hallo sagen kann.
Es könnten ja auch welche dabei sein, die es nicht gut mit mir meinen.
Wer ist denn fremd? Wann meint man es gut und wann nicht und wen soll ich jetzt grüßen und wen eigentlich nicht. Wenn ich nicht Hallo sagen soll, was dann oder soll ich gar nichts sagen.
All das hat man mir nie erklärt und hatte dann nach der Ansage meiner Mutter zur Folge, dass ich lange Zeit gar niemanden mehr grüßte und selbst heute noch Schwierigkeiten damit habe, dies zu unterscheiden. An schlechten Tagen jedoch, verfalle ich wieder dazu, niemanden zu grüßen oder auch unter Stress nicht zu reagieren.

Mit diesem Beispiel wollten wir bei der Diskussion erklären, was nicht verstehendes rein funktionales Lernen anrichten kann. Das Folgen davon oft erst weit im erwachsenen Alter zu sehen sind.
Es sollte ein Beispiel sein und genau dieses Beispiel wurde später von Frau Werner so verdreht, dass es den Eindruck erweckte, wir würden ABA/AVT Therapeuten unterstellen, den Kindern stupides Begrüßen beizubringen.

Nun sagte sie auch, dass sie natürlich auch mal soziale Situatonen erklären, warum sie so sind wie sie sind. Aber dadurch, dass sie einfach vorgeben und auch schon seit frühster Kindheit immer vorgegeben haben, wie ein Kind in welcher Situation wie reagieren soll.
Wie soll es dann gelernt haben eigene Skills und eigene Werkzeuge zu entwickeln, die flexibel genug sind, um die meisten Situationen halbwegs abzudecken. Sie haben doch keine Ahnung wieviele Facetten eine solche Situation haben kann. Ich schon.
Und genau hier kommen, wie bereits erwähnt die guten Tage und schlechten Tage zum Tragen. Die Kraft, die man als Autist für solche Fälle aufbringen muss.
Und an dieser Stelle möchte ich nicht schon wieder eine Differenzierung von seitens der ABA/AVT Fraktion auf schwere und leichte Fälle hören oder lesen. Autist ist Autist und nur weil ich besser kompensieren kann, heisst es nicht das ich dieselbigen Schwierigkeiten nicht habe und sie sind mir alle bewusst. An schlechten Tagen besonders.
Dann wäre auch mein Sohn nicht mehr in der Lage, sich auch nur ein Brötchen beim Bäcker zu holen.

Wenn er jetzt zusätzlich den ganzen Tag damit beschäftigt wäre nur zu funktionieren. Stimmings, die unerwünscht sind zu unterdrücken, dann wäre es ein Leben, dass dauerhaft an seiner Belastungsgrenze geführt wird.
Ich wurde dazu erzogen zu funktionieren. Mir wurde es nie erklärt. Als ich 36 Jahre alt war, brach mein Konstrukt Leben, dass ich um mich gebaut hatte zusammen und ich stand vor einem Scherbenhaufen.
Einfach, weil ich nie wirklich verstanden habe und es mir niemand erklärt hat und erst jetzt beginne ich nach und nach zu lernen. Aber aus eigenem Antrieb heraus.
Langsamer zwar, aber mit Sicherheit nachhaltiger und vor allem immer darauf bedacht, es für mich leistbar zu halten und um Akzeptanz meines Umfeldes bemüht.
Ganz nach der Aussage von Herrn Rickert-Bolg von der Fachgruppe Therapie von Autismus Deutschland: „soviel wie nötig, so selbstbetimmt wie möglich“.

Das mag vielleicht mitunter daran liegen, dass ich mich in meinem neuen Umfeld sicher fühle.
Zu Hause. Ich habe nun eine Sicherheitsperson, der ich blind vertrauen kann und wo ich genau weiß, dass ich mich auch mal in für mich neue oder anstrengende Situationen wagen kann, wenn ich ihn als Sicherheit hinter mir weiss oder auch mein zu Hause so gestalten kann, wie ich es brauche. Einfach sein kann wie ich bin.

Das konnten mir meine Eltern in meiner Kindheit nicht bieten und bis heute beschwert sich meine Mutter darüber, dass sie nie einen Bezug zu mir aufbauen konnte. Nicht so, dass er über die Zeit der abhängigen Kindheit hinaus ging.
Wir haben heute kaum Kontakt und wenn, ist sie nicht die Person, die ich als meine wirkliche Bezugsperson benennen würde.
Genau das ist aber das, was Eltern als Co-Therapeuten riskieren. Nicht nur, dass sie dem Kind damit schaden. Sie schaden sich auch selbst damit.

Warum ich erst so spät anfange, mein Leben in den Griff zu bekommen?
Durch mein angelerntes Verhalten, mein geringes Selbstwertgefühl dadurch, dass meine Eltern mir stetig vermittelten alles nur falsch zu machen und falsch zu sein. Durch das ständige Training an meinem Verhalten wurde ich zum leichten Opfer. So ordnete ich mich auch in meiner langjährigen Partnerschaft unter und machte stets brav das, was mir gesagt wurde. Bis eben alles in sich zusammenbrach und ich nicht mehr funktionieren konnte.

Haben sie solche Folgen wirklich je bedacht? Nicht nur bei mir ist das nämlich so verlaufen. Machen sie sich doch mal die Mühe Stimmen von Autisten zu lesen, die diese Art des Trainigs erlebt haben und damit aufgewachsen sind. Oder auch die Stimmen der Autisten, die es vielleicht nicht erlebet haben, aber immer noch besser nachfühlen können, was es mit einem machen muss. Lesen sie nicht nur die Berichte, die heute noch in Coabhängigkeit zur ABA Lobby stehen. Sei es emotional aus Angst vor der Zukunft, oder aus Angst vor dem Verlust ihrer Existenzgrundlage.

Hören sie einfach nur wirklich zu und wagen sie den Versuch uns wenigstens ein wenig zu verstehen und das, was wir versuchen zu vermitteln.

Ich möchte Aktion Mensch nicht unterstellen, dass sie uns in voller Absicht in solch eine Situation brachten, wie sie es am Donnerstag taten.
Indem sie entgegen der Absprache mit Aleksander Knauerhase, doch Prof.Dr. Röttgers mit Gefolge als *Gäste* an der Podiumsdiskussion teinehmen ließen, kam es genau zu der Gegenüberstellung die nicht auf Augenhöhe stattfinden kann, weswegen Herr Knauerhase die erste Veranstaltung mit Herrn Röttgers nach dem Emailverkehr mit demselben ablehnte.
So hatte die Veranstaltung tatsächlich den Charakter einer Show, in der es darum gehen sollte, uns soweit zu überzeugen, dass wir zumindest nicht mehr Negatives über ABA und AVT, insbesondere zu dem durch Aktion Mensch unterstützten BET Programm, schreiben.

Prof. Dr. Röttgers kam in Begleitung, und auch das ist ein altbekanntes Bild bei ABA-Vertretern, mit einer Therapeutin und zwei Eltern, die frühkindliche Autisten nach ABA/AVT erziehen.
Auch wurden hier wieder sämtliche altbekannte Argumentationsschienen angebracht, die Butterblumenland schön beschrieben hat.

So neu sind sie nicht. Ich kenne sie alle und kann sie normalerweise leicht widerlegen. Aber da mir das als Autistin, gerade im direkten Gespräch unglaublich schwer fällt Eindrücke zu verarbeiten und dazu noch deren geschickten Fallen zu erkennen, stimmt ihre Aussage nicht Aktion Mensch, dass solche Diskussionen nicht schriftlich über Blogs geführt werden können.
Es war dennoch nicht ganz falsch in meinen Augen, dass ich da war und die Anstrengungen haben sich doch gelohnt, aber nichtsdestotrotz komme ich mir zur Zeit etwas verschaukelt vor.

Dem Fazit eines Teilnehmers, dass wir gar nicht so weit auseinander wären mit unseren Ansichten, wie mit Autisten umgegangen werden soll, kann ich nicht teilen.
Wir sind weiter weg als je zuvor und das macht der Versuch der ABA/AVT Fraktion, ihre Therapieform als reine gängige Verhaltenstherapie am Autisten und irgendwo auch nur als Form einer Erziehung darzustellen auch nicht viel besser.
Vielmehr hatte der Versuch, AVT als dynamische Weiterentwicklung des ABAs nach Loovas aufzuzeigen, einen recht faden Beigeschmack. Insbesondere deswegen, weil sie genau dessen Studie als Referenz für ihre Evidence und Wissenschaftlichkeit auf ihrer Seite angeben, dabei genau diese aber verleugnen.

Ich bleibe dabei. Es gibt nicht nur ein bisschen ABA, denn selbst jede abgewandelte Form beinhaltet genau das, was ich an ABA verurteile.
Eine Verletzung der Rechte des Kindes auf seelische Unversehrtheit. Das Recht auf Achtung vor der Unterschiedlichkeit von behinderten Menschen, als Teil der menschlichen Vielfalt. Das Recht auf eine eigenständige Entwicklung und Individualität

und vor allem das Recht einfach man selbst zu sein.

Links:
Aktion Mensch Podiumsdiskusion
IFA Bremen
Autismusspezifische Verhaltenstherapie (AVT) und Applied Behavior Analysis (ABA) von Vera Bernard-Opitz

UPDATE:

inzwischen ist so einiges passiert und meine Aussage, dass ich Aktion Mensch nicht unterstellen möchte, dass sie das mit Absicht getan hat, möchte ich hier deutlich revidieren. 

Aktion Mensch fördert ABA

22 Mittwoch Jul 2015

Posted by maedel in offene Briefe

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Schlagwörter

ABA, Aktion Mensch, AS, Asperger Autismus, Asperger Syndrom, ASS, Autismus, Autismus-Spektrum-Störung, AVT, HFA, Hochfunktionaler Autist

Per Zufall wurde ich in den letzen Wochen durch jemanden in Facebook auf ein Angebot in Ebay aufmerksam gemacht, wo eine Weiterbildung zum Autismustherapeuten angeboten wurde.
Sie wies damals darauf hin, das Aktion Mensch ein dubioses Angebot unterstützen würde, was ich zunächst nicht glauben wollte, denn gerade diese setzen sich doch für Behinderte ein und nicht gegen sie.
Die Anzeige selber ist nicht mehr geschaltet, aber einen Screenshot davon hat mir die Nutzerin zukommen lassen. Mitsamt der Dokumente, die ihr auf Grund ihrer Anfrage geschickt wurden.

Es handelt sich hier um ein „Bremer Frühtherapieprogramm Autismus“ zum Ko-Therapeuten, angeboten durch die IFA-Bremen http://www.ifa-bremen.de .
Schaut man sich deren Seite genauer an, sieht man, welch Wunder, auch Autismus Deutschland als Kooperationspartner. Warum mich das wenig wundert, kommt gleich noch.

Das erste, was mir an den zugesendeten Unterlagen auffällt ist tatsächlich ein großes Emblem der Aktion Mensch, die hier als Förderer dieses Programms auftreten.

IMG_2151.JPG

Im ersten Dokument ist zunächst von verschiedenen Therapieansätzen die Rede. Ein Sammelsurium von Bezeichnungen fallen da einem ins Auge, wie AVT, Teaach etc.
Ingesamt erweckte es von der Art des Ablaufs doch recht schnell eine gewisse Ahnung in mir. Da ich mir unter AVT zunächst nicht richtig was vorstellen konnte, schaute ich mir dann noch das zweite mitgelieferte Dokument an, die BET-Info. Einsehen könnt ihr diese über die IFA-Bremen Seite http://www.ifa-bremen.de/bet-info2011_1.pdf.
Hier wird nun beim lesen mein Verdacht bestätigt. Bei AVT (Autismusspezifische Verhaltenstherapie) handelt es sich um ABA. Lediglich die Bezeichnung wurde eingedeutscht.

Was ist ABA

Kurz gefasst:
ABA zielt in erster Linie darauf ab, Kinder, in diesem Falle autistische Kinder, Fertigkeiten und Verhaltensweisen anzutrainieren, die von der Gesellschaft als Lebensfähigkeit eingestuft wurden.
Ich schreibe das jetzt extra auf die Art. Warum kommt später.
Das Kinder lernen sollten sich selbstständig anzuziehen und essen zu können…ok, das sind elementare Selbstständigkeiten, die bei mir allerdings schon bei „es muss reden können“ wieder aufhören. Aber dafür gibt es auch andere begleitende Therapien, die langwieriger sind und eher in der natürlichen Entwicklung unterstützend statt konditionierend. Das es mit ABA schneller geht, ist unbestritten. Und genau darum geht es.
Schnelle Erfolge. So ist das bei den meisten Therapeuten. An die Spätfolgen wird da nicht gedacht. Warum wohl funktioniert ABA bei Jugendlichen oder Erwachsenen Autisten nicht.
Weil sie sich wehren können.
ABA hat nämlich neben dem schnellen Lernerfolg eine weitere Lerneffekt. Das Kind lernt, das es zu gehorchen hat. Es muss gehorchen ohne zu hinterfragen und das Gewollte ausführen, dann erhält es eine Belohnung. Für das Kind macht gewolltes durch seine Behinderung keinen Sinn. Denn wäre da ein Sinn dahinter, würde das Kind es von sich aus ausführen.
Autisten lernen autodidakt, aber erst wenn der Grund dahinter auch erfasst ist. Diesen Ansatz haben andere Therapien, wie zB Teacch, Dauern aber eher länger, da verstehendes Lernen erfordert wird.
Mit ABA allerdings wird nur konditioniert und es lernt zu gehorchen und das wird später, wenn es älter wird, ein riesen Problem. Denn dann hat man es zur Opferrolle therapiert.
Es ist eben, und daher wende ich da auch immer das Hundetraining als Beispiel an, das Antrainieren von, in diesem Falle, Kunststücken, die dem Tier als sinnfrei erscheinen, da gegen seine Natur.
Das lernen von absolutem Gehorsam ohne das Hinterfragen der Autoritätsperson.
Ich hatte schon mal vor einiger Zeit auch hier über ABA berichtet.

Das Unfassbare daran

Genau wie bei Autismus Deutschland, die angeblich ja für Autisten agieren sollen und dabei ABA unterstützen, so ist es für mich nicht zu erklären, wie Aktion Mensch ein solches Programm fördern kann.
Immer noch hatte ich die leise Hoffnung, das ihr Emblem vielleicht einfach fälschlicher Weise da mit drauf geraten ist, immerhin werden die bei der IFA-Bremen-Seite nicht wie Autismus Deutschland als Kooperationspartner aufgeführt.
Oder Aktion Mensch weiß einfach nicht, was sie da eigentlich fördern.
Aus diesem Grunde wandte ich mich zunächst per PN über Facebook an sie, um da genaueres zu erfahren.
Nach einem kleinen Hin und Her per PN, in dem ich in etwa den selben Text wie oben unter „Was ist ABA“ postete, kam folgende abschließende Antwort von Aktion Mensch:

Zitat „ich melde mich erneut bzgl. der E-Mail vom Freitag. Wir freuen uns immer, wenn wir Menschen mit unseren Projekten und Ideen erreichen, auch wenn sie manchmal kontrovers diskutiert werden.

Ihre Kritik an der ABA-Therapie ist bei uns angekommen und wir können verstehen, dass Sie als Autistin eine persönliche Meinung dazu haben. Wir bei der Aktion Mensch können ein Förderprojekt wie das „Bremer Frühtherapieprogramm Autismus“ jedoch nicht inhaltlich sondern nur aus fachlicher und sachlicher Sicht bewerten. Wir können uns also nicht an der Diskussion beteiligen, ob die ABA-Therapie richtig ist oder falsch. Da es sich jedoch um ein anerkanntes pädagogisches Konzept handelt, unterstützen wir es. Gerne würden wir auch ein Projekt mit einem anderen Ansatz der Autismus-Therapie fördern – nur leider liegt uns keines vor.

Wir hoffen, dass Sie das verstehen.“ Zitatende

Nein, kann ich nicht verstehen!

Bewerten aus sachlicher und fachlicher Sicht? Anerkanntes pädagogisches Konzept und nur eine persönliche Meinung als Autistin. Das sehe ich anders.
Hat Aktion Mensch nun dieselbe Meinung, das persönliche Meinungen von Autisten nichts zu sagen haben, wie die sogenannten Fachleute wie Dose, Kamp-Becker und Co, nebst Autismus Deutschland, die in autistischen Kreisen eh sehr unter Beschuss stehen.
Zählt den für Aktion Mensch nicht das Wort derer, die sie eigentlich unterstützen sollten?
Sind Autisten die falschen Fürsprecher für sich selbst?
Würdet ihr vielleicht sogar so weit wie Autismus Deutschland gehen und Autisten die Diagnose absprechen, nur weil sie es wagen ihre eigene Meinung kundzutun?
Auch gibt es immer mehr von uns unter den Fachkräften. Aber vermutlich sind es nicht die Fachleute, von denen die Rede ist. Zumindest nicht aussagekräftig genug?
Mir tut sich da auch die Frage auf, ob ein Projekt allein schon deswegen unbedenklich ist, nur weil es pädagogisch anerkannt ist. Zumindest laut der Aussage von Aktion Mensch. Allerdings lässt sich hier bei meinen Nachforschungen nichts zu einer pädagogischen Anerkennung finden. Weder auf der Seite der IFA-Bremen, noch zum Thema BET allgemein.
Außerdem finde ich, dass gerade ihr da eine Verpflichtung eurem Klientel gegenüber habt, solche Dinge auch aus der Sichtweise der Betroffenen zu prüfen und das gilt auch bei Autisten.

Die Antwort erweckt eher den Eindruck, das Aktion Mensch sich kein Deut darüber schert, was hinter einem Projekt steckt, sondern das es nur darum geht als Förderer dazustehen, im Sinne: „Seht her wir machen was“.

Zugegeben, klingt böse, soll es auch. Aber ehrlich, das habt ihr nach dieser Aussage auch verdient.

Die Aussage, das aktuell keine Projekte vorliegen, glaube ich euch. Aber wenn ihr umbedingt ein Projekt zum Autismus fördern wolltet, wäre nichtmal viel Recherchearbeit notwendig. Und prinzipiell kann man dann wenigstens sagen, lieber keins als so eins.

Leider reichen meine Recherchekünste nicht aus, um euch mehrere Links dazu zu liefern.
Ein Projekt habe ich allerdings aufgetan. Auch wenn ich nicht genaues zur Konzeption sagen kann, und ich normalerweise eh sehr vorsichtig bin, was Therapien angeht, nebst, das ich normalerweise nie Links zu Therapien weiterleite, kann ich euch zumindest berichten, das LunA eben auch ganz ohne ABA auskommt.

Aufruf zum Thema „nur eine persönliche Meinung als Autistin“

Da ich ein für allemal Aktion Mensch und auch Autismus Deutschland zeigen will, das dies nicht nur die persönlichen Aussagen „einer“ Autistin ist, rufe ich hier im Blog zu einer Art Unterschriftenaktion auf.
Helft mir dabei, indem ihr teilt und hier unter dem Artikel eure Zustimmung kommentiert.
Lasst uns zeigen, wie viele wir eigentlich wirklich sind, die gegen ABA sind.

Update:
es gibt bereits eine erste Reaktion. Ausserdem hat sich Quergedachtes bereit erklärt, zu vermitteln… Danke dafür!

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Nach dem Angebot von Quergedachtes gab es einige Kritik an seiner Herangehensweise, was ich nicht als fair erachte.

Allerdings ist das Gesprächsangebot ziemlich unfair und sieht eher danach aus, das Aktion Mensch sicher gehen möchte, das ihre Förderung begründet ist.

Anbetracht dessen, was die Tage los war und im Hinblick darauf, wie das Gespräch aufgezogen wird, könnte ich einen Rückzug von Quergedachtes mehr als verstehen.

Nehmt euch dazu folgenden Beitrag zu Herzen:

„Ich kann eigentlich nur verlieren„

Weitere wichtige Links zur Sache Aktion Mensch:

Quergedachtes: Nicht über uns ohne uns. Oder doch lieber nicht? 

fotobus: Ihr seid bei mir durch Aktion Mensch

und ein offener Brief an Aktion Mensch von Quergedachtes. Bitte unterzeichnet auch dort in den Kommentaren seines Blogposts!

____________________________________________________________________________
Weitere Links:

http://ellasblog.de/ellas-blog/therapien-und-methoden/weitere-aba-kritik/

https://butterblumenland.wordpress.com/aba/

https://sociallyanxiousadvocate.wordpress.com/2015/05/22/why-i-left-aba/
und die deutsche Übersetzung davon gibt es hier:
https://dasfotobus.wordpress.com/2015/05/27/warum-ich-aba-verlassen-habe-eine-ubersetzung/

http://realsocialskills.org/post/93977719432/nice-lady-therapists

https://www.facebook.com/notes/autistic-strategies-network/statement-on-aba-cdmms-and-other-harmful-practices-imposed-on-autistic-people/1565400283693697?__mref=message_bubble

https://innerwelt.wordpress.com/2013/06/06/wieviel-an-anpassung-ist-denn-noch-notig/

https://quergedachtes.wordpress.com/2015/03/18/botschaft-zum-thema-aba/

http://auticare.de/auticare-zur-aba-therapie/

http://autismus-kultur.de/autismus/politik/fehlverhalten-der-verhaltensanalytiker.html

http://autismus.ra.unen.de/archiv/topic_5339.html

https://quergedachtes.wordpress.com/2013/06/02/wenn-festhalten-als-abartig-empfunden-wird/

http://auties.net/aba

https://butterblumenland.wordpress.com/2015/04/15/antwort-auf-die-stellungnahme-zur-kritik-an-aba/

https://sabrinastolzenberg.wordpress.com/2015/04/16/reaktion-auf-die-stellungnahme-zur-kritik-an-aba/

http://autismus-kultur.de/autismus/politik/fehlverhalten-der-verhaltensanalytiker.html

https://autlandnuernberg.wordpress.com/2015/01/03/aba-reparaturwahn-und-was-ihr-uns-wirklich-antut/

https://autlandnuernberg.wordpress.com/2015/05/02/autismus-deutschland-und-aba-zur-aktuellen-situation/

https://kanner840.wordpress.com/2014/10/27/unterschied-zwischen-normal-therapie-und-autismus-therapie-von-steinzeit-planet/

"Autismus ist nichts Erstrebenswertes, nicht heilbar und es ist ein Leben, das mich jeden Tag aufs neue fordert, in einer Gesellschaft zu bestehen, die nicht autistengerecht ist. Es ist mein Leben und nicht nur eine Diagnose." (Zitat Mädel)
"ABA ist das Lernen von absolutem Gehorsam ohne das Hinterfragen der Autoritätsperson" (Zitat Mädel)

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