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Ich bin aufgeregt. Nicht nur, weil es ein ganz neues Terrain für mich ist und ich nicht genau abschätzen kann, wie es dort ablaufen wird und wie ich es meistern werde. Immerhin neige ich, in den schlecht möglichsten Zeitpunkten dazu, hängen zu bleiben. Keine Worte mehr zu finden, die all den Bildern im Kopf nur annähernd gerecht werden können. Welcher dieser vielen Möglichkeiten ist denn nun die richtige. Welcher Zweig davon der, den anderen am besten begreiflich machen kann, was ich sagen will. Welche Worte sind es, um das zu beschreiben.
Ich arbeite ungern unter Zeitdruck. Einerseits spornt mich Zeitdruck an, endlich mal loszulegen. Zuviel Zeit zur Vorbereitung ist daher nicht all zu gut. Vielmehr zwingt mich der Zeitdruck die Phase des Grübelns endlich zu überwinden, insofern ich das schaffe, und einfach zu handeln.
Allerdings ist dann Zeitdruck wieder kontraproduktiv, denn um alles perfekt zu machen, benötige ich entsprechende Zeitfenster, die ich dann nicht habe.

30 Minuten Vortrag über Autismus als Vorlage zur Gesprächsrunde. Das ist mehr Zeitdruck, als das Thema vertragen kann und so überlege ich nun schon seit Wochen, welche Information nun die wichtigste für mich darstellt. Prioritäten setzten, eins der größten Probleme, die ich schon immer hatte.

Ich bin aufgeregt, weil ich mich zu einem Schritt entschlossen habe, der viele Dinge nach sich zieht. Ich bereite mich momentan auf meine erste Gesprächsrunde vor und neben der Angst, dort völlig zu versagen, bin ich gleichermaßen gespannt darauf.
Denn es ist das erste Mal, dass ich öffentlich zu diesem Thema auftrete. Das erste Mal, das Innerwelt mit mir als reelle Person in Verbindung gebracht werden kann, abgesehen vom offenen Brief, wo mein Echtname als Unterzeichner zu lesen ist. Aber zu diesem Zeitpunkt war mein Entschluss schon gefallen und das Thema war mir wichtig genug. Es war sozusagen mein Outing, das lustigerweise gar nicht so sehr registriert wurde. Eigentlich komisch, nachdem so viele immer wieder angeprangert haben, dass ich inkognito unterwegs bin.

Wie kam es zu dieser Entscheidung?

Ich hatte damals sehr gute Gründe, warum ich meinen Echtnamen nicht in Verbindung mit diesem Blog bringen wollte. Meine Diagnose war nicht öffentlich bekannt, und ich habe Kinder, die allesamt im Fokus der Ämter stehen. Mitten in der Trennung und damit Alleinerziehende, bestand von mir die Befürchtung, dass doch das ein oder andere gegen mich als Mutter verwendet werden könnte. In den letzten 2 Jahren ist jedoch sehr viel passiert.
So ließ es sich nach der Trennung nicht wirklich lange vermeiden, dass meine Diagnose immer mehr im Fokus stand. Benötigte ich doch Hilfe in Form einer ambulanten Betreuung und irgendwie musste diese ja auch gegenüber den Ämtern begründet werden.
Die Schulen wurden auch nach und nach informiert und so ergab es sich, dass inzwischen nahezu mein ganzes Umfeld um meine Diagnose weiß. Spätestens jedoch nach meinem Outing beim Arbeitsamt, ist eigentlich der letzte Grund gefallen, der mich dazu bewog, inkognito zu bleiben.

Dennoch zögerte ich. Hatte ich doch nicht wirklich einen Grund, daran nun wirklich etwas zu ändern. So vertrete ich nach wie vor die Ansicht, dass es doch mehr um die Inhalte geht, als um die Person, die dahinter steht. Nach wie vor stehe ich ungern in der Öffentlichkeit.

Allerdings sind auch auf Blogebene immer mehr Situationen aufgetreten, an denen ich gemerkt habe, dass ich so allein nicht die Aufklärung betreiben kann, wie ich sie mir vorstelle. Nicht, wenn es um Themen geht, die auch mal die Bloggerszene verlassen müssen oder gar die „Autismusbubbel“.
Mag sein, dass ich Aufklärung für mich anders definiere, als viele andere. Aber ich bin der Ansicht, dass nur eine umfassende Sicht Autismus wirklich darstellen kann. Und das wird man nur erreichen, wenn alle Instanzen irgendwann zusammen arbeiten und miteinander reden.

„Nicht über uns ohne uns“ aber wie, wenn ich mich weiter hinter meinem Blog und meinem Pseudonym verstecke.

Im Blog versuche ich meine Innerwelt darzustellen. Entgegen mancher Meinungen, ging es mir weniger darum zu jammern oder meine Defizite herauszustellen, als darum, Unterschiede aufzuzeigen, damit man sie besser verstehen kann. Aufzuzeigen, wie und warum ich mich in manchen Situationen so verhalte, welche Gedanken ich dazu hege und was genau dabei in mir vorgeht.
Oft sind es doch einfach nur die Ängste vor dem Unbekannten, die Berührungsangst, die andere dazu bewegen mag, nicht auf uns zuzugehen. So entstehen häufig völlig verquerte Bilder von Autisten, die mit der Realität nichts gemein haben.
Redet man nicht mit uns, dann entscheiden andere, z.B. auch Ärzte, Therapeuten und Diagnostiker, rein nach der Außensicht. Was in meinen Augen sowieso unlogisch ist, denn gleichermaßen sagen sie, dass Autisten sich ja oft missverständlich ausdrücken, Körpersprache und Mimik kaum oder falsch einsetzen.
So hat es beispielsweise sehr lange gedauert, bis auch bei den Ärzten ankam, dass Autisten sehr wohl Gefühle haben und der Empathie (wenn auch mit Abstrichen bei der kognitiven Empathie) fähig sind.
Ich finde gerade deswegen die Einbeziehung aller Sichtweisen, auch der Innensicht von Autisten selber, extrem wichtig.

Nun ist es aber so, dass die wenigsten zufällig meinen Blog oder den der anderen Autisten lesen.
Und nur über den Blog, lässt sich auch schlecht die Außensicht transportieren, die meiner Innensicht oft sehr entgegen steht.

Innensicht versus Außensicht

Nicht als Kampfansage, sondern als Erklärungsversuch und vielleicht sogar ein Stückchen näher an dem, was ich erreichen will.
Ein Miteinander.

Nun habe ich nächste Woche meine erste Gesprächsrunde und obwohl ich Öffentlichkeit scheue, will ich diesen Schritt unbedingt wagen.

Zugegeben, erstmal in kleiner Runde. Ich habe keine Ahnung, wie ich reagieren werde und bis heute hadere ich mit dem, was ich dort eigentlich sagen soll.
Eigentlich habe ich den Text im Kopf, ähnlich dem, der hier nun steht und niederschreiben könnte ich den sofort, aber verbal vortragen ist eine ganz andere Liga und daher bin ich auch mehr als gespannt darauf, wie die „Gäste“ auf mich und meinen Inhalt reagieren werden.

Immerhin stehe ich das erste Mal (allein) real vor Leuten und will versuchen meine Innerwelt mach Außen zu tragen, in ganz wörtlichem Sinne.
Ob mir das gelingt?