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Sehr geehrter Herr Zuckerberg,

Ich bin Autistin und ich nutze ihre Plattform

Ich habe im realen Leben recht wenig Kontakt nach draußen. Es beschränkt sich mehr oder minder auf Termine und diversen gesellschaftlichen Verpflichtungen. Sie alle bedeuten oftmals so viel Stress für mich, das meist mein Kontakt auf ein Minimum beschränkt ist.
Zudem das Problem das es gar nicht erst zum Kontakt kommt, selbst wenn ich es darauf anlegen würde. Wie die meisten Autisten habe ich Probleme in solchen Dingen.

Facebook bietet mir hier eine Möglichkeit meine Stärken auszuspielen. Gerade das Schreiben fällt mir wesentlich leichter als die verbale Kommunikation. Daher bietet mir ihre Plattform derzeit fast die einzige Möglichkeit Kontakt zu anderen aufzubauen.
Hier kann ich sein wie ich bin und zeigen was in mir ist. Hier kann ich mich ausdrücken, Menschen kennenlernen. Ich kann mir Gruppen suchen, die dasselbe Interesse teilen wie ich und inzwischen kann ich auch sagen, das ich Freunde in FB gefunden habe.

Autismus ist mittlerweile ein großes Sonderinteresse von mir und kaum etwas interessiert mich so sehr wie das. Leider ist es auch so, dass ich kaum ein anderes Thema habe, über das man mit mir reden kann und so ist es nicht verwunderlich, dass ich mich in der autistischen Community mit am wohlsten fühle. Auch wenn ich selbst da eher die Stille bin.
Wie bei allen Menschen auch, fällt es mir wesentlich leichter, Leute über mein Interesse kennenzulernen. Leider steht bei den meisten im realen Leben nicht auf der Stirn geschrieben, das sie wie ich ein starkes Interesse an Autismus und all seinen Randthemen haben. Vielmehr ist es häufig sogar so, das ich mich oder meine Kinder außerhalb der Community oftmals rechtfertigen muss.
Rechtfertigen vor diversen Klischees und mehr als einmal erlebte ich schon massive Zurückweisung auf Grund von Vorurteilen und Angst. Ja, ich denke oft sogar, das andere Angst bekommen. Angst davor, wie sie mit mir oder meinen Kindern umgehen können. Angst davor Fehler zu machen. Angst vor dem, was Autisten vielleicht machen könnten. Man hört da ja so das ein oder andere.

Warum kein Klarname

Das ist recht simpel. Aus denselben Gründen, warum ich diesen Blog nur inkognito schreiben kann. Auch wenn schon einige in meinem Umfeld von meinem Autismus wissen, so ist es doch immer ein sehr genaues Abwägen, wer davon erfahren sollte, darf und wer auf keinen Fall eine Ahnung haben dürfte. In manchen Fällen müsste ich mit erheblichen Konsequenzen rechnen. Vor allem in beruflicher Hinsicht, aber eben auch privat.

„Die Welt ist noch nicht bereit für Autismus“, sagte mal ein Schulpsychologe zu mir und genau da liegt häufig das Problem von Autisten. Solange noch solche Vorurteile und Klischees in den Köpfen anderer verankert ist, käme es in vielen Fällen einem sozialem und beruflichem Selbstmord gleich.
Manche müssten um ihren Job fürchten. Andere um Sanktionen beim Arbeitsamt. Je nach Sachbearbeiter könnte es sogar Konsequenzen durch Jugendämter geben.
Gerade durch Berichterstattungen in den Medien, die oftmals ein sehr schlechtes und völlig falsches Bild von Autisten zeichnen, gerade durch die müssen viele Autisten mit schweren Vorurteilen im realen Leben kämpfen, die weit schneller in Mobbing ausarten können, als man denkt. Lange dachte ich, das ich solch einem Alter entwachsen sein müsste, aber in diesem Punkt scheint sich die Menschheit dem erwachsen werden zu entziehen.

Viele Autisten können aus guten Gründen keine Klarnamen verwenden. Dabei geht es weniger darum keinen anzugeben. Zur Nachverfolgbarkeit sehe ich das sogar ein. Ich habe kein Problem damit Facebook meinen Klarnamen zu nennen. Meine Daten zur Verfügung zu stellen. Ich bin autistisch aber nicht blöd. Ich weiß, wofür FB da ist.
Es geht rein darum, das er sichtbar ist für andere. Das wir so gefunden werden können. Wir selbst oder unsere Kinder. Denn auch die werden irgendwann erwachsen und sind auf Jobsuche oder versuchen sich ein Leben aufzubauen.
Auch sie haben das Recht irgendwann selbst entscheiden zu dürfen, wer von ihrer Behinderung erfahren darf und wer nicht.
Jede andere Community bietet die Möglichkeit seinen Klarnamen zu verschleiern und stattdessen einen Nick anzeigen zu lassen. Das ist durchaus im Bereich des Möglichen…auch für FB.

Ihre Plattform bedeutet eben auch für viele Autisten die mitunter einzige Chance auf ein soziale Umfeld.
Indem sie verlangen, das Klarnamen verwendet werden müssen und wir sie nicht verschleiern können, nehmen sie vielen von uns diese Möglichkeit sich auszutauschen.

Und ja, es war von Anfang an klar, das FB das so will (und erspart mir an dieser Stelle auch jedwede Kommentare dazu) und doch hat sich da mittlerweile eine Community innerhalb der Community entwickelt und diese sind sie gerade im Begriff zu zerstören.

Dabei übersehen sie aber das Großartige, das ihre Plattform da geschaffen hat. Eine Welt wo Behinderte sein können, fast wie alle anderen auch.
Ihre Träume ein Stück weit erfüllen können und ausleben.
Gerade das müsste ihnen ein Begriff sein.
Denn auch sie haben mal mit einem Traum angefangen, oder nicht?

Sie hatten mal den Traum Menschen miteinander zu vernetzen und nichts anderes haben sie bei Autisten getan. In einer Form, die sie wahrscheinlich nicht mal für möglich gehalten hätten.

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english version

Dear Mr. Zuckerberg,

I’m autistic and I use your platform

In real life, I have quite little contact to the outside. It is more or less limited to dates and various social obligations. They all often mean so much stress for me that my contact usually is kept to a minimum.
In addition, there is the problem that it does not come to contacts, even if I would force them. Like most autistic people, I have problems in such matters.

Facebook offers me an opportunity to play off my strengths. Just writing is much easier for me than verbal communication. Therefore your platform currently provides almost the only way to make contact with others.
Here I can be who I am, and show what is in me. Here I can express myself and get to know people. I can find myself groups that share the same interests like me, and now I can say that I have found friends on FB.

Autism is now a big special interest of mine, and little interests me as much as that. Unfortunately, it is also true that I have hardly any other topic that you can talk to me about, so it’s not surprising that I feel most comfortable in the autistic community. Even if I am the more silent one there.
As with all human beings, I find it much easier to get to know people via my interest. Unfortunately, like with most people in real life it is not written on their forehead that they, like me, have a strong interest in autism and all its peripheral topics. Rather, it is often even the case that I have to justify myself or my children outside of the autistic community.
I have to justify us against various clichés, and more than once I already experienced massive rejection on the basis of prejudice and fear. Yes, I often even think that others get scared. Fear of how they can deal with me or my children. Fear of making mistakes. Fear of what autistics might perhaps do. You sometimes hear this or that, don‘t you?

Why no real name

It‘s quite simple. For the same reasons why I can only write this blog incognito. Although quite a few around me know about my autism, it is always a very conscious weighing who should know about it, and who should probably by no means have an idea. In some cases, I would have to reckon with serious consequences. Especially as regards my job, but also privately.

„The world isn‘t ready for autism,“ a school psychologist once said to me, and precisely this is the problem of autistics.
As long as such prejudices and stereotypes are rooted in the minds of others, it would in many cases be like a social and professional suicide.
Some would have to fear for their jobs. Others for sanctions of the employment office. Depending on the agent, there might even be consequences by youth services.

It is through media coverage, which often draws a very bad and completely false picture of autistic people, that many autistics are struggling with serious prejudices in real life that can degenerate much faster into bullying than you may think. For a long time I thought I would be outgrown of such an age, but at this very point mankind seems to escape the growing-up.
For good reasons, many autistics cannot use a real name. It is not so much a matter of giving none. For traceability, I even see that. I have no problem with giving Facebook my real name.To put up my data. I’m autistic but not stupid. I know what FB is about.

It’s purely a matter that it is visible to others. That we can be found. We ourselves or our children. For even they will eventually grow up and are looking for a job or trying to build a life for themselves.
They also have the right to eventually be able to decide for themselves who may learn of their disability and who not.
Any other community offers the possibility to hide one‘s real name and instead to show a nick. This is well within the realm of possibility … even for FB.

Your platform for many people with autism just sometimes is the only chance for a social environment.
By demanding that real names must be used and we can not disguise them, you rob many of us this opportunity for an exchange.

And yes, it was clear from the beginning that FB wants that (and it saves me at this point any comments on it), and yet a community within the community has since developed, and this you are just going to destroy.

But you miss the great thing that your platform has created. A world where disabled people can be almost like any other people.
That they can live their dreams to some degree.
Just that should be an idea to you.
For you, too, once began with a dream, didn‘t you?

You once had the dream of a network of humans, and nothing different you did in the case of autistics. In a way even you did not probably think to be possible.
Sincerely …

Update:

Das kann auch eine Antwort sein:

Facebook hat mich rausgeschmissen und ich soll mich nun per Ausweis verifizieren.