Schlagwörter
Arztbesuch, AS, Asperger Autismus, Asperger Syndrom, ASS, Autismus, Autismus-Spektrum-Störung, HFA, Hochfunktionaler Autist
Ich sollte zum Arzt gehen, sagt mein Verstand und nahezu gleichzeitig rattert mein Gehirn. Ne, geht nicht…weil… .
Mir fallen etliche Ausreden ein. Keine Zeit, nicht so schlimm und geht sicher von allein wieder weg oder zuviel Aufwand.
Oder sind es eben keine Ausreden. Gerade die Einschätzung der Notwendigkeit fällt mir da sehr schwer. Oft warte ich zulange und hadere mit dieser Frage.
Solange, bis es sich von allein ein wenig gebessert hat und somit die Frage neu stellt.
Dabei sind die Schmerzen dennoch da, nur eben nicht mehr so schlimm, wie am ersten Tag.
Wenn ich dann doch mal hingehe, dann muss ich manchmal derart übertreiben, wenn ich eine richtige Behandlung will, was mir persönlich unglaublich schwerfällt.
Übertreiben liegt nicht in meiner Natur.
„Bei dir muss man aufpassen, das du nicht zu sehr untertreibst“ so die Aussagen von Menschen, die mich schon länger und recht gut kennen, und trifft es da eher.
Andererseits kann so schnell was übersehen werden. Betrachtet man nur meinen aktuellen Zustand meiner Zähne, nebst Zyste, die nach etlichen Monaten nun doch entfernt werden muss, nur weil ich damals die Frage, ob es denn schmerzt, nicht wahrheitsgemäß mit „Ja“ beantworten konnte.
Es schmerzte ja nicht zu diesem Zeitpunkt…zumindest nicht so, wie sie es beschrieb. Ich fühle lediglich einen immerwährenden Druck, der bis dato, trotz Wurzelbehandlung und Wurzelresektion unverändert blieb.
Inzwischen ist die Zyste angewachsen und breitet sich aus. Flüssigkeit drückt von unten auf den Nebenzahn, der sich dadurch erhöht anfühlt und daher auch das unangenehme Gefühl beim beissen, so das ich seit einiger Zeit viele feste Nahrungsmittel meide.
Etwas besser geworden ist es, weil ich nun zumindest auf der linken Seite beissen kann, nachdem ja dort alles gerichtet wurde.
Nichtsdestotrotz schmerzt mein Knie, aber gerade Orthopäden mag ich nicht.
Speziell bei meinem aktuellen ist es für mich eine Zumutung.
Es ist nicht nur das Wartezimmer, in dem man das Gefühl hat, das gesamte Krankenhaus sitzt direkt neben dir. Das krankenhauseigene Schwimmbad liegt auf derselben Etage und es riecht nach Hallenbad, geschwängert mit irgendwelchen Düften und dazu ist es schwülwarm.
Das Wartezimmer ist ein Durchgangszimmer und ich darf auswählen zwischen dem einzigen Doppelsitz, wo die Chance das nur einer neben mir sitzt oder nicht an der Ecke halb auf mich drauf, größer ist, oder ich reihe mich in die Reihe an der Wand ein. Da sind keine Stühle in dem Sinne, sondern eine endlose Sitzbank. Gepolstert natürlich, denn wir sind ja beim besten Orthopäden im ganzen Umkreis.
Sitze ich jedoch an den Rändern, kommt ständig jemand an mir vorbei. Die Tür oder der Gang direkt neben einem. Und jedesmal schwappt dieser geschwängerte Geruch mit rein.
Das Wartezimmer betritt man durch ein Treppenhaus, das drei Stockwerke des Krankenhauses miteinander verbindet und ich weiß einfach an diesem Ort nicht, warum der Mensch Türen erfunden hat. Zumindest scheinen im diesem Krankenhaus sämtlich Türen zum Treppenhaus offen zu stehen. Ich kann das ganze Haus hören und das hallt ungemein.
Nein, ich mag auch Orthopäden allgemein nicht. Was ich da teilweise im Allgemeinem schon erlebt habe.
Da wird offen über den Patienten vor mir gemotzt, oder teilweise derart missmutig die Krankengeschichte aufgenommen.
„Interessant“…wenn das der Arzt sagt, dann hat man gewonnen. Dann bemüht er sich tatsächlich mal, genauer zu untersuchen. Bei mir aber unerlässlich, da ich Schwierigkeiten habe, mein Problem korrekt und genauer zu beschreiben. Vermutlich sehe ich auch nicht leidend genug aus, aber in der Regel nehmen mich Orthopäden nicht für voll.
Ich „sie“ aber auch nicht, zumindest kann ich mir kaum erklären, was mich „Patient vor mir“ erstens angeht und zweitens, warum erzählt er mir das.
Außerdem setzt gerade eine orthopädische Untersuchung häufig anfassen voraus. Manchmal ein Röntgen, manchmal auch ein CT. Aber eben nicht immer. Ich weiß nicht, worauf ich mich da einstellen soll, was mich da erwartet.
Zudem verschreiben sie meistens Krankengymnastik, was noch mehr Berührungen von fremden Menschen nach sich zieht. Das kann schon abschrecken und nehme ich daher nur dann wahr, wenn es gar nicht mehr anders geht.
Schwierig dabei auch die Tatsache, dass ich den Schmerz selten genau beschreiben kann und ein vages „es tut halt da weh oder es ist eben anders als sonst“ wird vom Arzt allgemein nur sehr genervt entgegen genommen.
Taucht man da mit einer Begleitung auf, dann wird meist nur mit ihr geredet, und wenn man sich doch mal dazu entschließt, mich direkt anzusprechen, dann in einer Art und Weise, dass man sich gleich als minderbemittelte, schwerhörige Frau fühlt.
Hören kann ich sehr gut und es ist auch nicht so, das ich dem Gespräch inhaltlich nicht folgen kann. Es ist nur ein Zuviel an Sensorik, und zeitgleich schwer für mich, mein Problem adäquat zu kommunizieren.
Ähnlich schwierig verhält es sich bei mir mit vielen Ärzten oder Krankheiten.
Die Frage, wie sehr übertreibe ich, um ernst genommen zu werden und wie glaubhaft bin ich dann irgendwann, wenn sich allzu oft doch nichts Ernsteres herausstellt. Ich habe nunmal Schwierigkeiten mit meiner Körperwahrnehmung. Sie ist anders und daher eben oft nicht verständlich oder für den Arzt mit mehr Arbeitsaufwand verbunden.
Momentan ist mein Knie etwas besser geworden, und so stelle ich mir wiederholt die Frage, muss ich jetzt zum Arzt oder lasse ich es bleiben. Ich vermute, ich frage mich das noch eine ganze Weile.
Du solltest auf jedenfall zum Arzt gehen.
hm
Nur meine Meinung.
mein knie wird auch jedesmal besser, wenn ich in betracht ziehe, ein winziges knappes jahr, nach dem sturz noch mal zum orthopäden zu gehen
normalerweise kommt aber immer rechtzeitig was dazwischen, meistens die arbeit und solange ich noch laufen kann… 🙂
Geh zum Arzt, und zwar möglichst schnell. Wenn der Arzt eine Mailadresse hat, schicke ihm vorher http://www.patientenbeauftragter.de/front_content.php?idart=77 zu, ansonsten druck es aus und drücke es der Sprechstundenhilfe einen Tag vor deinem Termin in die Hand und sage ihr, dass du morgen einen Termin hast und du ein paar Dinge vorher mitteilen möchtest.
Wenn man deine Begleitung anstatt dich anspricht, sage direkt, dass du deine Begleitung nur deswegen mit hast, weil du dich dann sicherer fühlst. Erwähne aber auch, dass du noch voll zurechnungsfähig bist und es sich nicht um einen Beistand im rechtlichen Sinne handelt, sondern einfach jemand, der dich zum Arzt begleitet, weil ihr ohnehin anschließend noch woanders gemeinsam hingehen wolltet, und es daher also einfach passte. Sage nichts davon, dass diese Person als „Zeuge“ oder so was in der Art mitgeht. 😉
Bitte die Sprechstundenhilfe, dich 2 Minuten vor dem Termin auf deinem Handy anzuklingeln (und sag auch, dass du nicht rangehen wirst, damit nicht das Kostenargument kommt). Die sollen einfach ein, zwei mal klingeln lassen, und du stehst dann bei denen zwei Minuten später auf der Matte, bereit für die Behandlung. Verlasse das Gebäude, gehe auf die Straße, irgend wo hin, wo es akut nicht so hektisch hingeht, aber bleibe eben so nah am Gebäude, dass du dann wirklich in zwei Minuten da sein kannst.
Und besprech mit deiner Begleitung diese Dinge, damit sie dich schon beim Vorbringen dieser Punkte entsprechend unterstützen kann.
So handhabe ich das zumindest bei meinen Arztbesuchen, speziell, wenn es ein neuer Arzt ist…
Aber zögere notwendige Arztbesuche nicht länger hinaus, es ist dein Körper. Sage ich dir als jemand, der ungefähr seit einem halben Jahr zum Zahnarzt müsste. Und dessen Haare so langsam die Augen verdecken, weil ich das Haareschneiden nicht mag. 😉
Aber Dein Körper weiß leider nicht, dass du eine andere Körperwahrnehmung hast – der geht trotzdem genauso wie bei „normalen“ Menschen kaputt, wenn man ihn nicht gelegentlich wieder repariert – auch wenn es akut dann gerade nicht sehr weh tun mag, die Probleme sind ja trotzdem da.
Gute Handlungsstrategien!
Danke für den Link.
@ Mädel
bitte achte auf Dich. Und mach einen Termin beim Arzt.
Ich bin auch prima im Ausreden „erfinden“, nicht zum Arzt zu gehen. Aber es hilft halt nicht.
So haben meine Zähne doch gelitten durch die Arztabstinenz und meine Augen haben wir deutlich signalisiert, da ist was geh….
Ich wünsch Dir etwas Mut und einen verständnisvollen Arzt!
Liebe Grüße
Anita
Vielleicht ist es auch nützlich, mit dem Ärzte-Merkblatt, das auf aspies.de mal entwickelt wurde, auf sich aufmerksam zu machen.
den habe ich ihm schon längst gegeben
Oops, ich sehe gerade, dass auf dem obigen Link, http://www.patientenbeauftragter.de/front_content.php?idart=77 , auch unser Flyer als zweiter von oben aufgeführt und zum Download angeboten ist.
Wie wäre es wenn du ein Schmerztagebuch führst. Deine Schmerzen in den akuten Momenten aufschreibst (genaue Beschreibung) und das dann mit zu deinem Arzt nimmst.
wäre eine Idee
Aber dann mal los! Wozu gibt es Ärzte? 🙂
Das Problem ist mir sehr bekannt und ich gehe mittlerweile nur noch mit einer Liste zum Arzt, auf der steht, was ich sagen möchte. Vielleicht würde es sich lohnen, einen anderen, evtl weiter entfernten Arzt aufzusuchen? Meine Ausbildung machte ich in einer orthopädischen Praxis und ich kann sagen, dass es auch Ärzte gibt, die zuhören, nur berühren, wenn es nötig ist und die sich auf Patienten einstellen können. Gerade beim Knie riskiert man langwierige, schwere Schäden, wenn man nicht behandelt.
Gute Besserung!
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