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Diese Frage wurde in einem Forum gestellt und ich fing an zu überlegen. Es ist schwierig, sie einfach so auf die schnelle zu beantworten.
Vor allem ist jeder Autist anders und an dem Spruch „kennt man einen Autisten dann kennt man genau einen“ ist viel Wahres dran.
Ich möchte mich daher in diesem Artikel dem widmen was mir helfen würde und wie ich mir vorstellen könnte, wie man mir mit umgehen kann, aber es soll gleichzeitig ein Aufruf an euch da draußen sein. Mich würde da eure Sichtweise genauso interessieren. Ihr könnt es hier in meinem Blog kommentieren, auf euren eigenen Blogs oder Foren schreiben.

Eigentlich hängt da noch eine weitere Frage mit drin. Zum einem, wie könnte man mit mir umgehen und was würde mir helfen, besser zurechtzukommen.
Dann ist diese Frage im rein zwischenmenschlichen Kontext zu sehen oder sind auch die anderen Bereiche wie Reizüberflutung und Wahrnehmung involviert?
Man sieht, diese Frage lässt sich in Kürze gar nicht so leicht beantworten. Man könnte damit ein ganzes Buch füllen, aber ich will es versuchen.
Vermutlich bleibt einiges ungesagt, was wichtig wäre und ich werde mich darin schwer tun, es ungesagt zu lassen. Oder ich mach da eine Reihe daraus. Mal sehen.

Zwischenmenschliches Miteinander
Nun, am ehesten hilft es mir, wenn man sich klar ausdrückt. Nur wer klare Fragen stellt, kann auch klare Antworten erwarten.
Ich persönlich bewege mich meist auf der sachlich/emotionslosen Ebene und sage selten etwas zwischen den Zeilen. Man muss es sich vergegenwärtigen, dass meine Aussagen keine versteckten Beleidigungen, Anspielungen oder „infrage stellen“ beinhaltet. Es ist mehr einer Feststellung zuzuordnen. Rein wertfrei und sachbezogen. Ich stelle auch viele Fragen und diese auch aus ehrlichem Interesse. Genauso gehe ich häufig davon aus, das andere ebenfalls aus ehrlichem Interesse fragen.

Bei manchen Themen allerdings ein Tipp. Fragt nur, wenn ihr auch die Zeit und Geduld für eine Antwort habt. Es ist verletzend, wenn sich jemand mitten im Satz umdreht und geht und bekundet, das ihn das gar nicht interessiert.

Ich verstehe vieles wörtlich, kann aber inzwischen auf einen jahrelangen Erfahrungsschatz zurückgreifen, so das ich doch manchmal verstehe, wenn etwas anders gemeint ist, als gesagt wird. Aber ich brauche dafür ein paar Sekunden. Wenn ich also nicht gleich auf eine Frage oder Aussage reagiere, dann gebt mir die Zeit. Naja, je nach Komplexität auch mal länger. Es hilft definitiv nicht weitere Fragen nachzulegen. Das hat lediglich zur Folge, dass ich gedanklich nicht folgen kann und irgendwann abschalte. Festhänge sozusagen.

Ich habe zwar gelernt dies zu überbrücken, indem ich wenigstens so aussehe, als würde ich weiter folgen (manchmal gelingt mir das) aber bei genaueren Nachfragen merkt man schnell, dass ich gar nicht mehr im Gespräch mit drin bin. Das heißt nicht, das mich das Gespräch weniger interessiert, oder das ich euch nicht folgen möchte.
Gespräche sind anstrengend und gerade der Anfang ist nicht leicht. Mir hilft manchmal in solchen Situationen, wenn das Gespräch auf ein Thema gelenkt wird, in dem ich sicher bin. Daher fange ich gerne gerade in unsicheren Situationen zu monologisieren an. Das andere extrem wäre, das ich mich aus dem Gespräch drastisch zurückziehe.

Bei vielen Umgebungsgeräuschen (dabei ist es unerheblich, wie laut „ihr“ die wahrnehmt) kann ich euch nicht richtig verstehen. Ich höre dann zwar das jemand was sagt, aber ich verstehe nicht was.
Ich hab irgendwann angefangen begleitend Lippen zu lesen (ansatzweise). Vieles kann ich so besser verstehen erfordert aber auch Konzentration.
Das wird aber manchmal dadurch vereitelt, weil es undeutlich ist, sich jemand ständig wegdreht oder einer „der Bartträger“ ist, wo der Mund nicht mehr auszumachen ist.
Ich bin allerdings nicht schwerhörig. Ich höre im Gegenteil sehr gut, nur eben kann ich Gehörtes nicht filtern. In solchen Situationen hilft brüllen auch nicht, außer das ich mich dann frage, warum dieser Mensch mich jetzt anbrüllt oder ich erschrecke. Was mir helfen würde, wenn man bei wichtigen Gesprächen in eine ruhigere Umgebung wechselt.

Es gibt oft Situationen, wo ich recht gereizt bin. Viele fühlen sich dann angegriffen oder fragen sich was sie gemacht haben, dass ich genervt bin. Das hat meist gar nichts mit der Person zu tun. Es liegt an der Situation.
Im Grunde kann man sich das so vergegenwärtigen. Wenn ich gereizt bin, dann ist irgendetwas schief gegangen. Sei es der Ablauf, eine Planung oder eben einfach nur ein Zuviel an den Umgebungsreizen. Meine Gereiztheit sind ein erster Vorbote für einen Overload und helfen kann mir da nur ein Rückzug oder wenn das nicht geht, dann hilft es, wenn man mich einfach in Ruhe das machen lässt, was ich mache. In der Regel weiß ich, was zu tun ist.
Viele beziehen dies dennoch auf sich und wollen das ausdiskutieren. Rennen auch oft hinterher oder halten mich fest. Das ist in dieser Situation das Falscheste, was man tun kann.
Wenn ich wirklich mal ausraste, (Meltdown) dann bitte lasst mich gehen 😉 und bezieht das nicht auf euch. Auch wenn es in dem Moment unfair, ungerecht und sehr verletzend klingt, was ich sage. Meist tut mir mein Verhalten im Nachhinein sehr leid und ja ich weiß, dass ich mich wie eine Furie verhalte.

Unter Leute gehen
Ich habe damit an sich kein Problem. Ich gehe manchmal gerne raus unter Leute. Aber es strengt mich an. An manchen Tagen mehr und an manchen Tagen eben weniger. Es ist nicht so das ich generell nicht will. Aber an Tagen, wo ich eh schon einen recht hohen Stresslevel habe, kann es passieren, das ich doch lieber zu Hause bleibe.
Bei alltäglichen Dingen, wie z.B. einkaufen, würde mir eine Begleitperson meines Vertrauens helfen. Leider ist das nicht immer möglich und gerade solche Situationen setzten mich ungeheuer unter Stress.
Ich kaufe gerne online ein und ich wünschte manchmal, man würde die Möglichkeiten hierzu ausbauen. Das würde mir wirklich helfen.
Da es aber in den meisten Fällen nicht geht, muss ich da durch.
Nach solchen Unternehmungen brauche ich erstmal Ruhe. Ich bin meist danach völlig erschöpft und so ist es auch nicht verwunderlich, wenn ich mich danach erstmal zurückziehen muss.
Es ist z.B. wirklich nicht gegen die Person gerichtet, wenn ich beispielsweise nach einem Essen im Restaurant nicht noch die Muße habe mich groß mit jemandem zu beschäftigen.

Gerade für einen Partner ist es vielleicht wichtig zu wissen, das ich mich sehr wohl freue, wenn man nach Hause kommt. Aber gerade an Tagen die stressig waren, ist für mich erstmal Rückzug angesagt. Wenn ich mich den ganzen Tag am Funktionieren gehalten habe …sei es auf der Arbeit oder daheim mit den Kindern, wohlmöglich ist auch noch einige schief gelaufen, dann bin ich froh, wenn ich mich im Wissen die Kinder sind versorgt, zurückziehen kann.
Auch muss ich mich zwischendurch zurückziehen.
Ich brauche diese Pausen. Ohne die würde ich den Tag nicht durchstehen. Und ich muss Prioritäten setzten.

Vielleicht kann man es besser verstehen, wenn man sich vor Augen hält, dass ich für einen Tag einen gewissen Vorrat an Kraft zur Verfügung habe. Wenn der erschöpft ist, muss ich meine Batterien erst wieder eine Weile aufladen.

Das alleine sein ist dabei immens wichtig und sollte auch nicht unterbrochen werden. Verschiebt dann alles Wichtige bis ich soweit bin.

Nonverbales/Körperkontakt
Ich bin da wirklich schlecht darin abzulesen, was in euch vorgeht.
Wenn ihr etwas braucht, dann müsst ihr mir das sagen. Ich kann es ohne eine klare Ansage nicht erkennen. Die Aussage „ich fühle mich krank“ führt bei mir nicht unweigerlich dazu, dass ich die Person tröstend in den Arm nehme.
Kontakt ist eh oft recht schwierig für mich. Aber nur weil nicht ständig eine körperliche Nähe von mir angestrebt wird und seltener von mir aus kommt, heißt es nicht, das ich jemanden weniger mag.
Im Gegenteil. Wenn ich jemanden überhaupt an mich so nah heranlasse, ist das schon ein riesen Kompliment. Versucht es mal so zu betrachten.
Was absolut falsch ist in solchen Momenten, das ist, wenn man mich dazu zwingt. Entweder verbal, indem man es einfach erwartet, indem man sich in den Weg stellt oder mir einfach keine Wahl lässt. Vor allem aber, wenn man ein Nein nicht akzeptiert.
Ist es nicht viel schöner, wenn ich diesen Kontakt selber will, als das man ihn mir aufzwingt. Vor allem weil man das auch bei mir merkt. Auch das wurde mir dann häufig vorgeworfen.

Generell mag ich keine leichten Berührungen. Ein gut Gemeintes über den Rücken streicheln versetzt mich eher in Flucht als das ich sowas genießen kann.

Rituale, Absprachen, Abläufe, Pläne, Spezialinteressen
Wenn es möglich ist stört mich nicht in meinen Abläufen und Routinen. Das kann mich vollkommen durcheinanderbringen oder in einen Overload stürzen. Und ja, es ist tatsächlich wichtig, wie die Spülmaschine eingeräumt wird.
Wenn es nicht anders geht, versucht mir so viel Zeit wie nur möglich zu geben, um mich auf die neue Situation einzustellen.
Wenn wir was abgesprochen haben, dann haltet euch daran. Das Schlimmste sind für mich solche Situationen, wo sich andere nicht an das halten, was ausgemacht wurde. Das können für euch ganz unwichtig erscheinende Dinge sein, die für mich aber enorm wichtig sind.
Wenn ihr z.B. sagt, ihr ruft vormittags an, dann macht das auch oder sagt zumindest bescheid, wenn ihr doch nicht anruft. Manche machen es momentan so das sie vorher schriftlich anfragen, ob sie anrufen dürfen. Das ist ein ganz guter Lösungsweg. Das kann per SMS sein oder auch per Messenger. Wie, ist eigentlich egal.

Wenn ein Besuch abgesprochen ist, dann bringt nicht zufällig noch eine Freundin mit von der ich nichts wusste.
Ihr bringt mich damit in eine schwierige Situation und kann dazu führen (wenn das öfter passiert), das ich mich distanziere, weil ich euch nicht mehr vertrauen kann oder unsicher werde.

Ich mache viele Pläne und das dauert manchmal, bis ich Entscheidungen treffen kann. Z.B. kann ich nicht mal schnell einen Einkaufszettel schreiben. Dazu braucht es eine Weile.
Für Entscheidungen müssen alle Seiten und Begebenheiten beachtet werden. Auch das braucht eine Weile.
Wenn ich Pläne mache, brauche ich dafür Ruhe. Ich kann es dann nicht gebrauchen, wenn da neben mir jemand steht und mir ständig reinredet. Entweder ich soll einen Plan machen oder die Person macht selber einen. Wenn ich das machen soll, dann lasst mich auch.
Nach Gesprächen oder wichtige Treffen reflektiere und analysiere ich. Überhaupt ist analysieren meine Art die Welt da draußen zu verstehen.
Ich kann nicht gleich nach einem Gespräch sämtliche wichtigen Informationen weitergeben. Das muss erst ordentlich eingeordnet werden.

Wenn ich meinem Spezialinteresse nachgehe, (vor allem wenn es etwas Neues ist) dann kann ich stunden mit dem Sammeln von Informationen verbringen. Ich bin dann so sehr darin vertieft, dass ich alles um mich herum vergesse. Selbst wenn ich nicht gerade lese oder Informationen sammele, ist mein Kopf immer noch damit beschäftigt.
Ich vergesse selbst so elementare Dinge, wie Essen und trinken.
Wie kommt ihr dann auf die Idee, ich könnte euch ernsthaft zuhören 😉 Kleiner Scherz am Rande.
Im Ernst, es würde helfen mich ans Essen und trinken zu erinnern und vielleicht auch an die wichtigen Termine, die zu erledigen sind 😉

Die Sache mit dem Gefühl
Ich kann manchmal wirklich nicht genau sagen, was in mir vorgeht. Ich bin alexithym. Also gefühlsblind im Bezug auf die eigene Gefühlswelt. Ich habe Schwierigkeiten meine eigenen Gefühle zuzuordnen, was nicht heißt, dass sie nicht da sind. Aber ich kann nicht immer genau sagen, was los ist.
Es braucht manchmal schon eine Weile. Es heißt aber nicht, das ich euch weniger vertraue oder es euch nicht sagen will. Ich weiß es tatsächlich selber nicht.
Peinlichstes Beispiel (im Nachhinein betrachtet) bisher, meine spontane Antwort auf die Frage, ob mir der Kuss gefallen hat: „Mir ist schlecht“ 😀

Allerdings eines ist sicher. Wenn ich nichts sage, dann ist auch nichts. Ich weiß, da werden massig Aussagen dahinter vermutet. Habe ich inzwischen auch mitbekommen. Aber in der Regel sage ich wenn was ist, oder mache ein, wie ich mal vermute, ratloses Gesicht.

Warum mir der Kontakt zu Autisten leichter fällt
Ich nehme diesen Punkt mit rein, weil er vielleicht besser verdeutlicht, wo die Unterschiede, liegen. Ich wurde von einem fleißigen Blogleser gefragt, was wäre, wenn die ganze Welt aus alexithymen Asperger Autisten bestehen würde. Im Grunde, Autisten wie ich.
Wie würde ich in einer solchen Welt zurechtkommen.

Nun, ich kenne eine Person, die selber im Spektrum ist, und mit dieser Person kann ich mich sehr gut unterhalten und sogar recht nah an mich ranlassen. Das Vertrauen liegt bei 100%. Dennoch kommt es selbst bei dieser Person immer wieder zu Missverständnissen. Auch mit den anderen Autisten, mit denen ich regelmäßig Kontakt pflege, kommt es immer wieder zu Missverständnissen.
Das kommt denke ich auch daher, das jeder Autist seine eigenen Erfahrungen gemacht hat in der Kommunikation/im Leben und auf diesen Erfahrungsschatz zugreift.
Es gibt manche Autisten, die durchaus Redewendungen benutzen, teilweise sogar diese studieren und Ironie und Sarkasmus verwenden. Genauso gibt es Autisten, die anhand ihrer Erfahrungen mit den Jahren gelernt haben Gesprochenes zu interpretieren und diese Interpretationen verwenden sie dann auch selber.
Manche überinterpretieren sogar. Sehen in jedem Satz zuviel, oder nur Böses. Eben weil sie das so gelernt haben. Dass es eben so sein muss.

Ich denke auch in einer Welt, in der es nur Autisten gäbe wie mich, würde doch jeder seine eigenen Erfahrungen gesammelt haben und jeder auf seine Weise kommunizieren. Auch verwendet jeder für sich seine Möglichkeiten um auszugleichen. Manche reden gar nicht, manche viel. Es ist auch Ausprägungssache.
Das, was unsere Gespräche oder unser Umgang unterscheidet, ist nicht das wir besser miteinander kommunizieren können. Ja, Autisten senden weniger und dadurch strengt es weniger an, sie sprechen auch klarer. Aber Autisten verstehen auch besser.
Sie können damit umgehen, kennen die Wutausbrüche und die Schuldgefühle, die man danach hat.
Sie wissen wie sich ein Overload anfühlt. Sie wissen, dass ein Ausrasten nicht persönlich gemeint ist. Ein sinnbildliches Türe zuschlagen, weil man sich zurückziehen muss, (nach einem Ausrasten z.B.) heißt nicht zwingend ein Ende der Freundschaft.

Der Unterschied ist nicht wie verstanden wird, sondern das warum.

Außerdem sind da auch noch die Rituale, die Stereotypen. Jeder hat andere, der eine starrer, der andere weniger. Viel zu individuell um das zu pauschalisieren. Es ist zudem auch eine Interessenssache.

Nicht zu vergessen, dass sich die Sinnesreize nicht ausblenden lassen.

Ein ziemlich krasser Cut 😉
Ui, ich sehe schon und setze hier einen Schlusstrich. Ich finde kaum ein Ende und es gibt noch so viel dazu zu erzählen. Eigentlich habe ich einiges was hier reingehört in meinen anderen Artikeln gesondert beschrieben und dort auch genauer. Ich belasse es an dieser Stelle dabei und gebe euch noch einen Rat mit.

Lasst uns so sein, wie wir sind. Das ist das Beste, was man tun kann. Aus leidlicher eigener Erfahrung weiß ich das ein ständiges Ändern wollen alles nur schlimmer macht.
Versucht zu verstehen, warum ein Autist so handelt, wie er handelt. Das macht das Akzeptieren und ein Miteinander wesentlich leichter.

Ich bin jetzt gespannt auf eure Erzählungen.
Wie geht man mit euch als erwachsenen Autisten um? Was würde euch helfen? Wo sind eure Eigenarten.